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BOTANIOAL GARDEN,
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Beiträge
zur
hre von der Fortpllanzung
Von
_ Professor Dr. =. Möbius.
Mit 36’ Abbildungen im Text.
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Jena,
Verlag von Gustav Fischer.
1897.
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Verlag von &ustav Fischer in Jena.
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Büsgen Dr. M., Prof. der Botanik an der Universität Jena, Der Honigtau.
) Biologische Studien an Pflanzen und Pflanzenläusen. Mit 2 lithogr.
Tafeln. 1891. Preis: 3 Mark.
Betrachtungen über das Verhalten des Gerbstoffes in den
Pflanzen. ı389. Preis: 1 Mark 60 Pf.
Detmer Dr. W., Professor an der Universität Jena, Das pflanzenphysio-
, logische Praktikum. Anleitung zu pflanzenphysiologischen Unter-
suchungen. Zweite umgearbeitete Auflage. Mit 181 Abbildungen. 1895. Preis:
brosch,. 9 Mark, geb. 10 Mark,
Haberlandt Dr. 6., Prof. der Botanik in Graz, Ueber die Beziehungen
’ zwischen Funktion und Lage des Zellkernes bei den
Pflanzen. Mit 2 lithograph. Tateln. 1887. Preis: 3 Mark 60 Pf.
fessor c., Monographie der Gattung Epilo-
aussknecht, ? ‚ Monographie der \atsung TEpiipe
I bium. mit 23 lithographischen Tafeln und 1 Verbreitungs-
tabelle, 1884. Preis: 45 Mark. x
Hertwie Dr. Oscar, o. ö. Professor der Anatomie und Direktor des II. Ana-
&) tomischen Instituts an der Universität Berlin, Die Zelle und die
Gewebe. Grundzüge der allgemeinen Anatomie und Physiologie. Mit 168 Ab-
bildungen iım Texte. 1892. Preis: 8 Mark.
Inhalt: Erstes Capitel. Die Geschichte der Zellentheorie. Die Geschichte der
Protoplasmatheorie. — Zweites Capitele. Die chemisch-physikalischen und morpho-
logischen Eigenschaften der Zelle. — Drittes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle.
1. Die Bewegungserscheinungen. — Viertes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle.
II. Die Reizerscheinungen. — Fünftes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle.
liI, Stoffwechsel und formative Thätigkeit. — Sechstes Capitel.e. Die Lebenseigen-
schaften der Zelle. IV. Die Fortpflanzung der Zelle auf dem Wege der Theilung. —
Siebentes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle. V. Die Erscheinungen und das
Wesen der Befruchtung. — Achtes Capitel. Wechselwirkungen zwischen Protoplasma,
Kern und Zellproduct. — Neuntes Capitel. Die Zelle als Anlage eines Organismus
(Vererbungstheorieen).
. a Dr. E., Professor der Botanik an der Universität Freiburg i. Br.,
Hildebran ’ Die Lebensverhältnisse der Oxalisarten. Mit 5 litho-
graphischen Tafeln und 5 Blatt Erklärungen. 1884. Preis: 18 Mark.
Ueber einige Pflanzenbastardirungen. Mit 2 lithographischen Tafeln.
1889. Preis: 4 Mark,
Klebs Dr. Georg, Professor der Botanik in Basel, Ueber das Verhältnis
’ des männlichen und weiblichen Geschlechts in der Natur.
1894. Preis: 80 Pf.
Ueber einige Probleme der Physiologie der Fortpflanzung.
1895. Preis: 75 Pı.
—— Die Bedingungen der Fortpflanzung bei einigen Algen und
Pilzen. Mit 3 Tafeln und 15 Textfiguren. 1896. Preis: 18 Mark.
5
Leitseb Dr. H., Professor an der Universität zu Graz, Mittheilungen aus
OD ’
dem botanischen Institut zu Graz. Erstes Heft. Mit 5
lithographischeu Tafeln. 1886. Preis: 8 Mark.
Inhalt: Dr. E. Heinricher, Die Eiweissschläuche der Crueiferen und
verwandter Elemente in der Rhoeadinenreihe. Mit 3 Tafeln. — Dr. G. Pommer,
Ein Beitrag zur Kenntniss der fadenbildenden Bacterien. Mit 1 Tafel, —
H. Leitgeb, Krystalloide in Zellkernen. — H. Leitgeb, Beiträge zur
Physiologie der Spaltöffnungsapparate. Mit 1 Tafel.
Zweites Heft. Mit 4 lithographischen Tafeln und 3 Holzschnitten. 1888, Preis:
7 Mark.
Inhalt: A. Scherffel, Die-Drüsen in den Höhlen der Rhizomsehuppen
von Lathraea squamaria L. Mit 1 Tafel. — H. Leitgeb, Der Gehalt der
Dahliaknollen an Asparagin und Tyrosin. Mit 1 Tafel. — Dr. E. Heinricher,
Beeinflusst das Licht die Organanlage am Farnembryo? Mit 3 Holzschnitten. —
H, Leitgeb, Ueber Sphäride. Mit 2 Tafeln.
Beiträge
zur
Lehre von der Fortpilanzung
der Gewächse.
Von
Professor Dr. M. Möbius.
Mit 36 Abbildungen im Text.
—
Jena,
Verlage von Gustav/Fischer.
1897.
u)
Herrn Geheimrath
of. Dre ulius von Sachs
Pal
in Würzburg
in Hochachtung und Verehrung
v
| gewidmet.
%
. vom Verfasser.
Vorwort.
Nachdem ich auf äussere Veranlassung hin mich mit Unter-
suchungen über die Folgen der ungeschlechtlichen Vermehrung
bei Blüthenpflanzen und über die Umstände, von denen das
Blühen abhängt, beschäftist und zwei Aufsätze über diese
Gegenstände im biologischen Centralblatt (I891 und 92) ver-
öffentlicht hatte, suchte ich die Verhältnisse der Fortpflanzung
bei den Pflanzen in biologischer Hinsicht weiter zu erforschen
und so ist noch ein Aufsatz über die Entwicklung und Bedeutung
der geschlechtlichen Fortpflanzung im Pflanzenreiche (Biolog.
Centralbl. 1896) entstanden. Es lag mir dann weiter vor allen
Dingen daran, die Fortpflanzungserscheinungen in Beziehung
zu anderen Lebenserscheinungen in das richtige Licht zu stellen
und ebenso die verschiedenen Arten der Fortpflanzung bei den
Gewächsen demgemäss richtig zu unterscheiden, wie ich dies
im ersten Kapitel dieses Buches zu thun versucht habe. Als
weitere Ergänzung zu dem früher schon Bearbeiteten erschien
erforderlich eine Betrachtung über das Verhältniss zwischen der
Fortpflanzung durch Keime und der durch Knospen, wie sie im
vierten Kapitel gegeben worden ist. Nachdem ich nun ferner
die früheren Aufsätze umgearbeitet und erweitert hatte, schien
es mir am zweckmässigsten, sie gemeinsam mit den neuen Ab-
schnitten zu einem Buche zu vereinigen, welches ich hiermit
nicht nur den Fachgenossen, sondern den Freunden der Natur-
wissenschaft überhaupt vorlege: wenigstens habe ich mich
IE
bemüht, auch denen, welche nicht Botaniker von Fach sind.
verständlich zu schreiben. Ausserdem hoffe ich, dass die Figuren
im Texte dazu beitragen werden, das Gesagte anschaulicher zu
machen. Wenn auch bei den meisten derselben bereits ver-
öftentlichte Abbildungen benutzt worden sind, so sind doch alle
Figuren vom Verf. neu und eigens für dieses Buch gezeichnet;
nur die im 5. Kapitel sind zum Theil schon im biologischen
Centralblatt erschienen.
Als das Manuskript bereits fertig war, erschien das Werk
von KLeEs über die Bedingungen der Fortpflanzung bei einigen
Algen und Pilzen: ich habe es also nicht mehr berücksichtigen
können, mir aber erlaubt, eine Figur aus demselben zu ent-
lehnen. Schliesslich spreche ich dem Herrn Verleger für die
gute Ausstattung, welche er dem Buche hat zu Theil werden
lassen, meinen besten Dank aus.
Frankfurt a. M., December 1896.
Inhaltsübersicht.
ererinleituug .,. „u. 2320000 ee el nes 1—22
Erhaltung des Individuums und der Species I—ı7. Fortpflan-
zung durch Keime 8— 13. Fortpflanzung durch Knospen 13—17.
Abgrenzung des Individuums 17—18. Lebensdauer des Indi-
viduums 18— 21. Erhaltung der Art durch Knospen und Keime,
Bedeutung der Sexualität 21—22.
Kapitel II. Ueber die Folgen von beständiger vegetativer Ver-
BETA ANZEN. ne ET IT DT
Theoretische Betrachtung über die angeblichen Nachtheile
der vegetativen Vermehrung 23—27. Spontan wachsende
Pflanzen, die sich auf vegetativem Wege fortpflanzen 28—32.
Culturpflanzen, die vegetativ vermehrt werden 33—7I, und zwar
r) ohne Nachtheil, wie Banane 33, Dattelpalme 35, Yamswurzel
35, Taro 36, Batate 37, Feige 37, Olive 38 und Zierpflanzen.
2) solche, die an epidemischen Krankheiten leiden, wie Pyra-
midenpappel 40—46, Weiden 46—47, Rebe 49-55, Kartoffel 55
—61, Obstbäume 61—68, Zuckerrohr 68—71. Epidemien bei
Pflanzen, die sich durch Keime vermehren: bei Culturpflanzen
71—72, bei spontan wachsenden Pflanzen 73—74. Keimlings-
krankheiten 75. Zusammenfassung 76—77.
Kapitel III. Ueber die ir von denen das Blühen der
Pflanzen abhängt . . . .. BE EN ER NE
Allgemeines 78—79. Aka vom Alter der Pflanze,
einmal und mehrmals blühende Pflanzen S0—89, Periodicität im
Blühen bei letzteren 89—90. Abhängigkeit von äusseren Um-
ständen im Allgemeinen 90—92, vom Licht 93—104, von der
Wärme 104—113, von der Feuchtigkeit 1I3—124, von der Er-
nährung 124—-126. Experimente über den Einfluss von Licht und
Feuchtigkeit 126—129. Abhängigkeit vom Standort 130—I31,
von anderen Organismen 13I—132, von der vegetativen Thätig-
keit 132—134.
= VII —
Kapitel IV. Ueber das Verhältniss zwischen Keim- und Knospen- gr
bildung bei der Fortpflanzung der Gewächse . . . » 2... .% 135—158
Ersetzung der Keime durch Knospen: T) bei wildwachsenden
Pflanzen 135—149, und zwar in Folge des Wohnortes 136—137,
der ausbleibenden Bestäubung 137—140, der veränderten
Blüthenbildung 140— 141, der Bastartnatur der Pflanzen 141—142,
des Diöcismus 142—143, ferner bei Wasserpflanzen 143—146,
bei Epiphyten 146—148, bei Fourcroya 148—149. 2) Bei cul-
tivirten Pflanzen 149—156, Banane 150, Feige 151, Dattel 152,
Oelbaum 152—153, Zuckerrohr 153—154, Obstbäume und Reben
154—155, Knollengewächse 155—156, Zierpflanzen 156. Zu-
sammenfassung 156—158.
Kapitel V. Ueber Entstehung und Bedeutung der geschleehtlichen
Fortpflanzung im Pflanzenreiche . . .» . 2 22 2020202. 159-206
Knospen und Keime, asexuell und sexuell gebildete Keime
159-160 Einfluss des Mediums auf die Entwicklung der
Sexualität und die Ausbildung der Sexualorgane 160—165.
Verhältniss zwischen den Organen der Reproduction und denen
der übrigen Organisation 165—168, Fortpflanzungsverhältnisse
der verschiedenen Pflanzenclassen 168—187. Vereinigung der
männlichen und weiblichen Zellen und Kerne 188—194. Re-
duction der Chromosomen, Keimplasma 194—198. Bedeutung
der Sexualität 199—206.
Alphabetisches Register . . 2.2... a2 nu. nn 2 an
KAPITEL 1.
Einleitung.
Aufs Neue freuen wir uns in jedem Jahre, wann im Frühling
die Vegetation erwacht, aus der Erde Blätter und blüthen-
tragende Stengel hervorkommen, an den vorher kahlen Aesten
der Bäume grüne Blätter und verschiedenfarbige Blüthen er-
scheinen. Der Anblick eines Gartens, in dem Rosskastanien,
Syringen, Goldregen u. s. w. neben einander blühen, gibt uns
einen Begriff von dem Drange, der die Pflanzen erfasst hat, ihre
Organe zu entfalten: Blätter und Blüthen. Was aber, so von
der einen Seite betrachtet, als eine Freude für das Auge und
als ein Schmuck für die Pflanze erscheint, das ist in anderer
Hinsicht der Ausdruck der wichtigsten Vorgänge im Pflanzen-
leben, die jedoch von sehr verschiedener Bedeutung sind, denn
die ‚Blattentfaltung dient der Erhaltung des Individuums die
Blüthenproduktion der Erhaltung der Species. Es ist nothwendig,
sich klar zu machen, dass die Erhaltung des Individuums und
die Erhaltung der Species Vorgänge sind, welche einerseits
durch einander bedingt sind, andererseits in einem gewissen
Gegensatz zu einander stehen.
Wenn ein Baum seine Blätter verliert oder wenn wir ihm
dieselben abschneiden würden, so ist er nicht mehr im Stande,
organische Substanz zu bilden, weil die Organe, welche die
Assimilation besorgen, fehlen. Er kann also nicht mehr wachsen
und wenn kein Reservematerial zu neuer Blattentwicklung vor-
handen ist oder wenn diese immer wieder gehindert wird. so
muss er eingehen, so kann sich das Individuum nicht erhalten.
Wenn wir dagegen dem Baume alle Blüthen abschneiden würden,
Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. I
— D -—
so würde er nicht nur keinen Schaden dadurch haben, sondern
würde seine Laubtheile nur um so kräftiger entfalten, alle durch
die Assimilation gewonnene organische Substanz für das Wachs-
thum des Individuums verwenden können. Wenn aber die
Blüthen stets entfernt würden, so würde der Baum, nachdem
er sein Lebensende erreicht hat, untergehen, ohne dass an seine
Stelle ein anderer treten kann: für die Erhaltung der Species
wäre nicht gesorgt. Nun aber ist der Natur nur an der Er-
haltung der Species gelegen und die Individuen dienen nur,
um die Idee der Species in der Welt der Erscheinungen zu
repräsentiren. Individuen müssen natürlich existiren, denn sonst
ist die Species nicht vertreten, aber es ist ganz gleichgiltig,
durch welche Individuen dieselbe vertreten wird, sie allein
beharrt in dem ewigen Wechsel, in dem immer wiederholten
Entstehen und Vergehen der Einzelwesen. Der Erkenntniss,
dass der Natur an der Erhaltung oder gar an dem Wohl-
befinden der Individuen gar nichts gelegen ist, dürfen wir uns
nicht verschliessen. Wenn wir einen Organismus betrachten,
so erscheint er uns als ein wundervolles Kunstwerk und leicht
sind wir zu dem Glauben geneigt, dass seine Entstehung auch
einer Mühe und eines Aufwandes bedarf, wie es bei der Her-
stellung eines von Menschen gemachten Kunstwerkes der Fall
ist. Wenn aber der Keim und damit auch der Drang zum Leben
vorhanden ist, so entsteht der Organismus ganz von selbst,
spielend, ohne Mühe, ohne Aufwand. Weil es aber der Natur,
so zu sagen, nichts kostet, immer neue Organismen hervor-
zubringen, so verfährt sie auch verschwenderisch mit ihnen und
bekümmert sich nicht darum, ob mit einem Schlage Tausende
vernichtet werden, wenn nur noch Keime übrig bleiben, aus
denen Neue entstehen können. Ist aber also der Natur nichts
an dem Untergange des Individuums gelegen, so noch viel
weniger daran, dass es ihm während seiner Existenz gut gehe:
nur so weit wird es mit dem Nöthigsten ausgestattet, dass es
BERITE. ZR RESTE
— 3 —
sich eben erhalten und für die Erhaltung der Art sorgen kann.
Betrachten wir den Baum mit seinem starken Stamm und seiner
herrlichen Laubkrone, so erscheint er uns leicht als das Bild
üppiger Lebensfülle, aber der Botaniker weiss, dass die Or-
ganisation auch dieses Baumes auf äusserster Sparsamkeit be-
ruht. Seine Blätter sind so gebaut, dass sie mit möglichst
wenig Aufwendung von Material möglichst viel Chlorophyll-
körner dem Lichte darbieten, sie sind so gestellt, dass sie sich
möglichst wenig beschatten und das Licht ausnutzen, damit
nur ja keines überflüssig an dem Baume vorhanden sei. Die
Blätter reichen nur hin, den Bedarf an Substanz einer so grossen
Pflanze, wie eines Baumes, zu decken, wenn sie so gebaut und
so gestellt sind, dass sie das Sonnenlicht auch wirklich aus-
nutzen können; sie müssen immer thätig sein, so lange es Tag
ist, um das nothwendige Material zu liefern für das Dicken-
und Längenwachstum der Wurzeln und des Stammes, für die
Anlage neuer Triebe und vor Allem auch für die Produktion
von Blüthen und Früchten. Wie mit dem Assimilationssystem,
so ist es auch mit dem Leitungs- und dem Festigungssystem,
sodass der ganze Bau dieser Gewebe uns nur von dem Gesichts-
puncte aus verständlich wird, wenn wir annehmen, dass die
angedeuteten Zwecke mit Aufwendung von möglichst wenigem
Material erreicht werden sollen.
Ganz anders ist es, wenn es sich um die Erhaltung der
Species handelt: da herrscht Freigebigkeit, ja sogar Ver-
schwendung. Der Fülle der Blüthen entspricht ein grösserer
oder geringerer Fruchtansatz, oft ein verhältnissmässig sehr ge-
ringer; wie viele von den Samen werden nutzlos ausgestreut
und wie wenige gelangen unter Bedingungen, unter denen
sie keimen und heranwachsen können !).
I) Man wird freilich hier einwenden können, dass, um nur eines oder
wenige neue Exemplare zu erhalten, bei der Unsicherheit des Fruchtansatzes
und der Keimung die Natur so unverhältnissmässig viele Blüthen und Samen
I *
Es gibt aber in der Natur viele Pflanzen, deren ganzes
Wachsthum nur dahin zielt, Blüthen und Früchte anzusetzen
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und wenn sie dies ge-
than haben, selbst zu
Grunde gehen. Es ist
bekannt, dass die Gärt-
ner bei einigen Pflan-
zen, z. B. Orchideen,
unter Umständen die
Blüthenanlagen oder
wenigstens einen Theil
derselben entfernen
müssen, wenn sie das
Exemplar erhalten
wollen, welches sich
sonst „todt blühen“
würde. Schärfer kann
_ der Gegensatz zwischen
dem Wohl des Indi-
viduums und dem der
Species nicht ausge-
sprochen werden. In
der Natur blüben sich
Fig. 1. Corypha Gebanga,
ein Exemplar vor dem
Blühen, ein blühendes und
eines, das nach dem Blühen
abgestorben ist. (Nach
Blume, Rumphia.)
bilden musste, aber gerade dass die Einrichtungen solche sind, spricht dafür,
dass sie hier nicht mit einer Sparsamkeit verfahren ist, wie bei der Aus-
stattung des Individuums.
= 5 __
nun eine ganze Menge Pflanzen regelmässig todt, nämlich alle
sogenannten hapaxanthischen (einmal blühenden) Pflanzen. Die
Corypha-Arten (Fig. I) sind hohe, stolze Palmen, aber sie leben
nur so lange, bis ihr einziger Vegetationspunct durch die Thätig-
keit der Wurzeln und Blätter, die die Nahrung aufnehmen und
bereiten, und des Stammes, der den Saft zuführt, kräftig genug
geworden ist, um den gewaltigen Blüthenstand zu bilden; dieser
kommt „aus dem Herzen“ und daran muss der Baum sterben,
mögen die Blüthen Früchte angesetzt haben oder nicht.
Die einjährigen Pflanzen bilden ihre Blätter und Wurzeln
nur so weit aus, dass das zur Entwicklung der Blüthen und
Früchte nothwendige Material gewonnen werden kann: mit der
Fruchtreife vertrockenen allmählich die Blätter und nach der-
selben geht die ganze Pflanze ein. Es sind darum auch meist
kleine Pflanzen, die sich nothdürftig bis zur Fruchtreife erhalten.
Das unscheinbare Pflänzchen Stellaria media, unser sogenannter
Hühnerdarm, blüht und fruchtet sogar mehreremale während
einer Vegetationsperiode und, gehen wir gar zu den niederen
Pflanzen über, da finden wir bei manchen Pilzen, z. B. Pilo-
bolus, eine rasche Entwicklung in wenigen Tagen, die mit der
Ausbildung der Sporen ihr Ende erreicht, aber immer von
neuem wieder durchlaufen werden kann, wenn die Sporen ein
zur Keimung günstiges Substrat finden. Diese Pflanzen aber,
die so gar nicht für sich selbst sorgen, die sich so ganz in der
Sorge für die Fortpflanzung aufopfern, sie repräsentiren die
Species durch zahllose, immer neue Individuen und gerade
unser Hühnerdarm gehört zu den fast über die ganze Erde ver-
breiteten Unkräutern. Im Gegensatze hierzu stehen die meisten
Bäume: viele unserer nordischen Waldbäume leben Decennien
nur für die Erhaltung ihres Individuums, bevor sie Blüthen
und Früchte ansetzen (vergl. Kap. III). Sie thuen dies dann
viele Jahre lang immer wieder, aber im regelmässigen Ver-
laufe der Dinge entwickeln sich aus den Keimen nur wenige
zur
neue Pflanzen. Wenn aber ein Baum Jahrhunderte, ja Jahr-
tausende alt wird, so repräsentirt er eben während dieser
Zeit die Species, wozu bei den einjährigen Pflanzen eben-
soviele Generationen nothwendig sind, wie der Baum Jahre
lebt. Die californische Riesenfichte, IOooo Jahre alt, 140 Meter
hoch, 35 Meter im Stammumfang, ist nur in wenigen Exem-
plaren vorhanden, der Hühnerdarm, ein wenig Zoll hohes
Kraut von Monat-langer Dauer, ist in zahllosen, sich immer er-
neuernden Exemplaren weit verbreitet: welches aber von diesen
beiden vertritt die Species in der besseren Weise?)
Wenn eine Pflanze sehr alt wird, so ist dies ein Zeichen
dafür, dass sie hinlänglich geschützt ist gegen die Angriffe der
Witterung, der Winde, der feindlichen Organismen, dass sie
genügende Nahrung an ihrem Standort vorfindet, kurz dass die
Bedingungen zur Erhaltung des Individuums erfüllt sind: in
diesem Falle hat sie natürlich um so weniger nöthig, an die
Fortpflanzung zu denken. Dagegen sehen wir oft, dass das
Eintreten ungünstiger Lebensbedingungen die Production der
Fortpflanzungsorgane hervorruft; wenn die Erhaltung des Indi-
viduums bedroht ist, dann muss es an die Erhaltung der Art
denken. Wir werden im II. Kapitel diese Umstände näher be-
trachten und werden auch sehen, wie in der Praxis von dieser
Regel Gebrauch gemacht wird. Hier gilt es nur den Grund-
gedanken hervorzuheben und zu betonen, dass derselbe uns zur
Erklärung mancher Erscheinungen dienen kann. Man hält dies
vielleicht für überflüssig, allein ich will ein Beispiel anführen,
das zeigt, wie das Ausserachtlassen dieses Gedankens zu ganz
verkehrten Anschauungen führen kann.
In einem kleinen Aufsatze über die Beziehungen der
Flechten zu den Pilzen (Hedwigia 1895 p. 195) zieht Lindau
1) Ich glaube, dass für den, der ein wenig tiefer nachzudenken versteht,
der Begriff der Unvergänglichkeit sich viel eher an die Betrachtung der
letzteren als der ersteren Pflanze knüpfen wird.
Be na al
— 7 —_—
aus dem Umstande, dass bei den Flechtengonidien, also den im
Flechtenthallus eingeschlossenen Algen, die fructificative Ver-
mehrung unterbleibt, den Schluss, dass die Algen sich inner-
halb der Flechte in einem unnormalen und geschädigten Zu-
stande befinden, dass also der Pilz auf den Algen parasitire.
Gleichwohl sagt er selbst von der Alge: „sie theilt sich an-
scheinend ganz normal, bringt häufig ihre Zellen zu ansehn-
licherer Grösse als die freilebende Form und übertrifft sie auch
in den meisten Fällen durch die Lebhaftigkeit der Theilungen“.
Der richtige aus solchem Verhalten der Alge zu ziehende
Schluss würde aber sein, dass die Alge sich in ihrem Zustande
wohl genug befindet, um nicht an Fortpflanzung denken zu
müssen; sie bekommt von dem Pilz, in dem sie parasitisch lebt,
soviel Material zugeführt, dass sie von der durch ihre Assi-
milationsthätigkeit gebildeten Substanz dem Pilze wieder ab-
geben kann!). |
Es ist also unrichtig zu sagen, dass eine Pflanze, wenn sie
_ nicht zur Fructification schreitet, „in ihren Lebensfunctionen
alterirt‘“‘ sei, denn die Fructification und die vegetativen Pro-
cesse sind keine gleichwerthigen Lebensfunctionen, sondern
stehen in einer gewissen Concurrenz zu einander: je besser und
ungestörter die vegetativen Processe verlaufen, um so weniger
ist Gefahr für die Existenz des Individuums vorhanden, um so
weniger braucht für dessen Ersatz durch andere gesorgt zu
werden; die Fortpflanzung ist aber weiter nichts als ein Er-
setzen des alten Individuums durch neue.
ı) Natürlich bezieht sich das besonders auf Flechten mit heteromerem
Thallus, deren Pilze ja wie andere saprophytische Pilze auch ohne Algen
gedeihen können, wenn das Substrat organische Substanzen enthält, wie es
Möller in seinen gonidienfreien Flechtenculturen gezeigt hat; die in dem
Pilzthallus eingeschlossene Alge aber muss ihre Nahrungsstoffe, ausser der
Kohlensäure, vom Pilze beziehen. Bei andern Flechten tritt ein mutu-
alistisches Nahrungsverhältniss ein und bei Formen, wie Üoenogonium, er-
scheint der Pilz wirklich als Parasit auf der Alge.
ae
Es giebt aber verschiedene Arten der Fortpflanzung, näm-
lich ausser der durch Keime, wie wir sie bisher im Auge ge-
habt haben, auch eine durch Knospen. Die letztere, die wir
auch vegetative Vermehrung oder Propagation nennen, tritt
nicht immer in einen solchen Gegensatz zum individuellen
Leben, wie die durch Keime. Den Unterschied zwischen der
Vermehrung durch Keime und der durch Knospen findet man
gut dargelegt in Hanstein’s Abhandlung über Caelebogyne.
Dass ich hier die Sache wieder vorbringe und besonders be-
tone, scheint mir nicht ungerechtfertigt zu sein, denn man hat
sie meiner Ansicht nach zu sehr ausser Acht gelassen und be-
geht einen Fehler, wenn man den Unterschied nicht in diesem
Punkte sucht, sondern darin, ob die neue Pflanze auf sexuellem
Wege oder ungeschlechtlich entstanden sei. Die Unter-
scheidung zwischen der Fortpflanzung durch Keime und der
durch Knospen steht ganz im Einklang mit der vorher darge-
legten Auffassung von der Erhaltung des Individuums und der
der Species.
Diejenigen, welche glauben, dass man das Hauptgewicht
darauf legen müsse, ob die Vermehrung geschlechtlich oder
ungeschlechtlich erfolge, haben jedenfalls vorwiegend die
Blüthenpflanzen im Auge gehabt, bei denen die Keime regel-
mässig auf sexuellem Wege gebildet werden und die unge-
schlechtliche Vermehrung eine rein vegetative ist. Wie man
aber die Entstehung der geschlechtlichen Fortpflanzung bei
den Blüthenpflanzen nur versteht, wenn man sie von der der
Sporenpflanzen und in letzter Linie von der Schwärmsporen-
copulation ableitet (Kap. V), so wird auch der Unterschied
zwischen Keimen und Knospen viel klarer, wenn man sein Augen-
merk zunächst auf die Kryptogmen richtet. Es ist bekannt, dass
es Schwärmsporen gibt, welche je nach Umständen sich direct
weiter entwickeln können oder durch paarweise Copulation
eine entwicklungsfähige Zygospore liefern. Für die Beschaffen-
a 0 ER nn
heit des neuen Individuums ist es ebenso gleichgiltig, ob es
aus einer einzelnen Schwärmspore oder aus einer Zygospore
entstanden ist, wie es für die Mutterpflanze gleichgiltig ist, ob
die von ihr erzeugten Schwärmer copuliren oder nicht: bei der
Entstehung der Schwärmer verjüngt sich der Inhalt ihrer
Zellen, tritt aus und lässt die Membranen leer zurück, und
wenn der grösste Theil der Zellen oder gar alle auf diese
Weise verbraucht worden sind, so ist die Existenz der Mutter-
pflanze zu Ende oder mindestens gefährdet. So sehen wir
z. B. den Thallus einer Bulbochaete (Fig. 2) grösstentheils aus
entleerten Zellen bestehen, weil
die Protoplasmakörper als Schwärm- N ‚I ve
sporen ausgetreten sind; wir sehen A /
aber auch die durch Copulations- (7 /
schläuche verbundenen Fäden von (7/
Spirogyra aus lauter entleerten
Zellen bestehen, weil die Proto-
plasmakörper sich paarweise zu den
Zygosporen verbunden haben, die a
= ——
frei in den leeren Zellen des einen
: 2 - Fig. 2. A Pflänzchen von
Fadens liegen. Solche Fälle, wie Bultochnele pyomaso, dessen
sie bei einfach gebauten Algen zu Zellen zum grösseren Theil
, s durch Schwärmsporenbildung
beobachten sind, zeigen uns recht entleert sind. B Zwei Faden-
. . ER . stücke von Spirogyra spec. in
deutlich, dass die Sexualität ein Copulation, der linke Faden mit
A : : leeren Zellen, der rechte mit
Beeundärer Muuzanaı ‘= el Zyeosporen, NUN)
aber die Art und Weise ist, wie der
Keim entsteht, nämlich durch Verjüngung vorhandener Zellen
unter Beeinträchtigung des Wachsthums der ursprünglichen
Pflanze.
Die Entstehung des Keimes durch Zellverjüngung kann
eine einfachere oder complicirtere sein. Die einfachste ist die
von Bulbochaete und anderen Algen, wo der Inhalt einer Zelle
ohne weitere Theilungserscheinungen zur Schwärmspore wird,
die complicirteste ist die bei den Angiospermen, wo das Ei
aus dem Kern des Embryosackes entsteht. Dazwischen liegen
die verschiedenen Bildungsarten der Schwärmsporen, Ga-
meten, Sporen, Eier und Antherozodien, die theils durch Voll-
zellbildung, wie die Eier in den Archegonien, theils durch freie
Zellbildung, wie die Askosporen im Askus entstehen. Es
brauchen die einzelnen Verhältnisse hier nicht geschildert zu
werden, sondern es soll nur noch auf einzelne Punkte aufmerk-
sam gemacht werden. Zunächst verdienen nämlich die acrogen
abgeschnürten Conidien der Pilze, also einschliesslich der Ba-
sidiosporen, erwähnt zu werden, die doch biologisch den in
Sporangien oder Schläuchen erzeugten Pilzsporen offenbar gleich-
werthig sind, aber ohne Zellverjüngung zu entstehen scheinen ;
dass auch bei ihnen eine Verjüngung und zwar eine Vollzell-
bildung eintritt, wobei die Wände von Mutter- und Tochter-
zellen eng aneinanderschliessen oder auch ganz mit einander
verwachsen, hat de Seynes!) wahrscheinlich gemacht; es ist
noch nicht entschieden, ob es wirklich überall stattfindet und
bei der oft ausserordentlichen Kleinheit der Gebilde wohl auch
schwierig nachzuweisen. Ferner ist zu erwähnen, dass zu
diesen echten Keimen, die durch Verjüngung entstehen, nach
Göbel’s Untersuchungen ?) auch die sogenannten Brutkörper
von Aneura multifida zu rechnen sind, da sie nur aus dem
Inhalte der Zellen des Laubes entstehen und das Zellgerüst
des. Sprosses, also die leeren Membranen, erhalten bleiben.
(Fig. 3). Es ist dies insofern interessant, als es einen, wie es
scheint, einzig dastehenden Vorgang bei den Lebermoosen
bildet, welcher noch der Schwärmsporenbildung bei den Algen
.. I) In einer 1886 zu Paris erchienenen Arbeit, die ziemlich ausführlich
im botanischen Centralblatt 1887, Bd. XXXI, p. 67 referirt worden ist.
2) Die Muscineen, in Schenk’s Handb. d. Bot., Bd. II, p. 337. Ebenso
ist es nach G. Ruge’s Untersuchungen bei einer von Göbel in Tovar
gesammelten Aneura spec., auf welche sich die der Ruge’schen Abhandlung
entlehnten Abbildungen in Fig. 3 beziehen (s. Flora 1893, p. 307).
!
5
VOTE vu
entspricht: ein Coleochaete-Thallus, dessen Zellen theilweise als
Schwärmsporen ausgeschlüpft sind und ein Aneura-Thallus,
dessen Zellen als Brutkörper ausgestossen worden sind, zeigen
eine unverkennbare Analogie.
Fig.3. A Stück eines Thallus von Coleochaete scutata, der in Schwärm-
sporenbildung begriffen ist. DB Stück eines Thallus von Aneura spec., von
oben, mit Brutknospenbildung. (© Querschnitt durch denselben, das Aus-
treten der Brutknospen zeigend. (A nach Pringsheim, B und ( nach
G. Ruge.)
Also die Keime entstehen durch Zellverjüngung und die
verjüngten Zellen sind direct fähig, sich weiterzuentwickeln
oder es copuliren zwei so gebildete Zellen und erst das
Copulationsproduct kann zur neuen Pflanze auswachsen. Von
der Zelle des Mutterthallus, in der sich die Keimbildung
vollzogen hat, bleibt oft nur die leere Membran zurück
und so kann ein kleinerer oder grösserer Theil der Mutter-
pflanze dabei aufgebraucht werden, wie wir dies bei Schwärm-
sporen bildenden Algen und Conjugaten sehen. In anderen
Fällen wird ein complicirter Apparat von der Pflanze auf-
gebaut, in welchem nur gewisse Zellen die Keime liefern,
der übrige und bei weitem grösste Theil des Gewebes in ver-
schiedentlicher Hinsicht diesen Zwecken der Vermehrung durch
Keime dient, wie wir es an den Inflorescenzen der Blüthen-
Fennae
pflanzen und den Fruchtkörpern der grösseren Pilze sehen.
Wir können recht wohl den Fruchtkörper eines Pilzes, etwa
einer Morchel, mit dem Blüthenstande einer höheren Pflanze
vergleichen, besonders wenn der letztere auch direct aus dem
unterirdischen Stamme, wie "etwa bei einem Amorphophallus
hervorgeht. In beiden Fällen ist ein grosser Aufwand von
Substanz nöthig, um die Fortpflanzungsorgane zu erzeugen,
die Hauptmasse des Gebildes dient zur Exposition der Samen
oder Sporen, zur Anlockung von Thieren mittelst Geruch oder
Farbe oder Darbietung von Nahrung, welche Thiere die Be-
stäubung vollziehen oder die Früchte oder Sporen verbreiten
sollen. Sporen und Samen sind Keime in dem Sinne, dass bei
ihrer Entstehung eine Zellverjüngung stattgefunden hat; dass
jene rein asexuell, diese durch Befruchtung entstanden sind,
ist ein secundärer Unterschied, der für die Vermehrung ohne
Bedeutung ist. Die Pflanze selbst ist bei der Morchel das My-
celium, welches jedenfalls während der Bildung des Frucht-
körpers seine ganze Kraft auf dieselbe wenden muss und in
seinem Wachsthum unterdessen beschränkt ist. Bei Amorpho-
phallus kann die Knolle, die einen so grossen Blüthenstand
hervorbringen muss, die zu ihrer Ernährung nothwendigen
Blätter auch erst erzeugen, wenn sie die Blüthe überstanden
und neue Kräfte gesammelt hat. Es wäre gar nicht zu ver-
wundern, wenn das Mycelium oder die Knolle gelegentlich nach
der Bildung der Inflorescenzen zu Grunde gingen, indem ihre
ganze Kraft durch die Erzeugung der Keime erschöpft wird
und somit auch hier die Erhaltung und Ausbreitung der Art
auf Kosten der individuellen Existenz gesichert wird.
Bei Moosen und Farnen findet bekanntlich ein regel-
mässiger Generationswechsel statt und deshalb sind die Ver-
hältnisse hier weniger leicht zu überblicken. Wir haben also
bei ihnen zweierlei Keime und zwar sind es die asexuell er-
zeugten, die Sporen, durch welche die Erhaltung der Art ge-
ni
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;
3
4
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schieht. Bei den Moosen geht. nun regelmässig die ganze sporen-
bildende Generation nach Ausstreuung der Sporen zu Grunde,
ja es kann auch die Moospflanze selbst an der Sporen-
erzeugung zu Grunde gehen, wie es bei Buxbaumia aphylla ein-
tritt. Bei den Farnen muss regelmässig die geschlechtliche
Generation für die Entstehung der ungeschlechtlichen geopfert
werden; das Prothallium geht ein, während die Farnpflanze sich
ausbildet, diese aber kann wiederholt Sporophylle erzeugen.
Im Gegensatze zu der bisher betrachteten Keimbildung
findet bei der Vermehrung durch Knospen keine Verjüngung,
sondern nur ein Wachsthum unter gewöhnlicher Zelltheilung
‚statt. Die Knospenbildung kann auftreten als eine Produktion
von Vermehrungsorganen, die eine gewisse Gestalt und Grösse
besitzen und an bestimmten, dazu a
ausgebildeten Theilen der Pflanze 3,
entstehen, wie dies bei den Brut-
knospen von Marchantia oder Tetra-
phis der Fall ist (Fig. 4); oder die
Knospenbildung ist von dem ge-
wöhnlichen, vegetativen Wachsthum
nicht scharf zu trennen, indem auch
das einfache vegetative Wachsthum
zur Vermehrung und Ausbreitung
der Pflanze führen kann, wie z. B.
wenn bei Marchantia zwei Gabel-
äste des Thallus durch Absterben
desselben von hinten aus isolirt —,—_
werden. Bei den Einzelligen fällt Fig. 4. A Längsschnitt durch
. einen Brutknospenbecher von
Zelltheilung und Vermehrung zu- Tora: ve
sammen, die erstere ist aber nur die gleichen von Marchantia poly-
; morpha. (A nach Sachs, B
Folge des das Maass überschreiten- nach Dodel.)
den Wachsthums der Zellen und die dadurch herbeigeführte
Vermehrung würde auch unter den Begriff der Knospenbildung
fallen. Bei den Hefezellen wird die neue Zelle wirklich als
eine Knospe an der alten angelegt und wächst erst allmählich
heran, bei den Palmellaceen wird die neue als eine der alten
sofort gleichwerthige Zelle durch eine Halbirungswand abge-
trennt: vielleicht können wir die Diatomeen als ein Zwischen-
glied betrachten, da bei ihnen, wann die Zelltheilung erfolgt,
die eine Zellhälfte mit der grösseren Schalenhälfte auch die
grössere neue Zelle gibt, die andere mit der kleineren Schalen-
hälfte gewissermaassen die abgetrennte Knospe repräsentirt. Da
bei den Einzelligen, zu denen die ‚Siphoneen nicht zu rechnen
sind, die eine Zelle den ganzen vollständigen Organismus
bildet, so ist auch die Knospe oder die bei der Theilung neu
entstehende Zelle sofort ein vollständiges neues Individuum.
Noch ganz ähnlich den einzelligen Algen verhalten sich die
fadenbildenden, deren Fäden aus lauter gleichartigen Zellen
Fig. 5. Fig. 6.
Fig. 5. Dlothris nitens. Ein Fadenstück, im Zerfall begriffen. (Nach
Klebs.)
Fig. 6. Hormogonienbildung bei: A = Pleetonema Wollei, B= Rivu-
laria bullata. A, und B, einzelne Hormogonien. ( Entwicklung einer jungen
Pflanze von B aus einem Hormogonium. (A nach Gomont, B nach
Thnret.)
bestehen und in der Weise auseinanderbrechen können, dass
die Fadenstücke ungestört weiterwachsen, wie es bei Spirogyra-
und Ulothrix-Arten vorkommt (Fig. 5). An den Anfang der
eigentlichen Knospenbildung bei mehrzelligen Pflanzen können
wir die Bildung der Hormogonien bei den fadenförmigen
Cyanophyceen stellen (Fig. 6). Die Hormogonien sind Faden-
stücke, in denen eine besonders lebhafte Zelltheilung statt-
gefunden hat, welche also durch ein gesteigertes Wachsthum
der Mutterpflanze entstanden sind und sich nun von dieser
trennen. Wenn die Hormogonien, wie bei Zyngbya oder Rivu-
laria, aus einer Gallertscheide des ursprünglichen Fadens heraus-
geschlüpft sind, so bleibt dieser Theil der Scheide zunächst leer
und es erinnert dies an die Entleerung der Sporangien durch
die Schwärmsporenbildung (oben Fig. 2), es scheint hier also
die Mutterpflanze, wie bei der Keimbildung, beeinträchtigt zu
werden. Allein die Analogie ist nur eine scheinbare, denn
erstens ist die Gallertscheide nicht die eigentliche Zellmembran
und zweitens wird der entleerte Theil der Scheide durch nach-
her eintretendes Wachsthum des Fadens wieder ausgefüllt. Die
einzelnen Formen der Knospenbildung für die verschiedenen
Abtheilungen des Pflanzenreiches zu schildern, kann hier nicht
meine Absicht sein; was zur Knospenbildung zu rechnen sei
im Gegensatze zur Keimbildung, ist jedesmal leicht zu ent-
scheiden, wenn man bedenkt, dass bei der ersteren keine Zell-
verjüngung, sondern ein gesteigertes, von gewöhnlicher Zell-
theilung begleitetes Wachsthum stattfindet, wie bei der Anlage
eines neuen vegetativen Triebes, die wir ja am Spross der
Blüthenpflanzen eine Knospe nennen. Es ist eben die zur Ver-
grösserung des Individuums führende und die zur Vermehrung
der Individuen also zur Erhaltung der Art bestimmte Knospen-
bildung morphologisch nicht scharf von einander zu trennen,
wie wir es z. B. bei der Erdbeere sehen (Fig. 7). Dieselbe
treibt bekanntlich von ihrem Stocke aus Ausläufer, oberirdische
en
Stolonen, welche in einer gewissen Entfernung Wurzel schlagen,
Blätter treiben und eine neue Pflanze liefern; wir sehen dann
im Umkreise des Mutterstockes eine Anzahl Tochterstöcke, die
mit ersterer nur durch je einen Strang verbunden sind: der
Strang kann durchgeschnitten werden und wir haben dann
soviel einzelne Individuen als Tochterstöcke neben dem Mutter-
Fig. 7. Entstehung neuer Pflanzen an einem Ausläufer der Erdbeere
(nach Seubert).
stock vorhanden waren. Auch wenn der Tochterstock noch
mit dem Mutterstock durch den Ausläufer verbunden ist, so sind
doch unzweifelhaft jetzt zwei Individuen vorhanden, denn jede
Pflanze ist vollständig, besteht aus einem beblätterten und mit
Wurzeln versehenen Spross und ist in ihrer Weiterentwicklung
von der anderen unabhängig und es können an ihnen Diffe-
renzen auftreten, soweit eben solche an zwei Exemplaren der-
selben Art, resp. Sorte, möglich sind. Ein Erdbeerstock aber,
der keine Ausläufer mit neuen Stöcken gebildet hat, kann nicht
in mehrere Individuen getheilt werden und ebensowenig eine
andere Pflanze, z. B. ein Baum. Was also ein Individuum ist,
sagt sein Name: nämlich ein Körper, der sich nicht theilen lässt
und zwar so, dass die Theilung unmittelbar zwei oder mehrere
neue vollständige Körper ergibt. Jeder Baum ist desshalb
ein Individuum, weil wir ihn ja nicht so theilen können, dass
wir direct aus der Theilung zwei neue vollständige Bäume er-
halten. Dass wir dagegen seine Zweige zu Stecklingen benutzen
und aus ihnen neue Bäume ziehen können, hat damit nichts zu
thun: das abgeschnittene Steckreis hat noch keine Wurzeln und
diese gehören doch auch zur Vollständigkeit des Baumes.
Also auf Vollständigkeit, nicht auf völlige Gleichheit kommt
es an, denn der Tochterstock der Erdbeere kann viel kleiner
sein als der Mutterstock, aber er ist vollständig, hat Stamm,
Blätter und Wurzeln und der Unterschied gegenüber dem
Mutterstock ist nur ein quantitativer. Wenn aber ein Steckling
vom Baum genommen wird, so ist der Mangel an Wurzeln bei
ersterem ein qualitativer Unterschied gegenüber dem letzteren.
Diese Definition dürfte sich ohne Schwierigkeit nicht nur bei
Pflanzen, sondern überhaupt bei allen Organismen durchführen
lassen, soweit dieselben eine bestimmte Gestalt besitzen und
eine bestimmte Lage in Beziehung zu ihrer Umgebung ein-
nehmen. Pflanzen, die ein Lager von unbestimmter Gestalt
oder freischwimmende Fäden mit gleichwerthigen Enden bilden,
können, wie oben für Spirogyra und Ulothrix angegeben wurde,
so getheilt werden, dass die Theilstücke wieder vollständig
sind, denn da alle Zellen gleichartig sind, so fehlt, sobald nur
noch zwei Zellen verbunden sind, diesen Theilstücken kein
charakteristisches Merkmal, das der ganze Faden hatte.
Es liegen aber gerade hier so einfache und leicht zu be-
zeichnende Verhältnisse vor, dass eine besondere begriffliche
Abgrenzung der Individuen gar nicht erforderlich ist. Die
Hauptsache ist eben, dass man von der Anschauung und nicht
von Begriffen ausgehe. Nur durch das fehlerhafte Ausgehen
von letzteren ist es möglich, einerseits den Baum als eine Co-
Möbius, Fortpflanzung der Gewächse, 2
ee
lonie, nicht als ein Individuum zu erklären, andererseits in
sämmtlichen italienischen Pappeln nur ein Individuum zu sehen.
Dass man überhaupt dazu gelangt ist, einen Baum mit einem
Polypenstock !) zu vergleichen und als eine Colonie von Einzel-
pflanzen, welche durch die austreibenden Knospen gebildet
werden, zu betrachten, ist nur erklärlich aus der Gewohnheit
in unseren Breiten, die Bäume in den winterlichen Zustand
übergehen und im Frühling neu austreiben zu sehen. Die
Unterbrechung der Vegetation durch den Winter ist aber kein
normaler Zustand, sondern gewissermaassen ein krankhafter, und
nur in Gegenden mit gleichmässig warmem und feuchtem
Klima sieht man die Pflanzen sich in normaler Weise ent-
wickeln, wie dies Haberland in seiner botanischen Tropen-
reise (p. 3.) sehr ansprechend dargelegt hat.
Dass jedes Individuum nur eine begrenzte 1. ner
aus inneren Gründen hat, ist eigentlich ein Satz, der aus reiner
Ueberlegung angenommen werden muss. Denn dass etwas in
der Zeit entstehe mit der Fähigkeit, über die Zeit auszudauern,
ist ganz und gar widersinnig. Trotzdem scheint es, als ob
grosse Bäume, welche Jahrhunderte oder gar Jahrtausende lang
bestehen, eigentlich an und für sich die Fähigkeit einer unbe-
grenzten Dauer hätten und nur durch die Einwirkung äusserer
Umstände zum Absterben gebracht würden. Zunächst aber
müssen wir bedenken, dass das Leben dieser Baumriesen durch
seine Länge doch nur uns Menschen, die wir es mit der mensch-
lichen Lebensdauer vergleichen, in Erstaunen setzt. Ferner
sehen wir, dass nur gewisse Baumarten so alt werden, andere
aber nicht, woraus denn zu schliessen ist, dass die verschiedenen
ı) Uebrigens lässt sich auch ein Polypenstock von bestimmter Gestalt
nicht in gleiche Theile zerlegen und ist desshalb ein Individuum für sich;
ebenso ein Schwamm, der zwar aus zahllosen Einzelwesen besteht, aber
eine bestimmte Gestalt, eine Anheftungsstelle und eine gemeinsame Mund-
öffnung besitzt. Selbst ein Physophorastock ‚ist ein Individuum; seine Theile
können auch als Individuen auftreten, dann repräsentiren sie aber keine Phy-
sophora.
de >
Baumarten eine verschieden lange Lebensdauer besitzen, ge-
rade wie die einjährigen Pflanzen, welche theils nur wenige
Monate, theils vom ersten Frühjahr bis zum äussersten Spät-
jahre aushalten !),. Wir können auch noch auf eine Erscheinung
in den Gewächshäusern hinweisen, indem es für eine ganze
Anzahl von Pflanzen bekannt ist, dass sie Jahre lang sich gut
erhalten, dann aber, obwohl sie in gleicher Weise weiter ge-
pflegt werden und die äusseren Verhältnisse sich nicht ändern,
allmählich oder rasch absterben. In der Natur ist jede Pflanze
einem mehr oder weniger harten Kampfe ums Dasein ausge-
setzt und ihr Tod ist, wie der der Thiere, meistens ein ge-
waltsamer. Kein Baum bleibt von den Angriffen der Pilze
und Thiere, von den Unbilden der Witterung verschont: wie
lange er diesem Angriffe widersteht, hängt theils von deren
Stärke, theils aber auch von seiner ihm innewohnenden Wider-
standskraft ab. Diese letztere nimmt, von einem gewissen
Zeitpunkte an, der für jede Species innerhalb gewisser Grenzen
liegt, ab und mit dieser Abnahme tritt die Altersschwäche, mit
ihrem Aufhören der Tod ein. Jedes Individuum ist also der
Altersschwäche und dem Tode unterworfen, wie es einen An-
fang und eine Entstehung hat. Das Leben der Species, wenn
man sich so ausdrücken darf, beruht nun darauf, dass die In-
dividuen nicht gänzlich untergehen, sondern sich in der em-
bryonalen Substanz forterhalten, ja dieselbe kann sogar die
Species überleben, da die neuen Arten aus den alten hervor-
gehen und diese aussterben können ?). Bei der Vermehrung
durch Keime sowohl wie auch durch Knospen ist also immer
die embryonale Substanz der Träger der Entwicklungsfähig-
I) Man vergleiche den Aufsatz von A. Burgerstein: „Ueber Lebensdauer
und Lebensfähigkeit der Pflanzen“ in der Wiener illustrirten Gartenzeitung,
Juni 1895.
2) So ist also, empirisch genommen, auch die Species nicht unsterblich,
sie ist noch keine Platonische Idee, allein im Vergleich zu den Individuen
stellt sie doch das Beharrende im Wechsel dar.
2*
keit des neuen Individuums und insofern ist nicht abzusehen,
warum die durch Knospen erfolgende Vermehrung eher zum
Untergange der Art (resp. Varietät, Sorte) führen soll als die
durch Keime. Da wir im II. Kapitel auf diesen Punkt noch
einzugehen haben, so soll er: hier nur berührt werden und wir
haben nur noch daran zu erinnern, dass eine Trennung in
embryonale und vergängliche Substanz oder embryonales und
vergängliches Gewebe nicht bei allen Organismen eingetreten
ist. Es fehlt diese Trennung bei den einzelligen Organismen
oder vielmehr sie ist hier nicht an einem, sondern erst an
mehreren Individuen bemerkbar: wir können uns vorstellen,
dass von den zwei Zellen, in die sich die ursprüngliche Zelle,
der Organismus also, theilt, die eine dem Untergang geweiht
ist, die andere sich weiter theilt, was natürlich in der Natur
nicht mit solcher Regelmässigkeit erfolgt; in Wirklichkeit
müssen nur, wenn auch tausende, die die vergängliche Sub-
stanz repräsentiren, untergehen, immer einige als Repräsen-
tanten der embryonalen Substanz übrigbleiben, wenn die Spe-
cies sich erhalten soll. Dies besagt die sogenannte Unsterb-
lichkeit der Einzelligen, in der wir nichts zu sehen haben,
was von den Verhältnissen bei den Mehrzelligen principiell
verschieden wäre, indem auch bei ihnen sich immer wenigstens
einige Zellen der embryonalen Substanz erhalten müssen. Diese
Erscheinung hat bekanntlich Sachs als die Continuität des
Keimplasmas bezeichnet und damit in klare Begriffe gebracht,
was vielleicht schon von den Stoikern unter dem Aoyog o7regua-
tızog gemeint war. Schopenhauer!) sagt nämlich von
diesem Begriff, den er einen schönen und tiefsinnigen nennt,
dass, wenn auch ausführlichere Berichte über ihn zu wünschen
wären, doch soviel klar sei, „dass dadurch das gedacht wird,
I) Fragmente zur Geschichte der Philosophie, $ 6 in: Parerga und Pa-
ralipomena.
was in den successiven Individuen einer Gattung (Species) die
identische Form derselben behauptet und erhält, indem es
von einem auf’ das andere übergeht; also gleichsam der im
Samen verkörperte Begriff der Gattung.“
Auch diese letzten Betrachtungen über die Grenze des
Individuums in Raum und Zeit scheinen mir nicht überflüssig
zu sein, wenn es sich um die Darlegung der Verhältnisse
handelt, welche dazu dienen, die in vergänglichen Individuen
sich repräsentirende Species zu erhalten. Die Mittel, welche die
Natur dazu verwendet, sind, kurz zusammengefasst, folgende.
Zunächst kann das Individuum trotz seiner Vergänglichkeit
doch verhältnissmässig lange Zeit aushalten: die langlebigen
Bäume, die gewöhnlich erst spät anfangen, durch Samenbildung
für die Erhaltung und Verbreitung der Species zu sorgen.
Sodann finden wir in der Knospenbildung ein Wachsthum über
die Grenzen des Individuums hinaus, wodurch bei Unter-
brechung der Verbindung neue Individuen entstehen. Drittens
beruht die Erhaltung der Art auf der Bildung von Keimen,
welche auf Kosten des individuellen Wachsthums entstehen und
theils ungeschlechtlich sind, theils durch einen Sexualact er-
zeugt werden: hier kann es soweit kommen, dass das ganze
Individuum der Erzeugung dieser Keime geopfert wird.
Als Hauptzweck im Leben der Organismen, vom Menschen
natürlich abgesehen, müssen wir doch die Erhaltung und die
Ausbreitung der Species ansehen, d. h. ihr zeitliches Fort-
bestehen und ihre räumliche Entfaltung oder die Erzeugung
neuer Individuen an Stelle der vergehenden und die Ver-
mehrung der Individuen. Von diesem Standpuncte aus hat es
nur eine untergeordnete Bedeutung, dass zur Entstehung ge-
wisser Keime eine Vereinigung zweier Individuen nothwendig
ist; wir könnten uns wenigstens vorstellen, dass die angegebenen
Zwecke auch ebenso gut erreicht würden, wenn alle Keime rein
asexuell entständen. Allein wir müssen annehmen, dass die
—yEaD
asexuelle Fortpflanzung nicht genügt, wenn wir uns die oft
äusserst complicirten Einrichtungen der Natur zur Ermöglichung
der Vereinigung zweier Geschlechter vergegenwärtigen. Es
muss wohl eine grosse Bedeutung darin liegen, dass zwei vorher
getrennte Substanzen, an denen die vererblichen Eigenschaften
ihrer Erzeuger haften, zusammenkommen und ein neues Indi-
viduum mit einem Gemisch dieser beiderseitigen Eigenschaften
erzeugen. Wir werden im V. Kapitel die Versuche kennen
lernen, die zur Erklärung davon gemacht worden sind, werden
aber auch das Ungenügende derselben zugeben müssen. Viel-
leicht hat es damit eine Bewandtniss, die nur für den Menschen
gilt, in dem allein die tiefere Bedeutung des Lebens zur Geltung
kommt und bei dem allein jedes Individuum von Bedeutung ist.
Es scheint der Natur aber nicht möglich gewesen zu sein,
sogleich den Menschen zu erschaffen, sondern es musste von
den niedersten Erscheinungen der Organismenwelt eine lange
Stufenfolge bis zum Auftreten des Menschen durchlaufen werden.
In der Organisation seiner Vorläufer findet sich nun schon
vieles, was auch dem Menschen eigenthümlich ist. So findet
sich auch bei anderen Organismen schon die geschlechtliche
Fortpflanzung, welche erst im Menschen ihre wahre Bedeutung
erhält !). —
ı) Vergl. Schopenhauer, Welt als Wille und Vorstellung, II. Bd.,
3. Aufl., p. 604.
KAPITEL I.
Ueber die Folgen von beständiger vegetativer Ver-
mehrung der Pflanzen‘).
Wir sind am Schlusse der Einleitung zu der Annahme ge-
langt, dass der geschlechtlichen Fortpflanzung eine grosse Be-
deutung im Leben und in der Entwicklung der Organismen
zukommen muss. Bei den Wirbelthieren ist sie die alleinige
Art der Fortpflanzung überhaupt geworden und bei den
Blüthenpflanzen die einzige Art der Vermehrung durch Keime,
da eine parthenogenetische Entwicklung des Eies nirgends
sicher nachgewiesen ist. Bei manchen Blüthenpflanzen, z. B.
vielen Coniferen, ist die Fortpflanzung durch Samen die einzig
mögliche, während bei vielen anderen neben dieser noch eine
Vermehrung durch Knospen, also vegetative Vermehrung statt-
finden kann. Wir haben schon gesehen, welcher Unterschied
zwischen Keim- und Knospenbildung besteht, dass nämlich bei
ersterer eine Zellverjüngung stattfindet, bei letzterer dagegen
ein Wachsthum über die Grenzen des Individuums hinaus.
Aus dieser Zellverjüngung, einem Begriff, der in morpho-
logischer Hinsicht ganz klar zu präcisiren ist, hat man nun den
Begriff der Verjüngung des Pflanzenlebens im Allgemeinen
abgeleitet und sich vorgestellt, dass eine aus einem Keime, bei
1) Conf. Biologisches Centralblatt, Bd. XI, No. 5 u. 6, 1891.
den Blüthenpflanzen also aus dem Samen, entstehende Pflanze
ein mit frischen Kräften ausgestattetes Individuum sei und dass,
wenn die Vermehrung durch Samen erfolge, die Art in jeder
neuen Pflanze sich wieder verjünge und sich so ungeschwächt
forterhalten könne. Dagegen erfolge bei der vegetativen Ver-
mehrung keine Verjüngung, sie sei nur eine Verlängerung des
individuellen Lebens und, wie das Leben des Individuums be-
schränkt sei, so müsse auch hier eine Grenze der Weiter-
entwicklung bestehen. Die Anhänger dieser Ansicht fassen
somit alle Pflanzen, die durch Propagation von einer aus einem
Samen entstandenen Pflanze abgeleitet werden können, als ein
Individuum auf und bezeichnen diese Gesammtheit als eine
„Sorte“ !); wie das Individuum allmählich altersschwach wird,
so würde es auch die Sorte und diese müsse schliesslich durch
Altersschwäche aussterben.
Hiergegen lässt sich nun verschiedenes geltend machen.
Zunächst ist auf das zu verweisen, was in der Einleitung über
den Begriff des Individuums gesagt worden ist. Wir müssen
Schleiden?) Recht geben, wenn er sagt: „Ich meine, der ge-
sunde Menschenverstand wird es immer lächerlich finden, wenn
man ihm zumuthet, die 2000 Pappeln einer meilenlangen
preussischen Chaussee für Ein fortgesetztes Individuum anzu-
sehen“. Die hier gemeinten Pyramidenpappeln, die nur durch
Stecklinge fortgepflanzt werden, wird also jeder unbefangene
Beurtheiler ebensogut für einzelne Individuen erklären, als
andere aus Samen erwachsende Bäume. Begründet wird diese
Anschauung noch dadurch, dass die aus vegetativen Theilen
älterer entstandenen neuen Pflanzen auch wirklich neue Eigen-
ı) Dies ist die Definition der Sorte von C. F. W. Jessen in seiner noch
oft zu citirenden Abhandlung: „Ueber die Lebensdauer der Gewächse“,
Eine gekrönte Preisschrift (Verhandlungen der kaiserl. Leopoldinisch-Karo-
linischen Akademie der Naturforscher, 1855, Bd. XXV, I. p: 63—248) 1. c.
p- 193. i
2) Grundzüge der wissenschaftlichen Botanik, 4. Aufl. (1861) p. 643.
schaften annehmen können; sie zeigen oft gewisse Differenzen
von ihrer Stammpflanze, wie es ebenso die Sämlinge gegenüber
ihrer Mutterpflanze thun. Diesen Umstand finden wir auch
bei Sorauer hervorgehoben, der sich darüber in einem die
angebliche Degeneration der Culturpflanzen behandelnden Auf-
Satze!) folgendermaassen äussert: „Von den durch Samen fort-
gepflanzten Individuen räumt Jeder ein, dass die Nachkommen
in gewissen Eigenschaften von der Mutterpflanze abweichen
können, wenn sie auch in den wesentlichsten Merkmalen mit
derselben übereinstimmen. Von den ungeschlechtlich ver-
mehrten Culturpflanzen aber ist dasselbe Verhalten ohne
Schwierigkeit zu erweisen. Der Gartenbau liefert hierfür die
zahlreichsten Beispiele. Wem ist nicht bekannt, dass bei Ver-
edlungen die Unterlage den Charakter des Edelreises oft be-
einflusst und dass bei Stecklingen durch veränderte Ernährungs-
verhältnisse Variationen eintreten können? Wenn also selbst
zugegeben wird, dass das zunehmende Alter bei einer Pflanze
gewisse Veränderungen in der Entwicklung bedinge, und wenn
selbst zugegeben würde, dass diese Veränderungen dem Cultur-
zwecke feindliche wären, also eine geringe Ernte quantitativ
oder qualitativ bedingten, so fehlt doch immer noch der Nach-
weis, dass diese Veränderung bei der Vermehrung sich auf den
Sprössling überträgt und erhält“.
Ferner ist daran zu erinnern, dass dasjenige, was als lebens-
fähig von einem Individuum zum andern übergeht, die embryo-
nale Substanz ist, dass auf dieser die Erhaltung der Art beruht.
Dieselbe ist aber nicht bloss in dem wirklichen Embryo vor-
handen, wie er, aus dem Ei hervorgegangen, in dem Samen
eingeschlossen ist, sondern auch in den Knospen, zum min-
desten in deren Vegetationspuncten. Denn zur vegetativen
Vermehrung können eben nur solche Pflanzentheile dienen,
I) P. Sorauer, Degeneriren unsere Culturpflanzen? (Oesterreichisches
landwirthschaftliches Wochenblatt, 1877, No. 27.)
ah e
welche einen Vegetationspunct enthalten, oder doch wenigstens
lebendige Zellen, die einen solchen bilden können, wie die
Blätter der Farne, auf denen sich Adventivsprosse entwickeln.
Wenn aber in den Knospen eben so gut wie in den Keimen
embryonale Substanz, die nicht der Vergänglichkeit des Indi-
viduums unterworfen ist, enthalten ist, so braucht bei der Ver-
mehrung durch Knospen nicht eher eine Altersschwäche einzu-
treten, als bei der durch Keime.
Allein, wird man mir einwerfen, das Ei besteht nur aus
embryonaler Substanz, bei der vegetativen Vermehrung aber
wird auch schon ausgebildetes Gewebe von der Mutterpflanze
auf die Tochterpflanze übertragen. Inwiefern dieses letztere
aber nachtheilig wirken könne, ist eigentlich nicht einzu-
sehen, indem ja doch sich die neuen Theile, Sprosse und
Wurzeln, aus der embryonalen Substanz und nicht aus dem
fertisen Gewebe bilden. Beim Zuckerrohr z. B. entstehen aus
einem Steckreis (Bibit) soviele neue Pflanzen, als Vegetations-
puncte an demselben vorhanden waren, während das die erstere
tragende alte Stammstück zu Grunde geht.
Es würde nur noch übrig bleiben, die Verjüngung bei der
Entstehung eines neuen Individuums aus Samen im Gegensatz
zu dem durch vegetative Fortpflanzung entstehenden darin zu
suchen, dass der Same, respective der Embryo in demselben
das Product einer Befruchtung ist. Diese Auffassung hat
einiges für sich und würde die Erscheinung der sexuellen
Fortpflanzung überhaupt dadurch zu erklären suchen, dass
diese eine „Auffrischung des Blutes“ bedeute, indem eine ganz
andere Substanz in die vorhandene eingeführt wird; man
würde auch mit Recht annehmen, dass die Auffrischung um
so wirksamer sei, je weiter, innerhalb gewisser Grenzen, die
Bildungsstätten der zu vereinigenden Substanzen von ihrem
gemeinsamen Ursprung her auseinander liegen. Handelt es
sich aber, wie Sachs annimmt, nur darum, dass das nuclein-
arme Ei durch den Spermakern mit Nuclein wieder versehen
würde, so würde damit zwar die Nothwendigkeit der Befruch-
tung, aber nicht der Vortheil der Kreuzbefruchtung erklärt
werden. Mag dies aber nun sein wie es will — diese Erörte-
rung gehört nicht an diesen Platz — so spricht gegen die
Annahme, dass nur durch die Befruchtung eine wirkliche Auf-
frischung oder Verjüngung erfolge, die ausschliesslich unge-
schlechtliche Vermehrung bei ganzen grossen Gruppen von
Pflanzen, nämlich bei den meisten Pilzen und bei vielen
Algen, besonders den Laminariaceen und den mit ihnen
am nächsten verwandten Familien. Niemandem fällt es ein
und es liegt dazu auch gar kein Grund vor, bei ihnen eine
eintretende Degeneration der Arten anzunehmen. Freilich er-
folgt bei ihnen die Fortpflanzung nicht durch Knospen, sondern
durch Keime, wie in der Einleitung hervorgehoben wurde,
allein was dieser Unterschied für eintretende Degeneration be-
deuten könne, das ist soeben als erster Punkt erörtert worden.
Geben wir nun auch zu, dass das, was für Algen und Pilze
gilt, sich nicht ohne weiteres übertragen lasse auf die Blüthen-
pflanzen, um die es sich im Wesentlichen handelt, wenn von
den nachtheiligen Folgen der fortgesetzten vegetativen Ver-
mehrung die Rede ist, so können wir doch von rein theoretischer
Betrachtung der Sache aus nicht zu einem sicheren Urtheil
gelangen, dass eine Pflanze der Degeneration verfallen müsste,
wenn sie ausschliesslich auf vegetativem Wege vermehrt
wird.
Desswegen erscheint es nothwendig, die Verhältnisse der
spontan wachsenden und cultivirten Pflanzen, deren Fort-
pflanzung im Allgemeinen, oder ganz ausschliesslich eine vege-
tative ist, genauer zu untersuchen und auf empirischem Wege
zu ermitteln, ob die so vielfach gehegte Ansicht von den
schädlichen Folgen der vegetativen Vermehrung sich bestätigt
oder nicht.
OR
Sehen wir nun zunächst zu, obesin der Natur viele Pflanzen
gibt, die sich ausschliesslich oder vorwiegend vegetativ ver-
mehren und ob diese Pflanzen sich in einem Zustande be-
finden, der als krankhaft bezeichnet werden kann.
„Dass Pflanzen für lange Zeiträume durch Knospen fortge-
pflanzt werden können ohne die Hülfe einer sexuellen Zeu-
gung, können wir sicher daraus schliessen, dass es bei vielen
Pflanzen der Fall ist, welche in einem Naturzustande lange
leben geblieben sein müssen.“ Dies sind die Worte Darwin’st),
mit denen er die Betrachtung einer grösseren Reihe von Bei-
spielen dieser Art einleitet, von denen einige hier wiederge-
geben sein mögen. Er weist zunächst auf viele alpine Pflanzen
hin, die von einer gewissen Höhe ihres Wohngebietes an
keine Samen mehr produciren, sich also nur vegetativ ver-
mehren. Eine besondere Eigenthümlichkeit bieten gewisse
Gräser dar, von denen er Poa und Festuca nennt; wenn die-
selben auf bergigen Weiden wachsen, so sollen sie sich fast
ausschliesslich durch Zwiebeln fortpflanzen. Bei diesen Gräsern
nämlich verwandeln sich oft die ganzen Aehrchen oder die
einzelnen Blüthen mit Deck- und Vorspelze in kleinblättrige
Laubsprosse, die an der Basis mit Wurzelanlagen versehen
sind: dies sind die von Darwin „Zwiebeln“ genannten Or-
gane. Sie lösen sich von der Rispe ab und bewurzeln sich
auf dem Boden. Von Poa stricta Lindb. z. B. kennt man
keine Früchte, sondern alle Pflanzen sind „lebendig-gebärend“
[vivipar?)]. Bei Poa bulbosa L. kommen in gewissen Gegenden
nur vivipare, in andern auch früchtetragende Pflanzen vor:
ı) Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication.
Uebersetzung von Carus, 2. Ausgabe, 2. Bd., p. 195. Hierher gehört auch
Vieles, was Kerner in seinem Pflanzenleben (2. Bd.) in dem Kapitel über
Ersatz der Früchte durch Ableger sagt.
2) So nennt man Pflanzen, die an Stelle von Blüthen in den Blüthen-
ständen Brutzwiebeln oder Brutknospen hervorbringen. Man bezeichnet die
Erscheinung auch als Apogamie.
Poa alpina L. und Festuca ovina L. sind in Niederungen immer
geschlechtlich, in Hochgebirgen und im Norden häufig apo-
gamisch, bei Festuca Fuegiana Hook. und Deschampsia alpina
R. et Sch. ist der geschlechtliche Zustand überhaupt sehr
selten!). Nach Darwin breitet sich der Calmus (Acorus
calamus L.) über einen grossen Theil der Erde aus, zeitigt
aber seine Früchte so selten, dass diese nur von wenigen Bo-
tanikern gesehen worden sind. Leizteres gilt speciell von
Mittel- und Westeuropa, wohin er aus südlichen Gegenden
eingeführt worden sein soll?); seine Verbreitung geschieht hier
seit langer Zeit ausschliesslich durch Verzweigung und Thei-
lung der Rhizome, also auf rein vegetativem Wege. Aehnlich
ist es bei Lysimachia nummaularia L. und Vinca minor L., die
äusserst selten Früchte produciren, aber sich durch ihre Aus-
läufer bedeutend zu verbreiten wissen. Ausser den Ausläufern
besitzt Ranunculus Ficaria L. noch andere Vermehrungsor-
gane in kleinen, mit knollenförmigen Adventivwurzeln ver-
sehenen Knospen, die in der Achsel der Laubblätter stehen
und sich von der Pflanze ablösen (conf. Fig. 20). Das Kraut
derselben ist bereits Ende Mai ganz vertrocknet und die Knöll-
chen bleiben bis zum nächsten Frühjahr in der Erde liegen,
um alsdann zu keimen. Darwin hat diesen Ranunculus nur
einmal Samen tragend gefunden, während andere angeben,
dass er in England, Frankreich und der Schweiz niemals
Samen producire. Die Vermehrung von Ranunculus Ficaria
ist von D. Clos?°) in einer besonderen Studie behandelt
ı) Diese Beispiele sind angeführt nach Hackel’s Bearbeitung der
Gräser in Engler und Prantl, Natürliche Pflanzenfamilien, II. Theil,
2. Abtheilung, p. 15.
2) Der Calmus soll erst 1574 von Clusius aus dem Süden in Wien
eingeführt worden sein und sich von hier aus nach Norden und Westen
verbreitet haben, andere Autoren bezweifeln dies. Man vergleiche auch,
was Ludwig in seinem Lehrbuche der Biologie der Pflanzen (1895) p. 542
über den Calmus sagt.
3) Etude organographique de la Ficaire. (Annales des sciences na-
turelles. Botanique, Ser. III, T. 17, p. 129.)
worden; in derselben wird
auch als eine- fast immer
sterile Pflanze das gemeine
Schilfrohr (Arundo phrag-
mites L.) erwähnt, das viel-
fach an Teichufern ange-
pflanzt wird. Man bindet
dazu Stücke des langen
kriechenden Wurzelstocks
an Strohseile und befestigt
dieselben so, dass die Wur-
zelstöcke sich etwas unter
Wasser befinden: so be-
wurzeln sie sich leicht
und treiben weiter. Auch
von einer Orchidee (Onei-
dium Lemonianum Lindl.
auf St. Thomas, Fig.
wird angegeben’), dass sie
nie Früchte trage, sondern
sich immer nur durch Brut-
knospen vermehre, die an
den unten am Blüthenstand
befindlichen Schuppenblät-
tern an Stelle von Blüthen
entstehen. Betreffs weiterer
Beispiele von einheimischen
und exotischen Pflanzen,
Fig. 8. Oneidium Lemonianum
(nach Bot. Reg.) im blühenden Zu-
stande, von den vegetativen Ver-
mehrungsorganen ist nichts zu
sehen.
ı) E. Eggers, Vermehrungsweise von Oneidium Lemonianum Lindl.
und Paneratium Cariboeum L. (Botan. Centralbl., 1882, Bd. VIII, p. 122.)
TE
e
welche blühen, aber nicht oder nur selten fructificiren, sei auf
das Verzeichniss verwiesen, das Decaisne!) bereits im Jahre
1858 aufgestellt hat. Hier wollen wir von wildwachsenden
Blüthenpflanzen nur noch die Elodea canädensis Rich. an-
führen, von der weibliche Pflanzen zuerst 1836 aus Nordamerika
nach Irland gebracht wurden. Sie wurde dann auch im
übrigen Grossbritannien und in den meisten Ländern Mittel-
und Nordeuropas eingeschleppt. Hier vermehrte sie sich
stellenweise — in Deutschland z. B. bei Potsdam und Sieg-
burg — so stark, dass sie durch Verstopfung der Flussläufe
für Schifffahrt und Fischerei lästig und deshalb als Wasserpest
bezeichnet wurde. Da männliche Pflanzen fehlen, so geschah
die Vermehrung immer nur durch Zertheilung der Stengel.
Jetzt soll allerdings die Individuenzahl sich verringert haben,
doch kann dies eher dem Eingreifen und der Vorsicht der
Menschen, als einer Schwächung in der Entwicklung der
Pflanze zuzuschreiben sein, denn, wo man sie in Flüssen an-
trifft, gedeiht sie auf das üppigste ?).
Ausser den Blüthenpflanzen können wir als Beispiele vege-
tativrer Vermehrung in der Natur auch einige Kryptogamen
anführen. „Von mehreren durch Ableger der verschiedensten
Art sich erhaltenden und verbreitenden Moosen, wie z. B.
Dicranodontium aristatum, Barbula papillosa, Grimmia tor-
quata, Bryum concinnatum und Reyeri, hat kein Mensch jemals
Früchte gesehen. Man kennt sie nur als unfruchtbar, und doch
veranlasst das Fehlen der Früchte durchaus nicht ihr Ab-
sterben“ 3). Bei anderen Laubmoosen fehlen die Früchte nur
I) Note sur la sterilit@ habituelle de quelques especes. (Bulletin de la
Societe Botanique de France, 1858, T. V, p. 154.)
2) Im Sommer 1896 habe ich noch in der Zeitung Klagen aus dem
Odenwald gelesen, dass die Wasserpest durch massenhaftes Auftreten fast
alle Gewässer verstopfe.
3) Nach Kerner, Pflanzenleben, II. Bd., p. 454, wo auch die folgenden
Beispiele von Laubmoosen angeführt sind.
in gewissen Gegenden, in denen ihre Vermehrung lediglich auf
Knospenbildung angewiesen ist, wie Leucodon sciuroides im
nördlichen Europa, Campylopus fragilis, Barbula fragilis und
Timmia norvegica in den Alpen. Von Lebermoosen sei
Lunularia vulgaris Mich. genannt, die in Deutschland, wo sie
seit längerer Zeit eingeführt ist, niemals fructificirt, sondern
sich nur durch sogenannte Brutknospen vermehrt; trotzdem
bildet sie in den Gewächshäusern ein stark wucherndes Un-
kraut. Bei manchen Flechten findet man keine Früchte: sie
vermehren sich dadurch, dass sich kleine Stücke von ihrem
Laube abtrennen, die Soredien genannt werden und die Keime
neuer Pflanzen bilden. Die nicht fructificirenden Flechten sind
vor den übrigen durch besonders reichliche Soredienbildung
ausgezeichnet. Es ist schliesslich noch auf die Algengattung
Caulerpa aufmerksam zu machen, von der für keine ihrer ca. 70
bekannten Arten Schwärmsporenbildung oder überhaupt eine
Vermehrung durch Keime mit Sicherheit bekannt ist: diese
Pflanzen vermehren sich nur durch abgerissene Theile, „die ein
staunenerregendes Vermögen besitzen, die Wunden zu ver-
schliessen und sich zu regeneriren“ (Wille).
Bei den hier angeführten Pflanzen, welche im natürlichen
Zustande, ohne Cultur, wachsen, ist es meistens kaum möglich
zu sagen, wie lange sie bei dieser vegetativen Vermehrung gut
gediehen sind, da genauere Beobachtungen darüber fehlen.
Nur von Elodea wissen wir, dass sie seit mehr als 50 Jahren
sich in Europa ohne Schaden nur vegetativ vermehrt. Es
können also an dieser so wenig wie an den andern Pflanzen
Zeichen von Altersschwäche wahrgenommen werden. Jedenfalls
zeigen uns diese Umstände, dass die vegetative Vermehrungs-
weise nicht etwas ganz Widernatürliches ist und dass sich in ihr
die Cultur keines Mittels bedient, das nicht auch von der
Natur angewendet wird.
En
Was nun die Culturpflanzen betrifft, so haben wir auch
unter ihnen solche, die nur oder wenigstens seit einem sehr
langen Zeitraum vegetativ vermehrt worden sind, ohne dabei
Zeichen von Altersschwäche zu geben.
Das beste Beispiel dieser Art ist die Banane (Musa sapien-
tium L.). Bekanntlich wird dieselbe jetzt in vielen Spielarten
überall in der heissen Zone cultivirt, und zwar seit einer Zeit,
die nicht mehr festzustellen ist!). Nach der Sage liess Gott,
als er die ersten Men-
schen schuf, auch die
Banane aus dem Boden
hervorsprossen: jeden-
falls hat sich die Pflanze
gleichzeitig mit den
Menschenrassen aus-
gebreitet. Sie ist also
als eine der ältesten
Culturpflanzen anzu-
sehen. Ihre Vermeh-
rung geschieht seit un-
denklichen Zeiten nur
durch Sprösslinge, die
aus dem unter dem
Boden befindlichen Rhi-
zome hervorkommen
t Fig. 9. Rhizom von Musa Troglodytarum
(Fig.9). Nur sehr selten mit einem jungen Trieb; der Hauptspross ist
bringt sie Samen her- abgeschnitten. (Nach Blanco, Flora der
vor und selbst wenn Philippinen.)
dies geschieht, so scheinen sie doch niemals zu Culturzwecken
ausgesäet zu werden. Wenn bei irgend einer Pflanze, so würde
I) De Candolle, Ursprung der Culturpflanzen. (Uebers. von E.
Goetze, Leipzig 1884, S. 306.)
Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. 3
man bei ihr vermuthen können, dass sie altersschwach
geworden sei. Es ist aber gar nichts bekannt davon, dass die
Culturen der Bananen jetzt einen schlechteren Ertrag geben
als früher oder dass die Pflanzen von Epidemien zu leiden
hätten. Die
Banane scheint
sich vielmehr
trotz ihres viel-
tausendjäh-
rigen Alters als
Culturpflanze,
trotz ihrer re-
gelmässig vege-
tativen Ver-
mehrung immer
noch des besten
Gedeihens zu
erfreuen. Die-
jenigen Schrift-
steller, welche
eine Degenera-
tion der ge-
Fig. 10. Phoenix daetylifera. Unterer Theil einer schlechtslos
jüngeren Pflanze, an welcher aus den Achseln der vermehrten
nz Ra mehrere Seitensprosse hervorkommen. Pflanzen durch
N. d. N.)
Altersschwäche
vertreten, thun auch der Banane keine Erwähnung. Gegen
ihre Ansicht ist sie bei Behandlung der Frage „Do varieties
wear out“ in Gardener’s Chronicle (1875. I. p. 148) von R.
Binns bereits als gutes Beweismaterial angeführt worden mit
den Worten: „Do the Musa show any signs of deteriation?
If not, it seems that, in this case, the ordinary mode of propa-
gation can be dispensed with without ill effects!“
Nach der Banane möchte ich zunächst die Dattelpalme
(Phoenix dactylifera L.) erwähnen (Fig. Io). Sie bringt aller-
dings in den Ländern, wo sie in ihren Früchten den Be-
wohnern das wichtigste Nahrungsmittel liefert, keimfähige Samen
hervor, sie wird aber nicht durch diese, sondern durch Steck-
linge in der Cultur vermehrt!). Cultivirt wird die für den
Menschen so wichtige Palme vielleicht ebenso lange als die
Banane, von epidemischen Krankheitserscheinungen wird aber
nichts angegeben; wenn ihre Früchte fehlschlagen, so sind un-
genügende Bestäubung der weiblichen Blüthen oder schäd-
liche Insecten (Flugheuschrecken, Ameisen etc.) daran schuld.
Ein weiteres Beispiel, das die Unschädlichkeit der geschlechts-
losen Vermehrung der Culturpflanzen beweist, ist die Yams-
wurzel (Dioscorea Batatas Decne), die in China, wo sie wahr-
scheinlich auch heimisch ist, seit mehr als 2000 Jahren angebaut
wird. Sie vertritt dort die Kartoffel und wird wie diese nur
vegetativ vermehrt durch Stecklinge von den Stengeln oder
durch Wurzelstücke?). In letzterem Fall werden die oberen
Enden der Wurzelknollen abgeschnitten und in den Boden ge-
legt. Von den Stengeln kann man sowohl Ableger als auch
Stecklinge machen, die letzteren, welche man zwischen zwei
Internodien herausschneidet, kann man selbst noch einmal längs
spalten. Sie bewurzeln sich unter günstigen Verhältnissen mit
Leichtigkeit und treiben aus den am Knoten vorhandenen
Knospen aus. Es wird nichts darüber berichtet, dass die Pflanze
infolge dieser Culturmethode irgendwie kränklich erscheine.
ı) Conf. Leunis, Synopsis der Pflanzenkunde, 3. Aufl., bearbeitet von
A.Frank, II. Bd., p. 894. AuchSeemann (Die Palmen, 2. Aufl., Leipzig
1863, p. 198) gibt an, dass die „Dattelpalme durch Wurzelsprösslinge leicht
fortzupflanzen ist“; ebenso Hansen in seinem interessanten Aufsatz über
die Dattelpalme (Prometheus — 1890.)
2) Decaisne, Note sur le Dioscorea Batatas. (Comptes rendus de
Pacademie des sciences. Paris 1855, T. XL, p. 77-83.)
3+
Die andern Dioscorea- Arten, von denen eine der gebräuch-
lichsten D. sativa (Fig. 11) ist, dürften sich ähnlich verhalten.
Eine ähnliche Rolle wie die Yamswurzel spielt in den
meisten tropischen Ländern der sogenannte Taro (Colocasia
antiguorum Schott
(Fig. 12), über dessen
Cultur ich leider
keine so genauen An-
gaben gefunden
habe wie über die von
Dioscorea,; nach
allem aber ist zu
vermuthen, dass er
nur durch Rhizom-
stücke vermehrt wird.
Nun wird in Jes-
sen’s Abhandlung
(1. 'c.: p. T25) aller
Fig. ıı. Dioscorea sativa. A Wurzeln, B Zweig dings berichtet, dass
mit Blättern und Früchten. (Nach Zippel und die Pflanze von einer
Ban Ann Krankheit ergriffen
wird ähnlich der,
welche die Kartoffeln (siehe weiter unten) befällt. „Keine Art
des Bodens oder der Lage wird von diesem Verderben ver-
schont, und weder im Boden noch in der Pflanze kann irgend
etwas entdeckt werden, was im Mindesten auf die Ursache
dieser Krankheit führt.* Dass aber in jener Zeit nichts ent-
deckt werden konnte, beweist noch nicht die Abwesenheit
eines von aussen kommenden Krankheitserregers. Zudem wird
diese Krankheit nur für Jamaica angegeben; dies spricht,
wenn in den andern Ländern die Pflanze bis jetzt gesund ge-
blieben ist, nur dafür, dass hier eine specifische Erkrankung
aufgetreten ist.
Von der Batate (Convolvulus Batatas L.) können wir wohl
dasselbe annehmen wie von der Yamswurzel.- Dass sie nur
vegetativ vermehrt wird, geht schon aus einer Angabe Dar-
win’s!) hervor, wonach
(gemäss einer Mittheilung
von Mr. Fortune) die
Pflanze in China niemals
Samen hervorbringt. Cul-
tivirt wird sie aber jeden-
falls schon länger als die
Kartoffel und gehört Fin
den tropischen Ländern,
besonders der neuen Welt,
wie jene zu den unent-
behrlichsten Nahrungs-
mitteln (Fig. 13). Von
Krankheiten, die auf Al-
tersschwäche beruhen!
sollen, erfährt man nichts.
Wir können ferner
aufden Feigenbaum (Freus
carica L.) hinweisen als
eine geschlechtslos ver-
mehrte Culturpflanze, die
doch keine Degenerations-
erscheinungen zeigt. Der-
selbe wird Be DeCan- Fig. 12. Colocasia antiquorum. (Nach
dolle seit mehr als Rumph, Herb. Amb,)
4000 Jahren cultivirt und
hat sich von seiner ursprünglichen, südasiatischen Heimath über
alle Welttheile verbreitet, wo er in verschiedenen Spielarten
1) Variiren etc., II. Bd., p. 194
"spypdg smmajoauo) "EI "DIA
(quy ‘gig ‘yduny yeN)
gezogen wird.
Seine Vermeh-
rung geschieht
fast nurdurch Ab-
leger, die schnell
Wurzel schlagen,
und durch Stock-
ausschläge. Seit
sehr langer Zeit
also wird der Fei-
genbaum fortge-
setzt auf vegeta-
tive Weise ver-
mehrt, ohne dabei
jetzt schlechter als
früher zu ge-
deihen, denn die
Krankheiten, die
gelegentlich In-
secten oder Pilze
hervorrufen, dürf-
ten schon lange
bei ihm aufgetre-
ten sein und zei-
gen kein allge-
meines Schwä-
cherwerden der
Pflanze an.
Wenn wir
schliesslich hier
den Oelbaum (Olea
europaea L.) an-
führen, "WOTTBe
schieht dies nur auf das Zeugniss von Bolle!) hin, der
ihn zu den Culturpflanzen rechnet, die ohne Schaden vegetativ
‘ vermehrt werden: im übrigen sind die Angaben über diese
Art von einander abweichend. Die Cultur der Olive ist un-
gefähr ebenso alt wie die des Feigenbaums; sie pflanzt sich
durch Wurzelschösslinge, Absenker und Stecklinge fort. Nach
Mittheilungen des Herrn Prof. Penzig in Genua keimen die
reifen Samen nie oder äusserst selten, so dass man in den aus-
gedehnten Olivenwäldern Milliarden von Früchten und Samen
auf und in der Erde liegend, nie aber eine junge Keimpflanze
finden kann. Nach Metzger’s landwirthschaftlicher Pflanzen-
kunde?) „ist die Fortpflanzung durch Samen von sehr langer
Hand, denn ein Olivenbaum trägt nicht leicht früher, als bis
er 15 Jahre alt ist; diese Fortpflanzungsart aber sei das beste
Mittel, jene Ausartung zu verhüten, über welche sich die Be-
wohner des Südens beklagen“. Ob dies aber eine durch Ver-
suche erwiesene Thatsache oder bloss eine landläufige Ansicht
ist, kann daraus nicht entnommen werden. Ich erfahre ferner,
dass der Olivenbaum einer äusserst sorgfältigen Pflege bedarf,
wenn er überhaupt fortkommen und nicht eingehen soll und
dass diese Erscheinung als Altersschwäche gedeutet wird. Doch
können wir dieser für Italien gemachten Angabe die Bemerkung
von De Candolle°’) gegenüber halten, dass die Olive ein
Baum ist, „der selbst auf dem undankbarsten Boden Erträgnisse
liefert“. Somit scheint es mir, dass der Oelbaum wenigstens
nicht gegen die Richtigkeit der oben ausgesprochenen Ansicht
angeführt werden kann, einer Ansicht, für welche wohl das
Verhalten der Banane als bestes Beweismittel gelten darf.
Als solches können nun aber auch noch viele Zierpflanzen
ı) Bouche& und Bolle, Degeneration aus Altersschwäche. (Monats-
schrift zur Beförderung des Gartenbaues, von Wittmack, 1875, p. 484.)
2) Heidelberg 1841, I. Bd., p. 567.
3) Ursprung der Culturpflanzen, p. 357.
bezeichnet werden, die in ihren besonderen Sorten seit langer
Zeit dadurch erhalten werden, dass man sie nur aus Steck-
lingen, Knollen oder Zwiebeln zieht. So haben wir Sorten von -
Tulpen, Rosen, Hyacinthen, Geranien, Nelken,
Georginen u. a.!), von denen manche mehr als 100 Jahre
bei dieser Cultur gedeihen und ebenso kräftig wachsen als
andere, regelmässig aus Samen gezogene Pflanzen.
Dem Verhalten, welches die hier genannten Culturpflanzen,
in deutlichster Weise die Banane, zeigen, steht nun das ge-
wisser anderer Culturpflanzen gegenüber: von diesen wird an-
gegeben, dass sie bei der geschlechtslosen Vermehrung früher
zwar gut gediehen sind, nach bestimmter Zeit aber angefangen
haben, krank zu.werden, so dass manche sogar ihr Aussterben
befürchten lassen. Die Ansicht, dass dies ein Beweis für die
Altersschwäche sei, findet sich am ausführlichsten dargelegt in
der oben (conf. Anm. I p. 24) citirten Abhandlung von C. F.
W. Jessen. Besonders wenn unter verbreiteten Culturpflanzen
Epidemien auftraten, wurden sie von den Vertretern jener An-
sicht als Folgen der fortgesetzten ungeschlechtlichen Ver-
mehrung der betreffenden Pflanzen angesehen. Es seien deshalb
die hauptsächlichsten dieser Fälle jetzt etwas ausführlicher be-
handelt.
Einen sehr bekannten Fall, dass die Vermehrung nur
durch Stecklinge erfolgt und dass die so erzogenen Pflanzen
in neuerer Zeit in grossem Maassstabe erkranken, bietet die
Pryamidenpappel (P. pyramidalis Rozier — P. dilatata Ait.)
Die Heimath dieses Baumes ist nach den Angaben der meisten
Autoren ?) in Mittelasien zu suchen, von wo er nach Europa
I) Conf. Anm. ı der vorigen Seite.
2) Willkomm (Forstliche Flora von Deutschland und Oesterreich.
Leipzig und Heidelberg 1872, p. 456), der die Pyramidenpappel als eine
Varietät der Schwarzpappel (Populus nigra L.) betrachtet, gibt Folgendes
an: „Sie findet sich nach Royle wildwachsend am Himalayagebirge, wo
gebracht wurde. Zuerst in Italien angepflanzt, verbreitete er
sich von da in die anderen Länder. Nach Deutschland ist er
aus Frankreich in den siebziger Jahren des vorigen Jahr-
hunderts gekommen und wird hier vielfach als Chauseebaum
verwendet. Auch nach den Vereinigten Staaten ist er von
England aus im Jahre 1809 durch den Kanzler Livingstone
eingeführt worden !). Es darf wohl angenommen werden, dass
Fig. 14. Pyramidenpappeln mit gesunden und absterbenden Gipfeln.
(N. d. N.)
der männliche und weibliche Baum zusammen vorkommt, und ist daher
wahrscheinlich nicht aus Persien nach Europa gekommen, wie man früher
annahm“. Frank’s Angabe in Leunis’ Synopsis (Bd. II, p. 505), dass sie
von den Ufern des Mississippi stamme, beruht auf einer Verwechslung mit
einer andern Art.
I) Report of the Commissioners of Patents for 1829. Agriculture p. 270.
(Citirt in Jessen p. 201.)
die Verbreitung und Vermehrung dieser Pflanze in den grossen
Gebieten, welche sie jetzt bewohnt, ausschliesslich durch Steck-
reiser geschehen ist. In Deutschland wenigstens stammen alle
Exemplare von einem Baume ab und zwar war dieser Baum
ein männlicher, da, wie schon erwähnt, fast alle Exemplare
männlich sind !).
Aus verschiedenen Ländern wird nun gemeldet, dass die
Pappeln im Begriff sind auszusterben. In England gingen in
den Jahren 1820 bis 1840 die meisten Bäume zu Grunde und
in den Vereinigten Staaten drohten sie 1840 ganz zu verschwin-
den ?). In Nord- und Mitteldeutschland scheinen die Pappeln
besonders seit 1880 ebenfalls überall im Aussterben begriffen
zu sein, während sie in Süddeutschland stellenweise noch ganz
gut gedeihen. Eine äussere Ursache für das Siechthum dieser
Bäume gibt sich nicht deutlich zu erkennen. Dass z. B. in
Norddeutschland die grosse Kälte des Winters 1879/80 Veran-
lassung dazu gewesen wäre, ist nicht wahrscheinlich. Focke?)
macht dagegen geltend, dass schon vor 1879 die Pyramiden-
pappeln zu kränkeln begannen. Ferner zeigten sich nach dem
Frost in Norddeutschland die Pappeln, aber nicht die Obst-
bäume, in Süddeutschland die Obstbäume, nicht aber die
Pappeln geschädigt. Drittens sind frühere noch kältere Winter
ı) Es existiren in Deutschland auch einige weibliche Exemplare, über
deren Entstehung man nichts genaues weiss. Möglich ist es, dass an einem
männlichen Baum ein Zweig mit weiblichen Blüthen durch spontane Variation
auftritt und dass dieser dann, als Steckreis verwendet, einen weiblichen
Baum liefert. Beobachtet ist aber eine solche Knospenvariation an der
Pappel noch nicht. Man kann daher auch annehmen, dass die weibliche
Pyramidenpappel entstanden ist durch Kreuzung eines männlichen Baumes
dieser Art mit einem weiblichen von P. nigra; einige auf diesem Wege ent-
standene Sämlinge könnten dann den Wuchs des Vaters und das Geschlecht
der Mutter geerbt haben. Die hier kurz besprochene Frage behandelt W. O.
Focke in seiner Abhandlung über das Siechthum der Pyramidenpappeln.
(Wittmack’s Gartenzeitung, 1883, p. 389.)
2) Jessen I. c.p. 201.
3) Conf. Anmerkung 1.
(z. B. im Jahre 1821) von keinem so nachtheiligen Einfluss auf
die Pappeln gewesen. Focke nimmt nun an, dass die eigent-
liche Ursache des Siechthums jener Bäume in der Alters-
schwäche der Sorte liegt, ohne zu leugnen, dass andere Um-
stände, wie Winterkälte und ein rauhes Klima, dabei eine Rolle
mit spielen. Eine nähere Begründung dieser Behauptung gibt
der erwähnte Autor nicht und es ist ziemlich deutlich, dass seine
Erklärung nur der Ausdruck der Unkenntniss eines wirklich
nachweisbaren Grundes ist. Soll man wirklich glauben, dass
nach noch nicht hundertjähriger Cultur eine Pflanze an Alters-
schwäche zu Grunde geht? Unter dieser Annahme aber würde
man doch erwarten müssen, dass die Altersschwäche dann
gleichzeitig bei allen Pflanzen eintritt. Es ist danach gar nicht
einzusehen, warum in Süddeutschland und im Südosten Europas
die Pappelbäume ihre Jugendfrische erhalten, in Norddeutsch-
land, Frankreich, England und Amerika aber altersschwach
werden sollen.
Einwände dieser Art sind auch Herrn Focke von anderer
Seite gemacht worden, so von H. Jaeger und Tyge Rothe,
die in dem folgenden Jahrgang der Gartenzeitung !) das Siech-
thum der Pyramidenpappeln besprechen. Mit Recht hebt
ersterer auch hervor, wie unwahrscheinlich es ist, dass diese
Sorte nach verhältnissmässig so kurzer Zeit an Altersschwäche
leiden soll, während doch die so nahe verwandte Schwarz-
pappel gewiss schon seit den ältesten Culturzeiten im acker-
bauenden Tieflande durch Stecklinge fortgepflanzt wird.
Jaeger stimmt mit den meisten Gärtnern darin überein, dass
wiederholte strenge Winter das Siechthum der Pappeln hervor-
gerufen haben, allein das Ungenügende dieser Begründung
ist nicht nur schon oben dargethan worden, sondern es lässt
sich sogar noch mehr dagegen anführen. So bemerkt Tyge
I) Jahrg. 1884. p. 13, 59, 401.
Rothe, dass auch Exemplare, die einen so geschützten und
günstigen Standort hatten, dass sie notorisch von Kälte und
Eisschlag nicht litten, dessen ungeachtet später von derselben
Krankheit wie die andern Pappelbäume vernichtet wurden.
Dieser Autor folgt in der Erklärung der Krankheit Herrn
E. Rostrup!), der einen Schmarotzerpilz als den wahrschein-
lichen Urheber bezeichnet hat.
Der Pilz, welcher den Namen Dothiora sphaeroides Fries?)
trägt, befällt die jungen Stämme und Aeste der Pappeln, durchzieht
sie mit seinem Fadengewebe und bringt sie dadurch zum Ab-
sterben. Erst an den abgestorbenen Theilen bilden sich seine
Fortpflanzungsorgane aus, ohne äusserlich gerade auffallend
hervorzutreten. Auch an andern Pappelarten wird der Pilz
gefunden, er schädigt dieselben aber weniger, da er nur die
schon abgestorbenen Sprosse befällt. Weitere Untersuchungen
über die Erkrankung der Pyramidenpappeln durch diesen Pilz
scheinen nicht angestellt worden zu sein; in Frank’s neuem
Handbuche der Pflanzenkrankheiten wird er gar nicht erwähnt.
Dagegen führt Vuillemin?°) die Erkrankung der Pyramiden-
pappeln, von der er noch besonders bemerkt, dass sie weder
in einer degenerirenden Constitution der Art, noch in kalten
Wintern ihre Ursache hat, auf einen andern Pilz zurück, den
er Didymosphaeria populina*) nennt und der vielleicht mit der
früher schon bekannten Ofthia populina identisch ist. Das
Eigenthümliche in der Wirkung dieses Pilzes soll sein, dass er
die untersten Zweige befällt und an diesen Stellen eine Hyper-
trophie hervorruft, durch welche den oberen Aesten die Nah-
I) Pyramidepoples Undergang. Tillaeg til Nationaltidende. Kopenhagen
13. Nov. 1883.
2) Der Pilz ist ein Ascomycet aus der Familie der Discomy-
cetes und der Unterfamilie Patellarieae.
3) Comptes rendus, Paris 25. mars 1889. Vol. 108, p. 632.
4) Der Pilz ist ebenfalls ein Ascomycet aus der Familie der Pyreno-
mycetes und der Unterfamilie Sphaeriaceae.
rung entzogen wird und sie zum Absterben gebracht werden.
Man hat also den Urheber der Krankheit nicht an den dürren
Gipfeln, welche ihr äusseres Zeichen sind (Fig. 14), sondern an den
noch scheinbar gesunden unteren Theilen zu suchen. ‘Gegen
dieses Uebel empfiehlt Vuillemin das Entfernen der untersten
Astbüschel und er gibt an, dass so behandelte Bäume nicht
erkrankt sind. Obgleich nun die Ansicht des genannten fran-
zösischen Forschers viel wahrscheinlicher ist, als die vorher
erwähnte von Rostrup, so bedürfte doch auch erstere noch sehr
der Bestätigung und der weiteren Untersuchung in anderen
Gegenden, da Vuillemin sich besonders auf Lothringen be-
zieht. Ich bin überhaupt noch zweifelhaft, ob es sich in diesem
Falle um eine durch Parasiten erzeugte Krankheit handelt
und werde in dem Zweifel an ihrer pilzlichen Natur durch die
Ansicht eines erfahrenen Mycologen (in litteris) bestärkt. Man
müsste auch darauf achten, ob nicht ein ungünstiger Standort
oft die Schuld trägt, wie z. B. ein solcher, an dem die Pappel
ihre flach verlaufenden Wurzeln nicht ordentlich ausbreiten
kann, etwa durch Chausseegräben!!).
Ferner sollte man aber auch aus Samen gezogene Pappeln ?)
mit aus Stecklingen gezogenen vergleichen und zusehen, ob
sich die ersteren kräftiger entwickeln und, falls wirklich Pilze
die Ursache der Erkrankung sind, sich widerstandsfähiger gegen
deren Angriffe erweisen, wie dies von F. von Thuemen?)
I) Frank behandelt in seinem Handbuche der Krankheiten der
Pflanzen (2. Auflage) das Siechthum der Pyramidenpappeln, Bd. IH. p. 298,
kommt aber auch nicht zu einem sicheren Urtheil über die Ursache.
2) Sämlinge können natürlich nur da erhalten werden, wo ein weib-
liches Exemplar der Pyramidenpappel zur Verfügung steht. Die Samen
keimen schon am 3. Tage. Angaben über die Zucht von Pappelsämlingen
findet man in den Arbeiten Vonhausen’s in der allgemeinen Forst-
und Jagdzeitung von 1879 und 1881. Man vergleiche auch den Aufsatz
von H. v. Salisch in Wittmack’s Gartenzeitung, 1885, Jahrg. 34,
p- 201.
3) Fühling’s Landwirthschaftliche Zeitung, 1885, Jahrg. 34, p. 201.
N
angenommen wurde. Blosse derartige Vermuthungen und die
unbegründet aufgestellte Behauptung, die Pyramidenpappel
gehe an der „widernatürlichen“ Vermehrung durch Stecklinge
zu Grunde, können nicht beanspruchen, als Beweise angesehen
zu werden, dass vegetative Vermehrung zur Degeneration
führe.
Ausser den Pyramidenpappeln zeigen auch andere Arten
der Gattung Populus an manchen Orten dieselben Erschei-
nungen des Absterbens wie jene: so die Schwarzpappel (P.
nigra L.), die Canada-Pappel (P. canadensis Mchx.), die Silber-
pappel (P. alba L. und P. canescens W.) und die Zitterpappel
(P. tremula L.).. Auch sie werden nur ungeschlechtlich fort-
gepflanzt, die Schwarzpappel, wie erwähnt, schon viel länger
als die Pyramidenpappel. Trotzdem leidet erstere weder seit
längerer Zeit noch jetzt intensiver an allgemeinem Siechthume
als die letztere. Besonders muss darauf hingewiesen werden,
dass auch hier wiederum die Krankheit nur in einzelnen
Gegenden an den genannten Bäumen auftritt und dass schon
dieser Umstand genug dagegen spricht, als ob es sich um eine
jetzt allgemein eintretende Altersschwäche handelte. Inwieweit
bei den andern Pappelarten Pilze als Krankheitsursachen be-
theiligt sind, vermag ich nicht anzugeben.
Im Anschluss an die Besprechung der Pappelkrankheit sei
“noch mitgetheilt, dass man auch an Weiden Beobachtungen
über plötzliches allgemeines Absterben gemacht hat. So er-
wähnt Focke in dem oben citirten Aufsatz, dass die Trauer-
weiden (‚Salix babylonica L.) zu Anfang der sechziger Jahre in
Deutschland grösstentheils zu Grunde gingen. Er führt dies
natürlich auf die Altersschwäche der Sorte zurück. Allerdings
stammen alle unsere, nur weiblichen Exemplare von einem und
demselben Steckreis ab, das wohl Anfang vorigen Jahrhunderts
aus dem Orient nach Europa gebracht worden ist!). So lange
1) Angaben hierüber finden sich in K. Koch’s Dendrologie (Erlangen
1869 bis 1873) Bd. II, p. 509.
keine näheren Untersuchungen über die kranken Trauerweiden
vorliegen, lässt sich über die Ursache ihrer Erkrankung nichts
weiteres sagen. Da doch die andern schon lange regelmässig
durch Stecklinge vermehrten Weiden nicht absterben, ist die
von Focke gemachte Annahme betreffs der Trauerweide min-
destens keine sehr wahrscheinliche. Die Vermuthung Rothe’s!),
dass es sich’ hier um den gleichen oder einen ähnlichen Pilz
wie bei der Pyramidenpappel handelt, hat immer noch mehr
für sich. Auch kann es sich wohl nur um einzelne erkrankte
Exemplare handeln, denen genug andere von schönem, kräftigem
Wachsthum gegenüberstehen.
Wenn wir somit bei Pappeln und Weiden auch die Be-
hauptung, dass sie an Altersschwäche leiden, als ganz uner-
wiesen ansehen und zurückweisen müssen, so haben wir doch
noch keine Sicherheit über den wahren Grund ihrer Erkran-
kung. Besser unterrichtet sind wir über die Ursachen der jetzt
zu besprechenden Krankheiten.
In den Fällen, um die es sich hier handelt, weiss man, dass
die Pflanzen durch gewisse Parasiten geschädigt werden, dass
die Krankheit nicht ohne dieselben auftritt und dass letztere
wiederum ein Zeichen für die erstere sind. Man kennt auch
die ganze Entwicklung des Parasiten und kann seine Aus-
breitung von dem ersten Auftreten an ziemlich genau verfolgen.
Von Culturpflanzen kommen hier besonders in Betracht der
Weinstock, die Kartoffel und die Obstbäume; die auf ihnen
Krankheiten erzeugenden Schmarotzer sind Pilze oder Insecten.
Manche Landwirthe nehmen nun an, dass das Befallen-
werden von den Schmarotzern an sich schon als eine Krank-
heitserscheinung aufzufassen sei. Sie geben zu, dass die
Schmarotzer dann den eigentlichen Ausbruch der Krankheit
bewirken und dazu auch nothwendig sind, meinen aber, dass
I) Siehe in den citirten Aufsatz in der Gartenzeitung (p. 43, Anm. r).
in den nun kranken Pflanzen schon vorher gewissermaassen die
Anlage dazu: gelegen habe, die ohne das Hinzukommen der
Parasiten latent bleibt. Pflanzen, die nicht diese Anlage in sich
tragen, würden dann, auch wenn sie von Parasiten angegriffen
werden, nicht krank werden, d.h. diese würden sich auf ihnen
nicht entwickeln können. Die Pflanzen also, welche durch die
Parasiten geschädigt werden, sollen eine krankhafte Anlage oder
Prädisposition besessen haben. Ob bei den Pflanzen für ge-
wisse Krankheiten eine solche Prädisposition nöthig ist oder
überhaupt existirt, darüber ist viel geschrieben worden. In sehr
gemässigter und sachlicher Weise wird die Frage von So-
rauer!) behandelt. Nach seiner Ansicht müssen die Krank-
heitserreger (Insekten oder Schmarotzerpilze) nicht immer die
Krankheit erzeugen, sondern in manchen Fällen muss eine
Prädisposition dazu da sein. In andern Fällen, gibt er zu,
braucht sie nicht vorhanden zu sein, wie z. B. beim Auftreten
des Mutterkorns im Getreide. Die Ursache der Prädisposition
sucht er in excessiver oder lange andauernder Kälte, in der
Bodenbeschaffenheit und ähnlichen äusseren Umständen. Die
Richtigkeit seiner Anschauung zu prüfen, ist hier nicht der Ort.
Wir haben hier nur zu untersuchen, ob auch durch fortgesetzte
Vermehrung auf vegetativem Wege eine Sorte oder Art zu
Krankheiten prädisponirt wird. Gerade die sogenannte Alters-
schwäche wird von Manchen als nothwendige Prädisposition zur
Krankheit da gefordert, wo zugegeben werden muss, dass sie
nicht als alleinige Krankheitsursache angenommen werden kann.
Diesen Punkt haben wir also im Folgenden auch immer mit
zu berücksichtigen.
In der auf Altersschwäche beruhenden Prädisposition sieht
von Thuemen?) eine der wichtigsten Ursachen der stetig
ı) Gibt es eine Prädisposition der Pflanzen für gewisse Krankheiten ?
(Landwirthschaftliche Versuchsstationen, 1880.)
2) l. c. siehe Anm. 3, p. 45.
zunehmenden Parasitenschäden an unseren Culturgewächsen
und speciell am Weinstock. Er erblickt in den Reben, die
seit tausenden und tausenden von Jahren nur durch Stecklinge
„auf die denkbar widernatürlichste Manier‘ vermehrt werden,
„scheinbar verjüngte Greise, denen keine echte innere Lebens-
kraft innewohnt‘“. Infolge dessen können sie — nach seiner
Meinung — den Angriffen der Parasiten nicht widerstehen und
können diese solche Verheerungen unter ihnen anrichten, wie
wir es thatsächlich sehen. Ob diese Annahme nöthig ist, wird
die folgende Erörterung zeigen.
Gewiss ist der Weinstock seit den ältesten Zeiten in Cultur;
Beweise derselben sind in egyptischen Grabgewölben vorhanden
und weisen auf den Gebrauch des Weines schon vor 5000
—6000 Jahren hin. Seit dieser Zeit wird auch die Pflanze
durch Stecklinge vermehrt. Mag sie sich im spontanen Zustand,
in dem sie in prähistorischer Zeit schon in Ländern existirt
hat, in die sie erst später als Culturpflanze eingeführt worden
ist, auch reichlich durch Samen vermehren, so hat man doch
bei der Cultur wohl immer nur Stecklinge zur Zucht ver-
wendet!)., An den Rebensorten müssten also Zeichen von
Altersschwäche, wenn es solche gäbe, gewiss zu bemerken sein:
bemerkt man aber davon etwas an Pflanzen, die nicht von
Schmarotzern befallen sind? Niemand klagt darüber und die
Ansicht von einer solchen Altersschwäche beruht nicht auf
Beobachtung, sondern auf reiner Theorie und Vermuthung.
ı) Die Früchte der Rebe enthalten zwar meistens Samen, allein die-
selben sind in der Regel nur in geringem Prozentsatz keimungsfähig, ihre
Keimungsenergie ist ausserdem sehr schwach; die Samen edler Sorten be-
sitzen ein schwächeres Keimungsvermögen als die gemeiner Sorten, wie
schon Dar win angibt. (Variiren der Thiere und Pflanzen etc. Uebersetzt
von Carus, 2. Aufl., Stuttgart 1873, II. Bd., p. 193.) Vgl. hiezu: F.Nobbe,
Untersuchungen über die Anzucht des Weinstockes aus Samen. (Land-
wirthschaftliche Versuchsstationen, Bd. XXX, p. 229.)
Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. 4A
Was nun die durch Schmarotzer hervorgerufenen Krank-
heiten betrifft, so treten dieselben als gefährliche Epidemien
auf, die mit verschiedenen Namen bezeichnet werden. Zu den
am längsten bekannten gehört der sogenannte Mehlthau.
Möglicherweise hat man diesen schon im klassischen Alter-
thum beobachtet, wenigstens spricht Plinius von einem Mehl-
thau, der das Abfallen der Weinbeeren bedingt!). Vor 200
Jahren ist dann ferner eine Notiz gegeben, die sich offenbar
auf die in Rede stehende Krankheit ’bezieht?). Sicher be-
obachtet ist sie erst in diesem Jahrhundert: zuerst 1839 von
Nietner in Deutschland), dann 1845 von Tucker in Eng-
land. Berkeley fand 1847 einen Pilz als stetigen Begleiter
und offenbaren Urheber der Krankheit und nannte ihn Oidium
Tuckeri*). Bestimmt lässt sich also nicht angeben, wie lange
die Rebe cultivirt worden ist, bis sie — nach von Thue-
men’s Ansicht — so altersschwach wurde, dass sie dem
Mehlthaupilz nicht mehr Widerstand leisten konnte. Einige
Jahrtausende scheint sie aber doch bei der „denkbar wider-
natürlichsten“ Vermehrung sich jugendfrisch erhalten zu haben.
Es ist nun freilich nicht so leicht zu erklären, wodurch nach
dieser Zeit eine so starke Ausbreitung der Traubenkrankheit
— so wird der Mehlthau auch bezeichnet — hervorgerufen
wurde). Denn dass es früher den Pilz nicht gegeben habe, ist
nicht anzunehmen. So wurde denn die Altersschwäche der
Rebe zur Erklärung herbeigezogen, und weil man keine andere
ı) A. B. Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. Breslau 1880, p. 559.
2) Jessen 1. c.p. 153.
3) Jegssen | c. p. 154.
4) Oidium Tuckeri Berk, ein Pilz aus der Abtheilung der Pyrenomy-
ceten, dessen vollkommene Fruchtform man aber noch nicht kennt, bildet
auf den Rebenblättern weissliche, spinnwebenartige Ueberzüge und auf den
jungen Beeren braune Flecken. Sein Mycelium wächst auf der Oberhaut
jener Organe und bildet an kurzen aufrechten Aesten einzellige Sporen.
5) ı851 kannte man sie schon in allen weinbautreibenden Ländern
Europas und auch in Nordamerika.
hatte, erschien: diese auch ganz plausibel. Einer näheren
Prüfung konnte aber diese Theorie nicht Stand halten, wie aus
den Verhandlungen darüber bei einem Congress von Wein-
züchtern in Trier im Jahre 1874 hervorgeht. Es sei gestattet,
aus diesen Verhandlungen das Wesentliche mitzutheilen, weil
sie von besonderem Interesse für unsern Gegenstand sind. Die
Frage, mit der sich die Weinzüchter unter anderen beschäftigten,
lautet: „Ist die durch Friedrich Hecker ausgesprochene,
sehr wahrscheinliche Ansicht, .dass die europäischen Reben in
den letzten Jahren namentlich deshalb so sehr durch Krankheit
aller Art leiden, weil die meisten jungen Reben aus sogen.
Fechsern oder Schnittreben und nicht vielmehr aus Kernen ge- '
zogen werden, richtig“ !)? Der Referent, Dr. David, kommt
nach einer längeren Exposition „zu dem überraschenden Re-
sultate, einmal, dass der Weinstock keineswegs, wie man so
gern anzunehmen gewohnt ist, eine besonders geplagte Pflanze
ist, und zweitens, dass es für die Anfälligkeit einer Cultur-
pflanze durch Krankheiten (Insekten oder Pilze) völlig gleich-
giltig ist, ob dieselbe aus Samen gezogen, durch Schnittlinge
direct vermehrt oder endlich auf Samenpflanzen aufgepfropft
wird. Die Ansicht Friedrich Hecker’s muss also als falsch
bezeichnet werden“. Nels bemerkt, „dass zehnjährige Wein-
stöcke, die aus Samen. gezogen wurden, wie alle andern vom
Oidium befallen wurden und also keineswegs widerstandsfähiger
sind“. Aufeine Anfrage Blankenhorn’s, „ob es nicht wahr-
scheinlich sei, dass Krankheiten, die durch Pilze hervorgerufen
sind, durch Schnittreben leicht übertragen werden und so eine
grössere Verbreitung finden“, antwortet David: „Das sei
möglich, aber die Calamität bleibe bestehen, auch wenn die
Weinpflanze durch Samen vermehrt wird, da die Samenpflanze
ı) Bericht über die Verhandlungen der Section für Weinbau auf der
16. Sectionsversammlung in Trier, vom 28.—30. Sept. 1874. Von Dr. Georg
David. Heidelberg 1875, p. 30.
4
_— 2 —
doch immer veredelt werden müsse, also ebenfalls wieder der
Theil eines schon vorhandenen Weinstocks in Gebrauch ge-
nommen werde“. Director Goethe zu Marburg schliesst sich
der Ansicht des Dr. David völlig an, „dass wir durch Samen-
zucht nicht eine Verminderung der Krankheit erreichen ; Samen-
zuchten, schon vor 40 bis 60 Jahren angestellt, haben dies zur
Genüge bewiesen. Schliesslich kann sich auch Baron Dae&l
von Koeth ‚für die Hecker’sche Ansicht ebenfalls keinen
rationellen Grund denken und stimmt der Ansicht des Re-
ferenten bei“.
Nach diesen Aussprüchen von Fachmännern liegt also gar
kein Grund zu der Annahme vor, dass die Rebensorten an Alters-
schwäche leiden. Wir können somit die Vermehrung durch
Stecklinge nicht für die Traubenkrankheit verantwortlich
machen, sondern müssen als alleinige Ursache derselben den
Pilz, Oidium Tuckeri, betrachten. Dieser entwickelt sich auf
jeder Rebe, wenn keimfähige Sporen auf letztere gelangt sind
und es ist gar keine Prädisposition von Seite der Rebe dazu
nöthig. Wenn er sich aber entwickelt — wozu er natürlich
auch gewisse äussere Bedingungen, wie Feuchtigkeit, braucht
— so ruft er die Traubenkrankheit oder den Mehlthau hervor.
Offenbar ebenso verhält es sich mit einer andern Epidemie,
die man zum Unterschied von der vorigen falschen Mehlthau
genannt hat und die erst in noch neuerer Zeit zu einer grossen
Calamität für den Weinstock geworden ist. Auch hier werden
die Anhänger der Lehre von der Altersschwäche der Reben
diese als ursprünglichen Grund hinstellen und in dem Pilz
nur die Veranlassung zum Ausbruch der Krankheit erkennen
wollen. Dagegen lassen sich aber auch dieselben Gründe
geltend machen wie bei der vorigen Krankheit; doch sind mir
nähere Angaben und Versuche in dieser Hinsicht nicht be-
kannt geworden. Ganz vortrefllich lässt sich bei dieser Epi-
demie ihre Ausbreitung von Land zu Land erkennen, d. h.
man sieht, wie der krankheitserregende Pilz von Land zu
Land übertragen worden ist. Versuche haben gezeigt, dass
die Verbreitung durch die Sporen des Pilzes geschieht. Der-
selbe, Peronospora viticola, hat seinen Ursprung in Nordamerika,
wo er auf den dort einheimischen Vitis-Arten parasitisch lebt.
1878 wurde er zuerst in Frankreich auf der cultivirten Rebe
beobachtet und verbreitete sich von hier nach Deutschland,
der Schweiz, Italien, Ungarn, Griechenland, mehr oder weniger
gefährliche Epidemien hervorrufend. Bemerkenswerth ist,
dass gegen die Extensivität und Intensivität der Verbreitung
der Peronospora wviticola alle ähnlichen, bei Pilzeinwande-
rungen bisher beobachteten Erscheinungen weit in den Hinter-
grund treten !).
Das meiste Interesse und die grösste Besorgniss erregt
gegenwärtig von den Krankheiten des Weinstocks die durch
die Reblaus (Phylloxera vastatrix) verursachte. Eine ungeheure
Litteratur über diesen Gegenstand ist in wenigen Jahren ent-
standen. In dieser Litteratur fehlt es auch nicht an Schriften,
in denen behauptet wird, die Reblaus könne nur deshalb
solchen Schaden anrichten, weil die Rebsorten durch bestän-
dige vegetative Vermehrung altersschwach geworden seien.
Zu den Schriften dieser Art gehören einige von Ch. Ober-
lin?). Er nennt die Vermehrung durch Stecklinge eine „bar-
barische‘“, welche eine Degeneration der Reben habe herbei-
führen müssen ; es werde durch diese Methode die Structur
des Zellgewebes der Rebe verändert und für die Angriffe der
Reblaus empfindlicher gemacht. Dass diese Behauptungen
I) von Thuemen, Die Einwanderung und Verbreitung der Perono-
spora viticola in Oesterreich. (Aus den Laboratorien der k. k. chemisch-
physiolog. Versuchsstation für Wein- und Obstbau zu Klosterneuburg bei
Wien, Nr. 7, I. Dec. 1888.)
2) Die natürliche Lösung der Phylioxera-Frage. (Ampelographische
Berichte, Bd. III, Nr. 4.) Die Degeneration der Reben, ihre Ursache
und ihre Wirkungen. Lösung der Phylloxera-Frage. Colmar (E. Barth) 1881.
ganz unerwiesene sind, haben bereits mehrere Oenologen dar-
gethan. Da in ihren Ausführungen sich vieles wiederholt, was
bei der Frage nach der Ursache des Mehlthaues schon gesagt
worden ist, so soll nicht weiter auf den Inhalt der unten ci-
tirten Schriften!) eingegangen werden. Es wird besser sein,
wenn wir zum Schluss dieses Abschnittes die Gründe kurz
zusammenfassen, welche dafür sprechen, dass die Rebsorten
nicht an Altersschwäche leiden und dadurch zu den Infections-
krankheiten prädisponirt sind, sondern dass die Pilze und thie-
rischen Schmarotzer als die eigentlichen und alleinigen Ur-
sachen der betreffenden Krankheiten zu betrachten sind ’?).
ı) Der Weinstock wird seit Jahrtausenden durch Stecklinge
vermehrt und gedeiht da, wo Parasiten fehlen, in ganz nor-
maler Weise; historisch nachweisbar ist, dass einzelne der
noch jetzt cultivirten Sorten bereits seit 1500 Jahren auf die-
selbe Weise vermehrt werden und trotzdem ihre vortrefflichen
Eigenschaften bewahrt haben.
2) Dass die Vermehrung mittelst Stecklingen eine Verän-
derung in der Structur der Rebe hervorbringe, lässt sich nicht
nachweisen. Ueberhaupt wächst der neue Stock nur dann von
vornherein anormal, wenn die Stecklinge von kranken oder
schlecht ernährten Stöcken genommen wurden.
I) A. Marri, Die Regeneration der Rebe oder über den Zweck und die
Art, die Rebe durch Samen fortzupflanzen. (Annalen der Oenologie, IX,
p. 50, 1869.) — R. Goethe, Ueber Degeneration und Regeneration der
Reben. (Ampelographische Berichte, II, Nr. 5, 1881.) — R. Goethe, W.
Rasch, Ueber die Anzucht der Reben aus Samen. (Ampel. Ber., I, Nr. 3
ı880, III, Nr. 5. 1882.) — Müller-Thurgau, Ueber die Ursachen des
kranknaften Zustandes unserer Reben. Vortrag. (Sep.-Abdr. aus Mitthei-
lungen d. thurg. naturf. Ges., Heft VIII, 8°, ı9 p.) Frauenfeld (J. Huber)
1890.
2) Dass ungeeignete Cultur, ungünstige Witterung u. dergl. das Wachs-
thum der Reben schwächen und das ihrige dazu beitragen, die inficirten
Stöcke noch kränker zu machen, ist selbstverständlich. Das sind aber immer
nur lokale Erscheinungen, welche die inneren Eigenschaften der ganzen
Pflanzensorte im Allgemeinen nicht verändern.
3) Die Fortpflanzung auf vegetativem Wege kann bei der
Rebe nicht als widernatürlich betrachtet werden, denn diese
Pflanze hat in bevorzugtem Maasse die Fähigkeit, beim Ein-
legen aus jedem Knoten Wurzeln und aus der an dem Knoten
stehenden Knospe einen neuen Spross zu bilden.
4) Die aus Samen gezogenen Rebstöcke zeigen keine
grössere Widerstandsfähigkeit gegen Frost und Schmarotzer
(Oidium) als die aus Stecklingen gezogenen. In beiden Fällen
verhalten sich die neuen Pflanzen wie ihre Mutterpflanzen,
deren Widerstandsfähigkeit in gewissem Grade von der Sorte,
der sie angehören, abhängt.
Um ganz analoge Erscheinungen, wie wir sie beim Wein-
stock kennen gelernt haben, handelt es sich auch bei der
Kartoffel. Indessen wollen wir auch bei dieser Pflanze
etwas näher auf ihre Cultur und ihre Krankheiten eingehen.
Wir wissen nicht genau, seit welcher Zeit die Kartoffel in
‚Cultur genommen worden ist. Jedenfalls ist dies in Amerika
geschehen, bevor dasselbe von den Europäern entdeckt wurde.
Zu dieser Zeit wurde sie bereits in den gemässigten Regionen
der Anden von Chile, welches Land als ihre ursprüngliche
Heimath anzusehen ist, bis Neugranada cultivirt. 1580 wurde
die Pflanze von den Spaniern aus Südamerika direct nach
Europa gebracht. Die Engländer aber erhielten sie erst 1585
durch Sir Walter Raleigh aus Virginien und hierhin war
sie erst nach der Entdeckung Amerikas von Südamerika aus
durch den Schiffsverkehr gekommen. Gegenwärtig hat die
Kartoffel als Culturpflanze fast die ganze Welt erobert, doch
ist ihre grosse Ausbreitung erst seit dem vorigen Jahrhundert
zu datiren !).
Beim Kartoffelbau im Grossen wird die Pflanze nur durch
die Knollen vermehrt. Dieselben werden entweder ganz in
ı) De Candolle, Ursprung der Culturpflanzen.
— 56 —
den Boden gelegt oder die Knolle wird vorher in so viele
Stücke geschnitten, als Augen (Knospen) an ihr vorhanden
sind. Man kann allerdings die Kartoffeln auch aus Samen er-
ziehen !), es geschieht dies aber nur von einigen Züchtern, die
es auf die Erziehung neuer Sorten abgesehen haben; auch
bringen die Sämlinge erst im zweiten Jahre fruchtbare Knollen
hervor.
Bei der ungeheueren Wichtigkeit, welche die Kartoffel als
Nahrungsmittel für den Menschen besitzt, ist es von grösstem
Interesse, ihre Ertragsfähigkeit möglichst hoch zu halten und
alles zu vermeiden, was zu ihrer Schädigung beitragen könnte.
Es wäre eine sehr traurige Aussicht, annehmen zu müssen,
die Kartoffel entarte durch die fortgesetzte Cultur, speciell die
Vermehrungsmethode, immer mehr und könne den sie heim-
suchenden Schmarotzern keinen Widerstand mehr leisten.
Solche Ansichten wurden besonders laut, als 1845 die so-
genannte Kartoffelkrankheit ausbrach und sich mit grösster
Schnelligkeit nicht bloss über ganz Europa, sondern auch über
die andern Welttheile verbreitete. Dass eine allgemeine Ent-
artung der Pflanze die Ursache sei, behauptete auch
Schleiden?). Nach ihm soll eine -durch lange fortgesetzte
Cultur gestörte anomal gewordene Ernährung und stoffliche
Zusammensetzung der Kartoffel sie schliesslich zu Krankheit
und Zersetzung besonders geneigt machen. Genauer begründet
scheint diese Ansicht nicht zu sein. Etwas eingehender, aber
1) Interessant ist es zu sehen, welche Unterschiede in der Blüthen- und
Samenbildung bei verschiedenen Kartoffelsorten auftreten. Nach einer An-
gabe in Gardeners Chronicle (Jahrgang 1880, Bd. XIV, p. 115) lassen sich
dabei 6 Fälle unterscheiden: im ı. Fall produciren die Kartoftelpflanzen nie-
mals Blüthen, im 6. Fall werden Blüthen producirt, die sich selbst befruchten
und reichlich Samen hervorbringen. Zwischen diesen beiden Extremen sind
eine ganze Reihe von Uebergangsstufen wahrzunehmen.
2) Encyclopädie der theoretischen Naturwissenschaften in ihrer Anwen-
dung auf die Landwirthschaft, Bd. III, 2. Anhang. (Citirt nach de Bary,
Kartoffelkrankheit.)
ad
a
-
‚ohne seine Meinung durch Untersuchung der wirklichen Ver-
hältnisse zu stützen, spricht sich Unger!) aus: „Die Frage
ist, inwieweit eine durch Cultur allmählich verhinderte Samen-
bildung die vorzüglich in den Samen abgesetzten stickstoffhal-
tigen Bestandtheile der Pflanze auch über die vegetativen
Theile des Gewächses vertheilen und dadurch eine leichtere
Zersetzung und Entmischung ebenderselben herbeizuführen im
Stande ist? Würde dies mehr oder weniger allgemein der
Fall sein, so liesse sich die in der Kartoffel seit Jahren ver-
minderte Fruchtbildung sicherlich als eine der wichtigsten
prädisponirenden Ursachen der Kartoffelkrankheit ansehen.“
Beide Forscher also, wenn sie es auch nicht deutlich aus-
sprechen, suchen offenbar in der Culturmethode, d. h. der
Vermehrung durch Knollen, den ursprünglichen Grund zur
Krankheitsanlage. Wir wollen noch citiren, wie sich Jessen in
seiner schon mehrfach erwähnten Abhandlung über diesen
Punkt äussert. Er sagt daselbst (S. 131): „Wir kommen zu
dem Resultat, dass unsere Kartoffeln an einer inneren oder,
wie man sagt, constitutionellen Krankheit leiden, dass aber
diese Krankheit bei passender Cultur und Bodenart in geringerer
Heftigkeit auftritt, als bei unpassender Cultur und ungeeignetem
Boden. Man könnte noch eine Ansicht aufstellen, nämlich die, dass
nur eine Erschöpfung des Bodens oder ungünstige Witterung,
kurz äussere Umstände, ganz allein Ursachen der Krankheit
seien. Gegen beide Annahmen spricht der Umstand, dass die
Krankheit die ganze Erde nicht umzogen, sondern fast gleich-
zeitig ergriffen hat, ohne Rücksicht darauf, ob der Boden ein
eben abgebranntes oder zum ersten Mal in Cultur genommenes
Waldland oder ein durch tausendjährige Ernten, wie man sagt,
erschöpfter war“. Was Verf. aber unter dieser inneren Krank-
heit versteht, sagt eine andere Stelle (p. 189), wo er sie zu
I) F. Unger, Beitr. zur Kenntniss der in der Kartoffelkrankheit vor-
kommenden Pilze und der Ursache ihres Entstehens. (Bot. Zeitg., 1847, p. 305.)
denjenigen rechnet, „für deren Eintreten das Alter einen na-
türlichen und oft den einzigsten erkennbaren Grund abgibt.“
Unter „Alter“ versteht aber der Verf., wie wir gesehen haben,
„die über das Maass durch Ableger oder abgetrennte Sprosse
verlängerte Existenz aller Abkömmlinge einer Samenpflanze‘“
(l. c. p. 180). Eine Unterstützung für seine Anschauung glaubt
er in dem wohl nicht ganz sicher bewiesenen Umstand zu er-
blicken, dass eine Sorte um so bedeutendere Verluste durch
die Krankheit erleidet, je älter sie ist. Ferner weist er auf die
frühere Epidemie hin, welche ungefähr 1770 ausbrach und bis
gegen Anfang dieses Jahrhunderts dauerte. Damals wurde zu
ihrer Bekämpfung die Anzucht aus Samen empfohlen und diese
auch in grossem Maassstabe in Holland und Norddeutschland
vorgenommen. Die Samen kamen aus Amerika. und die aus
denselben erzogenen Sorten erfreuten sich unter dem Namen
der holländischen Samenkartoffeln bis zu Anfang der neuen
Epidemie in Deutschland eines sehr guten Rufes. Offenbar
aber ist in England und Frankreich die erste Epidemie ohne
Anzucht von Samenkartoffeln ebenso gut erloschen gewesen
wie in Deutschland.
Dass die Ausführungen Jessen’s für uns nicht maass-
gebend sein können, geht schon daraus hervor, dass er über-
haupt von dem Pilz, welcher als Krankheitserreger bei der
Kartoffel zu betrachten ist, nichts weiss. Es frägt sich also
nur noch, ob durch das Vermehrungsverfahren die Kartoffel
für die Pilzangriffe prädisponirt wird. Wenn die Prädisposition
auf der Altersschwäche beruhte, so müssten doch die jüngeren
Pflanzungen weniger als die älteren von der Krankheit ge-
litten haben. Es hat sich aber nicht gezeigt, dass die Abkömm-
linge der oben erwähnten holländischen Samenkartoffeln der
neuen Epidemie gegenüber widerstandsfähiger gewesen sind
als die alten immer aus Knollen gezogenen Kartoffelsorten.
Ferner wird man zugeben müssen, dass in den aus Samen ge-
zogenen Kartoffelstöcken, in denen der Organismus zu völlig
jugendlicher Regeneration gelangt ist, keine krankhafte Prädis-
position vorhanden sein kann. Von diesen Sämlingen wäre
nach Jessen’s Theorie zu erwarten, dass sie von den Pilzen
nicht angegriffen oder wenigstens nicht geschädigt werden.
Nun aber erliegen die Samenpflanzen der Krankheit ebenso
wie die aus Knollen gezogenen Stöcke: es ist in ihrer Wider-
standsfähigkeit oder Hinfälligkeit kein Unterschied zu bemerken.
Hierin also dürfen wir wohl den directen Beweis für die Un-
haltbarkeit der Ansicht von der Prädisposition aus Alters-
schwäche sehen.
Schliesslich sei noch auf einen Punkt aufmerksam gemacht.
Diejenigen nämlich, welche die Ansicht vertheidigen, dass die
rein vegetative Vermehrung zur Degeneration führe, wollen
dies gewöhnlich schon daraus ableiten, dass jene Vermehrung -
nicht naturgemäss sei und dass die Natur immer eine Fort-
pflanzung durch Samen fordere. Sind nun aber gerade bei der
Kartoffel nicht die Knollen ebenso gut wie die Samen von der
Natur zur Vermehrung bestimmte Organe? Wenn wir schon
bei dem Weinstock sagen konnten, dass die Vermehrung durch
Stecklinge nicht so sehr den natürlichen Verhältnissen wider-
spricht, als dies von anderer Seite behauptet wird, so sind wir
bei der Kartoffel zu einer analogen Ansicht gewiss in einem
noch viel höherem Grade berechtigt.
Alles in Allem: wir haben gar keinen genügenden Grund
zu der Annahme, dass die Vermehrung der Kartoffeln aus
Knollen zu einer Krankheit der Pflanze führe oder sie für Pilz-
infectionen disponirt mache. Vielmehr ist schon durch das,
was wir über die Entwicklung des Pilzes wissen, unwiderleglich
dargethan, dass er auch wirklich die Ursache der Kartoffel-
krankheit sei, dass er allein an der gesunden Pflanze die Krank-
heit hervorbringt'!).
I) Frank, Die Krankheiten der Pflanzen, p. 396.
St Ne
Der Pilz ist von de Bary Phytophthora infestans genannt
worden und ist verwandt mit der den sog. falschen Mehlthau
des Weinstocks verursachenden Peronospora viticola. Wenn
er auf den Blättern schmarotzt, so bedingt er das Schwarz-
werden des Kartoffelkrautes. Auf dem Laube bildet er die
Sporen, durch die er auf andere Pflanzen derselben Art und
auf ihre Knollen übertragen wird. Wenn sich das Mycel in
den Knollen entwickelt, so ruft es die sog. Knollenfäule hervor.
Es hat die Fähigkeit, nicht bloss in den im Boden wachsenden
Knollen zu leben, sondern auch in und mit den Knollen, selbst
wenn diese geerntet sind, zu überwintern, So gelangt der Pilz
im Frühling mit den inficirten Knollen wieder auf den Acker.
Deshalb ist das einzige Mittel zur Verhütung der Krankheit die
Verwendung völlig pilzfreien Saatgutes. Für die Intensität der
Entwicklung des Parasiten — d. h. für die Schnelligkeit seines
Wachsthums auf einer Pflanze und der Verbreitung auf andere
Stöcke, nicht für sein Auftreten überhaupt — kommen äussere
Umstände in Betracht. Von diesen ist der wichtigste die
Feuchtigkeit des Bodens und’ der Witterung. „So ist es un-
zweifelhaft, dass die Epidemie, die wahrscheinlich durch die
Verbreitung der Phytophthora über die kartoffelbauenden Länder
längst vorbereitet war, infolge der abnorm nassen Witterung
des Jahres 1845, die dem Pilz mit einem Male ungewöhnlich
günstige Bedingungen schuf, plötzlich überall zum Ausbruch
kam“),
Die Ausbreitung der Krankheit, ihre Erscheinungen und
die Lebensweise des Pilzes näher zu schildern, darauf wollen
wir hier verzichten. Ich glaube diesen Abschnitt am besten
schliessen zu können, indem ich einige Sätze aus der den vor-
liegenden Gegenstand behandelnden Schrift de Bary’s?) an-
I) Frank. c. p. 402 (conf. Anm. I p. 59).
2) Die gegenwärtig herrschende Kartoffelkrankheit, ihre Ursache und
ihre Verhütung. Leipzig 1861, p. 61.
zur,
ar On
führe: „Wie man sich auch umsehen mag, man findet immer
nur Beweise dafür, dass durch das Befallenwerden von Para-
siten keinerlei Entartung der Kartoffel oder einer andern
Culturpflanze angezeigt wird, man muss daher, für unsern Fall
wenigstens, jene trostlose Annahme als aus der Luft gegriffen,
zurückweisen. Es ist hier nicht der Ort, auf die Gründe näher
einzugehen, welche man anders woher für die allgemeine An-
nahme einer Entartung durch Cultur oder ungeschlechtliche
Vermehrung vorgebracht hat. Allein das eine mag kurz be-
merkt werden, dass sich diese Annahme vielfach gerade auf
die Wahrnehmung von Krankheiten gründet, welche ganz be-
stimmt in der Vegetation von Parasiten, die man übersah oder
wegzudemonstriren suchte, ihre Ursache haben, dass also diese
Annahme jedenfalls für sehr viele andere Fälle ganz ebenso
wie für die Kartoffel unbegründet ist.“
Von wichtigeren Culturgewächsen, die vegetativ vermehrt
werden und deren Erkrankungen man diesem Umstande zuge-
schrieben hat, sind vor allen die Obstbäume zu nennen,
speciell die Kernobstbäume, Apfel und Birne. Der Ursprung
ihrer Cultur reicht in prähistorische Zeiten zurück, man kann
aber nicht sagen, dass sie so lange immer durch Stecklinge
oder Pfropfreiser fortgepflanzt worden seien!). Vielfach hat
man die Bäume aus Samen gezogen, denn man erhält wenig-
stens bei vielen Birnensorten aus den Sämlingen Pflanzen,
welche die characteristischen Merkmale festhalten und nicht in
die wilde Form zurückschlagen ?). Im engeren Sinne fasst man
1) Die Vermehrung durch Pfropfreiser ist in Europa die üblichste und
für viele Sorten die allein ausführbare. Apfelstecklinge hat man erst in
neuerer Zeit mit Erfolg bei uns gezogen. Von Südamerika dagegen wird
erzählt, dass es dort genügt, armsdicke Aeste vom Mutterstamm abzureissen
und in den Boden zu stecken, um in den nächsten Jahren ohne weiteres
Zuthun Früchte zu ernten. (F. C. Binz, Stecklingszucht und Baumsatz in
Wittmack’s Gartenzeitung, 1883, p. 122—126.)
2) Ch. Darwin, Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der
Domestication. Uebersetzt von Carus. Stuttgart 1873, I. Bd., p. 392.
IND
als eine Sorte jedoch nur auf die Gesammtheit „der von einem
bestimmten Sämlinge durch Reiser abstammenden Stämme“).
Es wird nun angegeben ?), dass von den 50 Aepfelsorten und
31 Birnensorten, welche J. Bauhin im Jahre 1598 beschreibt
und abbildet, noch ıg Birnen- und 17 Aepfelsorten „zum Theil
unter demselben Namen, in derselben Gegend nach mehr als
250 Jahren vorkommen und sich in guter Gesundheit befinden“.
Nach van Mons kann das Alter unserer Birnensorten auf
200—300 Jahre angenommen werden, während Knight schon
das durchschnittliche Alter der Aepfelsorten auf mindestens
200 Jahre, das der Birnensorten aber auf das Doppelte schätzt?°).
Beide Forscher sind der Ansicht — und ihnen schliesst sich
Jessen natürlich an —, dass die alten Obstsorten infolge von
Altersschwäche erkranken und absterben. „Durch Pfropfen und
ungewöhnlich günstige Umstände (sorgfältig gewählten Standort
u.s. w.) kann wohl die Dauer einer Sorte unnatürlich über das
Maass der Samenpflanzen ausgedehnt werden, doch hört der
kräftige Wuchs dann auf und es tritt bald eine Periode ein,
über welche die Gebrechlichkeit des Alters sich nicht mehr an-
treiben lässt. Daher sind alle Sorten (d. h. wie oben, die aus
einer Samenpflanze hervorgegangenen Gewächse) bei trägem
Wuchse weit empfindlicher gegen Witterung, Lage und Boden.
Junge Sorten dagegen wachsen kräftig und rasch und sind
in ihrem meist reichlichen und regelmässigen Ertrage weniger
von äusseren Einflüssen abhängig“ *). Die Art und Weise, wie
sich die Altersschwäche äussern soll, beschreibt ein neuerer
Züchter?) folgendermaassen: „Der Baum trägt wenig und oft
I).Jessen]l. c. p. 283.
2) Jessen. c, p. Lob.
3) Jessen. c. p. 217.
4) Id. eod. p. 211.
5) R. Zorn, Ueber die Altersschwäche von Obstsorten. (Der prak-
tische Rathgeber im Obst- und Gartenbau, 1890, No. 34, P- 554.)
.sehr spät, er wird vom Krebs, besonders dem Apfelkrebs,
Spitzendürre (indem von oben herab die Zweige absterben) und
anderen Krankheiten des Holzes und der Rinde stark und
häufig befallen. Bei den Birnen kommt noch dazu ein Schorf
oder Grind, wobei die Epidermis (oberste Rindenschicht) auf-
springt. Auch sind die Bäume gegen Frost weniger wider-
standsfähig. Hauptmerkmale bieten aber die Früchte selbst! Sie
sind unansehnlich, krüppelhaft, klein, aufgesprungen, rissig und
steinig, hart und ungeniessbar, besonders auch mit schwarzen
Flecken bedeckt.“
Dass gewisse Sorten in manchen Gegenden nicht mehr ge-
deihen, kann offenbar nach den Angaben und Klagen der
Züchter nicht bestritten werden. So gibt Knight (1841) an,
dass die alten Cydersorten in Herefordshire vor Alter krebsig
und krank sind. Eine der ältesten Apfelsorten, der sog. Bors-
dorfer, welcher schon zu Anfang des XVI. Jahrhunderts Er-
wähnung findet, verschwindet nach Jessen’s Angabe (1854)
in ganz Norddeutschland mehr und mehr und unterliegt an
vielen Orten dem Krebse. „Ueber sein langsames Wachsen,
ein Zeichen seines hohen Alters, klagen alle neueren Obst-
züchter.“ Es liessen sich noch mehrere solcher Angaben an-
führen !), bei denen aus der Kränklichkeit der Bäume einer
Aepfel- oder Birnensorte auf ihre Altersschwäche geschlossen
wird.
Dem stehen aber die Meinungen und Beobachtungen so
vieler anderer Forscher und Züchter gegenüber, dass auch hier
die Annahme einer Altersschwäche einer unbefangenen Be-
urtheilung nicht Stand halten kann. Jessen?) selbst gibt zu,
I) Solche Angaben finden wir auch in dem Aufsatze von L. Thüer
über Altersschwäche und Lebensmüdigkeit der Pflanzen in der Gartenflora
1894, p. 147 und 177. Der Aufsatz ist mit einer solchen Voreingenommenheit
und Oberflächlichkeit geschrieben, dass er einer eingehenden Widerlegung
nicht werth ist.
anlessen 1. c.'D:. 193.
„dass die Feststellung der Lebensdauer einer Obstsorte immer
eine missliche ist, ja dass selbst das Verschwinden einer Sorte
an einem Orte noch nicht genügt, um zu behaupten, dass
überall die Sorte verschwunden sei“. Wie lässt es sich mit
Knight's Theorie vereinigen, dass die Sorte, welche in einer
Gegend abstirbt, in der andern noch sehr gut gedeiht? Gerade
der Borsdorfer Apfel, der in Norddeutschland aussterben soll,
trägt noch sehr gut in anderen Gegenden, wie Bolle!) mit
Recht hervorhebt. In einem ähnlichen Sinne spricht sich
Hogg?) über den „Golden Pippin“ aus, an dem Knight in
seinen Culturen sehr viele Mängel gefunden hat; dieselben
konnten nicht von Altersschwäche herrühren, denn man findet
die Sorte noch jetzt (1875) in den ihr zusagenden Verhältnissen
sehr üppig und fruchtbar. Croucher’) berichtet von dem
sehr guten Gedeihen dieser Sorte in Sudbury (Essex, England)
und ebenso tragen diese Bäume sehr schöne Früchte in Sussex ®).
Anderseits ist es nicht wohl einzusehen, warum nur einige
alte Sorten aussterben sollen, andere aber, die ebenso alt oder
noch älter sind, unverändert bleiben; ein Umstand, den
schon Lindley°) zu bedenken gibt. Als Beispiel sei ange-
führt der „Winterpearmain“, welcher wohl die älteste englische
Sorte von Aepfeln ist, schon in Schriften um das Jahr 1200
genannt wird und dennoch keine Zeichen der Schwäche er-
kennen lässt). Ferner wird die „Beurr& gris“ von Bouch&’?)
angeführt, als eine Sorte, die zu den ältesten Birnensorten
I) Bouch& und Bolle, Degeneration aus Altersschwäche. (Monats-
schrift des Vereins zur Beförderung des Gartenbaus von Wittmack, 1875,
p- 484.)
2) The Fruit Manuel. Citirt nach Botan. Jahresbericht, III. Bd., p. 995.
3) Gardener’s Chronicle, 1875, Jan., p. 51.
4) Eod. 1875, Dez., p. 750.
5) Wie in einem diesen Gegenstand behandelnden Artikel des Gar-
dener’s Chronicle, 1875, I, p. I6 gesagt wird.
6) Nach Hogg. conf. Anm. 1.
7) Conf. Anm. 1.
—65 —
gehört und doch im Allgemeinen gesund geblieben ist. Von
andern Obstsorten erwähnt Bolle als analoges Beispiel die
„Reine Claude“ (eine Cultursorte der Pflaume, Prunus insititia L.),
die schon von dem Jahre 1500 her datirt.
Man findet aber nicht nur einige sehr alte Sorten noch in
gutem Gedeihen, sondern auch, dass Sorten, die erst in neuerer
Zeit entstanden sind, in einem unpassenden Boden an denselben
Fehlern leiden, die von Knight und seinen Anhängern als
Zeichen der Altersschwäche angesehen werden. Overdieck!)
führt als Beispiele neuerer Sorten Maria von Nantes und
Hardenponts Winterbutterbirne an, welche in seinem jetzigen
Gartenboden ebenso sehr an Grind leiden als die ältern
Sorten, wie Wildling von Motte, Römische Schmalzbirne und
Beurre& blanc, „während andere, ohne Zweifel schon sehr alte
Sorten (Kuhfuss, Rainbirn) in demselben Boden sehr gesund
und kräftig vegetiren und Früchte tragen“. Overdieck ge-
hört wie die meisten neueren Pomologen zu denjenigen, welche
leugnen, dass die Obstsorten durch das Alter schwächer und
krankhafter werden. Speechley?) hat sogar den Satz auf-
gestellt, dass „der Apfel bei richtiger Cultur seine guten
Eigenschaften behält, so lange Sonne und Erde bestehen“.
Diesem Ausspruch stimmen Lindley, Downing und De
Candolle bei?). Schliesslich will ich auch noch die Worte
eines Züchters anführen, den wir schon einmal citirt haben !)
und dessen Beobachtungen aus der allerneuesten Zeit datiren:
I) Pomologische Monatshefte von Overdieck und Lucas, 1875,
p- 240. Citirt nach Botanischem Jahresbericht, Bd. III, p. 995.
2) Gardener’s Chronicle, 1875, Jan., p. 16.
3) Eodem. — Mit der Widerlegung der Ansichten von Knight und
van Mons beschäftigt sich vorzugsweise das Werk vonDochnahl. (Die
Lebensdauer der durch ungeschlechtliche Vermehrung erhaltenen Gewächse,
besonders der Culturpflanzen, Berlin 1854), das ich leider nicht selbst ein-
sehen konnte.
Ber Zorn l.c.
Möbius, Fortpflanzung der Gewächse, 5
er RR
„Es ist bisher nicht gelungen zu beweisen, dass unsere alten
Obstsorten altersschwach seien. Zur Zeit müssen wir fest-
stellen, dass die als Altersschwäche geltenden Krankheiten
auch bei allen anderen neueren Sorten unter denselben Ver-
hältnissen auftreten und dass diese Erscheinungen bei günstigen
Bedingungen auch an den alten Sorten nicht bemerkbar sind.
In zusagenden und besonders aus Erfahrung als passend an-
erkannten Böden und Lagen möge man diese alten guten
Sorten deshalb noch ebenso fleissig anpflanzen als andere, da-
gegen sehe man in allen ungünstigen Verhältnissen, besonders
also in zu trockenen, bindigen, kalten, unfruchtbaren und er-
schöpften Böden, sowie ungeschützten Lagen von ihrer Cultur
ab und pflanze dafür geeignetere. Wir tragen dadurch dazu
bei, dass die weitere Cultur so trefflicher und beliebter Sorten,
Edelborsdorfer, Gravensteiner, weisse Herbstbutterbirne etc. in
allen’ geeigneten Verhältnissen nicht aufgegeben wird.“
Von dem letztgenannten Autor werden also besonders die
ungünstigen Verhältnisse des Bodens und der Witterung als
Ursachen des Absterbens in Betracht gezogen. Häufig treten
aber auch ganz specifische Krankheiten auf, denn es wurde ja,
wie wir gesehen haben, z. B. darüber geklagt, dass die Sorten
„vor Alter“ krebskrank werden. Die Obstbäume werden aber
ebensowenig aus Altersschwäche vom Krebs befallen wie der
Weinstock vom Mehlthau oder die Kartoffel von der Phyto-
phthora. Die Frage, worauf eigentlich die Erscheinungen!) der
ı) Der Krebs erscheint in Form von Wundstellen an Zweigen und
Aesten, besonders der Kernholzbäume. Diese Wunden schliessen sich nicht,
sondern vergrössern sich immer mehr, weil immer neue Verwundungen an
den Ueberwallungsrändern den Heilungsprocess stören. Ausserdem findet
an diesen Stellen eine abnorme Holzbildung statt, indem an Stelle von
echtem Holz ein weiches parenchymatisches Gewebe gebildet wird. Durch
diese Erscheinungen unterscheidet sich der Krebs von allen anderen mehr
oder weniger in Heilung begriffenen Wunden. (Nach Frank, Pflanzenkrank-
heiten, I. Auflage, p. 158.)
Krebskrankheit beruhen, ist zur Zeit noch nicht in allen
Fällen zu beantworten. Sehr oft ist aber der Stich der Blut-
laus (Schizoneura lanigera Hausm.) die Ursache des Krebses
(Fig. 15). Wir haben es hier also wiederum mit einem Para-
siten zu thun, der wie die meisten andern sehr leicht von
einer Pflanze auf die andere übertragen wird. Auch liefern
die von krebskranken Bäumen genommenen
Pfropfreiser meist wieder krebskranke Exem-
plare. Es ist deshalb kein Wunder, wenn
in einer Gegend, wo sich an einem Baume
Krebs eingestellt hat, bald die ganze Cultur
von dieser Krankheit ergriffen wird. In
solchen Fällen hat man dann wohl geglaubt, .
dass die Bäume besonders prädisponirt
dazu gewesen sein müssten und zur Er-
klärung der Prädisposition die Sorten als
altersschwach hingestellt. Die Bilutlaus
fragt aber nicht danach, ob die Sorte alt
oder jung, der Baum aus einem Pfropf-
reis, einem Steckling oder Samen gezogen
ist, und so fallen denn auch hier alle Gründe ee zearenes
für das Vorhandensein einer Prädisposition Apfelbaums mit Krebs
fort. - Dass über den Krebs erst in den (mach Frank).
letzten Decennien geklagt wird, beruht
wahrscheinlich darauf, dass die Blutlaus aus Amerika ge-
kommen und erst seit Anfang der vierziger Jahre in Europa
aufgetreten ist, wo sie sich zuerst in Frankreich und England,
dann im nördlichen und westlichen Deutschland zeigte und
sich seit Mitte der achtziger Jahre auch nach Süddeutschland
und Oesterreich verbreitete !). |
Auf die anderen durch thierische oder pflanzliche Parasiten
I) Vergl. Frank, Krankheiten der Pflanzen, 2. Auflage, p. 167—172.
S*
zur U A
hervorgerufenen Krankheiten der Obstbäume kann hier nicht
eingegangen werden. Es sei nur erwähnt, dass nach von
Thuemen’s Angabe!) der Apfelbaum 239, der Birnbaum 205
Arten von Pilzen beherbergt, von denen freilich nicht alle be-
sondere Erkrankungen bedingen. Wo dies aber der Fall ist, da
ist eben der Parasit auch der wirkliche Krankheitserreger, nie-
mals ist erwiesen, dass eine besondere Prädisposition für sein
Auftreten vorhanden zu sein braucht.
Somit liegen denn die Verhältnisse bei den Obstbäumen
nicht anders als bei den vorher betrachteten Culturgewächsen.
Wir hoffen auch hier nachgewiesen zu haben, dass die so
lange Zeit befolgte Methode der ungeschlechtlichen Vermehrung
nichts bewirkt hat, was als Altersschwäche angesehen werden
kann. Wir können daraus schliessen, dass eine Abwendung
der unsere Culturpflanzen befallenden Krankheiten nicht von
einer Aenderung in der Art ihrer Vermehrung und Fortpflan-
zung zu erwarten ist, sondern dass dazu nur die Anwendung
specieller, dem betreffenden Krankheitserreger angepasster,
Mittel führen kann.
Dies gilt auch von der Serehkrankheit des Zuckerrohrs,
deren Ursache trotz besonderer mit ihrer Erforschung beauf-
tragter Versuchsstationen immer noch nicht aufgeklärt ist,
von Einigen aber, besonders den Züchtern, in der beständigen
vegetativen Vermehrung der Pflanze gesucht wird?). In China
und Indien wird das Zuckerrohr (Saccharum officinarum) seit
uralter Zeit cultivirt und jetzt hat sich seine Cultur über die
ı) von Thuemen, Die Pilze der Obstgewächse. Namentliches Ver-
zeichniss aller bisher bekannt gewordenen und beschriebenen Pilzarten,
welche auf unsern Obstbäumen, ÖObststräuchern und krautartigen Obst-
pflanzen vorkommen. Wien 1887.
2) Diese Ansicht war der Grund, aus dem mich im Jahre 1890 Dr.
Benecke, damals Director der Versuchsstation Midden-Java zu Semarang auf
Java aufforderte, zu untersuchen, was es mit der angeblichen Degeneration
vegetativ vermehrter Pflanzen für eine Bewandtniss habe.
ganze heisse Zone aus-
gebreitet. Man _ zieht
nun das Zuckerrohr —
und dies geschieht ver-
muthlich so seit den
Anfängen seines An-
baues — nicht aus
Samen, sondern aus
Stecklingen (Bibits),
nämlich Abschnitten
des Halmes, die an
ihren Knoten leicht
neue Sprosse aus den
schon vorhandenen
„Augen“ entwickeln,
nachdem man sie hori-
zontal oder ein wenig
schräg in die Erde ge-
legt hat. Eine Anzucht
aus Samen verbietet
sich von selbst, weil
die Pflanze nur selten
keimfähige Samen her-
vorbringt, worauf wir
im Ill. Kapitel noch
zu sprechen kommen.
Seit ca. 15 Jahren wer-
den die Culturen des
Zuckerrohres von einer
Krankheit heimgesucht,
die auf Java als Sereh
bezeichnet wird, weildie
Pflanze dabei das Aus-
Fig. 16. Saccharum offieinarum. A Kräftig
entwickelter Spross, B stark von der Sereh be-
fallener Spross. A und B in gleichem Verhält-
niss verkleinert. ( ein Steckreis oder Bipbit.
(Nach Benecke und Soltwedel,)
sehen eines niedrigen, fächerförmig verzweigten Busches annimmt
und einem Grasbusch von Andropogon Schoenanthus, für welchen
der javanische Name „Sereh‘“ ist, ähnlich sieht (Fig. 16). Was
die Symptome und die muthmaasslichen Ursachen der Seuche
betrifft, so kann auf die Darstellung in Frank’s Lehrbuch der
Pflanzenkrankheiten (Band II, p. 30, 1896) verwiesen werden.
Frank schliesst sich der Meinung an, dass Bacterien die pri-
märe Ursache der Erkrankung seien; nach Benecke ist die
Sereh eine Complication verschiedenartiger Erkrankungen und
ihm ist es noch zweifelhaft ob das, was er die Rothschleim-
krankheit nennt, durch Bacterien verursacht wird. Wir können
dies aber hier dahingestellt sein lassen und brauchen nur das
Auftreten und Fortschreiten der Krankheit in den betreffenden
Distrikten zu betrachten, um die Ueberzeugung zu gewinnen,
dass wir es jedenfalls mit einer durch Infection hervorgerufenen
und sich ausbreitenden Epidemie zu thun haben, besonders in
Hinsicht auf Java, wo die Krankheit, nach Krüger, deutlich
ein Fortschreiten von Westen nach Osten erkennen lässt. Wie
ein solches Verhalten durch „Altersschwäche‘“ zu erklären sei
kann man nicht begreifen, während es nichts Unerhörtes ist,
dass contagiöse Epidemien mit einem Mal auftreten, ohne dass
man bis dahin etwas von ihnen gewusst hat. Wenn ferner die
Sereh auf inneren Ursachen beruhte, nämlich eine durch die
vegetative Vermehrungsweise hervorgerufene Degenerationser-
scheinung wäre, so müsste sie an allen Pflanzen auftreten, die
aus Stecklingen gezogen sind, aus Samen gezogene Pflanzen
dagegen verschonen. Allein man erhält aus gesunden Steck-
lingen ebenso gesunde Pflanzen wie aus Samen, wenn sie nicht
nachträglich durch kranke inficirt werden, und man sieht nicht
in der Anzucht aus Samen, welche aus gewissen anderen
Gründen schon 1889 von Benecke empfohlen wurde !),sondern
I) Over Suikerriet uit „Zaad“. Semarang 1889 (Referat im botanischen
Centralblatt, Bd. XL, p. 177). Neuerdings macht auch Wakker unter
in der Wahl gesunder Stecklinge und deren sorgfältiger Cultur
das einzige Mittel, um der Serehkrankheit vorzubeugen. Viel-
leicht wird man sich auch auf solche indirecte Mittel be-
schränken müssen, selbst wenn man die Ursache der Seuche
genauer kennen lernt, da ihre Erzeuger nicht die Pflanze von
‚ aussen angreifende Schädlinge zu sein scheinen, wie der Mehl-
thau der Reben, der durch Bespritzen mit fungiciden Lösungen
bekämpft werden kann. Jedenfalls ist noch nicht der geringste
Beweis beigebracht worden, dass das Zuckerrohr, dessen Anbau
aus älteren Zeiten datirt, als der aller unserer einheimischen
Culturpflanzen, .und das immer durch Stecklinge vermehrt
worden ist, nur in Folge von Altersschwäche serehkrank werde.
Noch einige Punkte bleiben jetzt zu erwähnen, auf die wir
aber nur mit wenigen Worten hinzuweisen brauchen. Man
schliesst aus dem Auftreten von Epidemien bei Kartoffeln und
anderen vegetativ vermehrten Culturpflanzen auf ihre Alters-
schwäche und sieht in letzterer die Erklärung für jene: wie
steht es nun mit den Culturpflanzen, die immer aus Samen ge-
zogen werden? Es ist nicht zu bestreiten, dass auch sie von
Krankheiten in ausgedehntem Maasse heimgesucht werden. Der
Serehkrankheit des Zuckerrohrs oder dem Mehlthau der Reben
kann die Blattkrankheit des Kaffeebaumes entgegengesetzt
werden, die, durch’ einen Pilz (Hemileia vastatrix) hervorge-
rufen, furchtbare Verheerungen in den Plantagen anrichtet an
einer Pflanze, die immer aus Samen gezogen wird. Dergleichen
Beispiele könnten noch mehrere angeführt werden.
Auf diese Verhältnisse weist auch De Bary hin und be-
merkt '): „Unter den Culturgewächsen sind z. B. die Getreide-
arten mindestens ebensosehr von Schmarotzern heimgesucht,
geflissentlicher Verschweigung von Benecke’s Namen auf die Anzucht
aus Samen zur Gewinnung neuer Varietäten aufmerksam. (Botan. Centralblatt,
Bd. LXVI, p. 1.)
ı) De Bary, Kartoffelkrankheit, p. 60.
als irgend eine durch Ableger, Knollen, Schösslinge vermehrte
Art“. Epidemische Krankheiten finden sich ferner beispiels-
weise bei Runkelrüben, Gurken und Melonen, die ich gerade
deswegen erwähne, weil sie auch von Jessen angeführt
werden. Bei den einmal blühenden Pflanzen findet er eine
genügende Erklärung ihrer Krankheit in „zu rascher Entwick-
lung, Missverhältniss in der Temperatur und Ernährung“.
Die Pilze, wo solche nachgewiesen sind, wie beim Weizen, der
Runkelrübe und der Gurke sind bei ihm nur Begleiterschei-
nungen der Krankheit, welche immer „vor den Pilzen da ist“.
Der Standpunkt dieses Autors wird von den .wenigsten mehr
getheilt werden: es verhält sich vielmehr bei den einmal blü-
henden Gewächsen wie bei den ausdauernden, sie werden von
Pilzen und anderen Schmarotzern befallen und diese rufen die
Krankheit hervor; die anderen Umstände beeinflussen nur die
stärkere oder geringere Heftigkeit und Ausdehnung derselben,
je nachdem sie der Entwicklung der Schmarotzer günstig oder
ungünstig sind. Wie würde es sich sonst erklären lassen, dass
in einem Getreidefeld kranke und gesunde Halme, die doch
alle den gleichen äusseren Verhältnissen ausgesetzt sind, neben
einander stehen? Schon Payen hat im Jahre 1853 auf diesen
Umstand aufmerksam gemacht. Allerdings müssen wir ge-
stehen, dass wir nicht in allen Fällen genau über die Natur
und Wirkung des Parasiten unterrichtet sind; aber man mag
die Ursache der Krankheiten suchen worin man will: bei den
durch Samen vermehrten Pflanzen kann man keine Alters-
schwäche zur Erklärung zu Hilfe nehmen. Dies sollte doch
schon zur Vorsicht mahnen, es bei den Pflanzen zu thun, die
auf vegetativem Wege fortgepflanzt werden. Wenn beide
Pflanzenformen in gleichem Maasse von Krankheiten heimge-
sucht werden, so werden die allgemeinen Ursachen auch wohl
bei beiden auf demselben Principe beruhen.
Während sich das eben Gesagte nur auf die vom Menschen
angebauten Gewächse bezog, so können schliesslich auch die
wildwachsenden Pflanzen zum Vergleiche und zur Unterstützung
der hier vertheidigten Ansicht dienen, denn bei ihnen treten
ebenfalls Krankheiten, oft geradezu epidemisch, auf. Und zwar
sind es nicht bloss ausdauernde, vielfach vegetativ sich ver-
mehrende Pflanzen, sondern ebensosehr ein- und zweijährige,
sich nur durch Samen vermehrende Arten, welche von Krank-
heiten heimgesucht werden, so dass auf keinen Fall von Alters-
schwäche die Rede sein kann. Auf diesen Umstand legt auch
De Bary ein besonderes Gewicht für den Nachweis, dass bei
der Kartoffel keine Prädisposition durch Altersschwäche vor-
handen ist. Er führt folgende Beispiele an!): Zunächst von
perennirenden Pflanzen die Waldanemone (Anemone nemorosa),
auf der drei bis vier Parasiten sehr häufig sind, besonders
eine Peronospora (P. macrocarpa), und bei der man oft auf
weite Strecken kaum einzelne Blätter findet, welche davon
ganz frei wären. „Der Waldmeister (Asperula odorata), der
gewöhnliche Hühnerdarm (Stellaria media) werden je von
einer besonderen Peronospora so häufig und massenhaft heim-
gesucht, dass man oft in weiter Ausdehnung die meisten
Exemplare dieser geselligen Pflanzen befallen und verunstaltet
findet. Die Quecke (Triticum repens) wird von den Rostpilzen
gewiss mindestens so häufig und massenhaft wie die Getreide-
arten, die Wolfsmilcharten (Euphorbia Cyparissias und andere)
werden von ähnlichen Pilzen so sehr häufig bewohnt, dass
man an vielen Stellen wenigstens soviel pilzbehaftete und ver-
unstaltete als gesunde Stöcke finden kann“, „Von wildwachsen-
den einjährigen Gewächsen werden das Täschelkraut (Capsella)
von dem sogenannten weissen Roste (Cystopus), der Bocksbart
oder Haferwurz (Tragopogon) von dreierlei oft mit einander auf-
tretenden Pilzen, die Klatschrose (Papaver Rhoeas), die Klapper-
I) Kartoffelkrankheit, p. 60.
topf-(Rhinanthus-)Arten von Peronospora Papaveris und densa
mindestens ebenso oft bewohnt und krank gemacht, als irgend
eine Culturpflanze durch einen Schmarotzer.“
Dass uns die Krankheiten der wildwachsenden Pflanzen
weniger in die Augen zu fallen pflegen, als die der ange-
bauten, ist nicht zu verwundern. Denn wir beachten die
letzteren natürlich viel mehr, weil das Gedeihen unserer Cultur-
pflanzen von viel grösserem Interesse für uns ist, als das der
meisten nicht cultivirten. Sodann aber ist vor allem der Um-
stand zu beachten, dass selten dieselbe Pflanzenart so gleichmässig
über grosse Flächen verbreitet ist, wie es sich bei den Cultur-
pflanzen findet, dass also ein Pilz oder anderer Schmarotzer
seine Nährpflanzen so dicht neben einander wachsend antrifft
und ihm dadurch die Ausbreitung so leicht gemacht wird.
„Wo jedoch eine wildwachsende Art eine Bodenstrecke so dicht
bedeckt wie die Culturpflanzen unsere Aecker, da findet sich
gar oft dieselbe gleichmässige Verbreitung des Parasiten über
alle ihre Individuen wie bei jenen; die angeführten Beispiele
von der Anemone und dem Waldmeister können das jedem
Aufmerksamen zeigen“ !).
So dienen denn hoffentlich auch die hier über die Er-
krankungen der spontan wachsenden Pflanzen gemachten Be-
merkungen dazu, die Ansicht, dass bei den Krankheiten von
Cultursorten ausdauernder Gewächse die Altersschwäche eine
Rolle spielt, zu entkräften. Und noch eines sei denjenigen,
welche darauf dringen, dass man die alten Sorten durch Zucht
aus Samen „aufbessere“, zu bedenken gegeben: Hat nicht auch
diese Culturmethode ihre Schwächen und Gefahren und bietet
Nachtheile, welche bei der Vermehrung durch Knollen, Steck-
linge u. dergl. nicht in demselben Maasse vorhanden sind?
Stecklinge und Knollen sind doch von Anfang an weit robuster
1) De Bary, Lc
als die jungen Sämlinge, sie erscheinen widerstandsfähiger gegen
die Witterungsverhältnisse und können auch dem Eindringen
‚von Schmarotzern vermöge der Ausbildung ihrer Gewebe einen
grösseren Widerstand entgegensetzen: es ist deshalb zu er-
warten, dass sie leichter anwachsen werden als die Sämlinge.
Dass es besondere Keimlingskrankheiten der Culturpflanzen
gibt, ist mehrfach beobachtet worden !). Die betreffenden Krank-
heiten „zeigen sich stets in hohem Grade verderblich,- ihr
Auftreten ist immer epidemisch und niemals kann an eine
Rettung auch nur gedacht werden, weder auf curativem Wege
noch mit Hülfe der eigenen, dem betreffenden Gewächse selbst
innewohnenden Lebenskraft“. So richtet der Pilz Phytophthora
omnivora unter den Buchenkeimlingen grosse Verheerungen
an und ruft auch an vielen andern Pflanzenarten das sog.
Umfallen der Keimpflanzen hervor. Mit demselben Namen oder
als Wurzelbrand der Keimpflanzen wird die von einem ver-
wandten Pilze, Pythium de Baryanum verursachte Epidemie
bezeichnet, die gerade bei einer Anzahl von Culturpflanzen die
Keimlinge befällt, nämlich von Zea Mais, Panicum miliaceum,
Camelina sativa, Trifolium repens, Spergula arvensis, Sinapis
nigra, Beta vulgaris und manchen anderen. Sämlingen, die ein
gewisses Alter und damit eine gewisse Erstarkung ihrer Stengel-
basis erreicht haben, werden diese Pilze nicht mehr gefährlich
und erwachsene Pflanzen oder deren Theile werden von ihnen
nicht angegriffen ?).
Wenn nun auch diese Erscheinung direct nichts mit der
Frage nach der Altersschwäche der Cultursorten zu thun hat,
so ist es doch vielleicht von gewisser practischer Bedeutung,
ı) von Thuemen, Ueber zwei für die Landwirthschaft wichtige
Keimlingskrankheiten. (Fühling’s landwirthschaftliche Zeitung, 1885, Jahr-
gang 34, p- 513—517.)
2) Ueber diese Erkrankungen vergl. Frank, Die Krankheiten der
Pflanzen, Bd. II, p. 79 und p. 87.
zu zeigen, dass man nicht glauben soll, mit der Zucht aus
Samen wäre jeder Gefahr für die Culturen vorgebeugt. Wir
sehen dabei ganz ab von den Schwierigkeiten, welche es bei
vielen angebauten Pflanzen haben würde, keimfähige Samen zu
erlangen und Sämlinge aus ihnen zu ziehen, was besonders,
wie oben erwähnt, für das Zuckerrohr gilt. :
Wir gehen auf diese Verhältnisse nicht weiter ein, sondern
fassen nur noch die im Vorstehenden gegebenen Ausführungen
kurz zusammen.
Dass die Altersschwäche der auf geschlechtslosem Wege
vermehrten Pflanzen nur in der Einbildung gewisser Autoren
und Züchter besteht, aber nicht mit Nothwendigkeit aus der
Beschaffenheit der zur vegetativen Vermehrung dienenden
Pflanzentheile hervorgeht, haben wir aus theoretischen Gründen
zu beweisen gesucht. Wir bestritten, dass die ganze „Sorte“
als ein fortgesetztes Individuum zu betrachten ist und dass die
Vermehrung durch Stecklinge, Ableger, Knollen etc. eine un-
natürliche ist. Bei der Besprechung der unsere Ansicht be-
stätigenden Verhältnisse haben wir zuerst gezeigt, dass auch
in der Natur viele Pflanzen auf die Dauer sich vegetativ ver-
mehren, ohne dass sich nachweisen lässt, dass das Fehlen der
sexuellen Reproduction eine minder kräftige Entwicklung der
Pflanzen bewirkt. Ferner wurde angeführt, dass es Culturpflanzen
gibt, die seit sehr langer Zeit ausschliesslich vegetativ vermehrt
werden und einige, die nur so vermehrt werden können, nichts-
destoweniger aber noch vollkommen gesund und kräftig sind.
Von den cultivirten und vegetativ fortgepflanzten Gewächsen
aber, die von epidemischen Krankheiten zu leiden haben, konnten
wir fast überall den Nachweis führen, dass die Krankheit durch
äussere Ursachen, meistens durch Parasiten, hervorgerufen wird
und dass wir diesen Pflanzen auch keine Prädisposition zu
Krankheiten zuzuschreiben brauchen. Es wurde sodann darauf
hingewiesen, dass auf dieselbe Weise wie die soeben ange-
führten Pflanzen auch die fortwährend aus Samen gezogenen
Culturpflanzen von Krankheiten befallen werden und dass Epi-
demien selbst bei wildwachsenden Pflanzen, einjährigen wie
mehrjährigen, auftreten können. Demnach sind die Erkrankungen
der durch Knollen, Stecklinge etc. vermehrten Culturgewächse
keine diesen eigenthümlichen Erscheinungen, sie treten nur aus
leicht begreiflichen Gründen bei ihnen auffallender hervor und
verbreiten sich schneller.
KAPITEL TI,
Ueber die Umstände, von denen das Blühen
der Pflanzen abhängt,
Da nach biologischer Erklärung die Blüthen die zur Frucht-
und Samenbildung dienenden Organe sind, so haben wir uns
in diesem Kapitel eigentlich auch nur mit den Samenpflanzen
oder Phanerogamen zu beschäftigen. Die Blüthenbiologie nun
betrachtet die Blüthen wesentlich nur von dem Gesichtspuncte
aus, dass sie in ihnen die Mittel zur Fruchtbildung sieht, und
untersucht, in welcher Beziehung die verschiedenen Eigen-
schaften der Blüthen, wie ihr Bau, ihre Stellung, ihre Ent-
wicklungsperioden u. dergl. zur Befruchtung oder wenigstens
zur Bestäubung stehen. Die Blüthenbiologie in diesem Sinne
erfreut. sich einer sehr reichhaltigen Litteratur, während die-
jenigen Umstände, von denen das Blühen überhaupt abhängt,
bisher nur gelegentlich berücksichtigt worden sind. Das kann
uns auch nicht verwundern, da die Blüthen für das Leben der
Pflanze nur als Mittel zur Fruchtbildung von Bedeutung’sind.
Das Blühen einer Pflanze bedingt aber nicht immer deren
Fruchten, denn abgesehen davon, dass Pflanzen, welche nur
männliche Blüthen haben, keine Früchte produciren können, so
gibt es bekanntlich auch Fälle, wo aus den weiblichen Organen
sich keine Früchte entwickeln, sei es, dass die Befruchtung aus-
geblieben ist, sei es, dass trotz erfolgter Befruchtung die Ungunst
äusserer Verhältnisse die Blüthe nicht zur Frucht reifen lässt.
Für die Vermehrung der Pflanzen, also für die Erhaltung der
Species, kommt es natürlich nur darauf an, ob die Früchte und
Samen reifen, und ein erfolgloses Blühen hat nicht mehr Werth
als das Ausbleiben der Blüthe. So kann es uns auch bei den
Pflanzen, die wir ihrer Früchte oder Samen wegen cultiviren,
nichts nutzen, wenn sie noch so reichlich blühen und dann
doch keine Früchte ansetzen. Desshalb hat man immer mehr
Aufmerksamkeit auf die Verhältnisse gerichtet, von denen die
Fruchtbildung der Pflanze abhängt, als auf diejenigen, welche
das Blühen hemmen oder befördern. Für die letzteren wollen
wir nun im Folgenden versuchen, alles zusammenzustellen, was
an Beobachtungen darüber vorliegt. Wir werden sehen, dass
einestheils nur innere, dem Character der Species eigenthüm-
liche Gründe maassgebend sind, dass aber andererseits auch
äussere Agentien eine Wirkung ausüben. Natürlich ist mit der
Erkenntniss des Zusammenhanges eines Lebensprocesses mit
einem äusseren Factor noch keine Erklärung gegeben. Wenn
wir finden, dass Feuchtigkeit die Entwicklung der vegetativen
Organe der Pflanze befördert, die Blüthenbildung dagegen
zurückhält, so beruht dies eben auf dem inneren Wesen der
Pflanze, auf die Feuchtigkeit derartig zu reagiren. Indessen
sind wir doch insofern etwas weiter gekommen, als wir es nicht
mehr mit speciellen Eigenthümlichkeiten bestimmter Pflanzen-
arten zu thun haben, sondern mit einer für viele Pflanzen
gültigen Regel. Dazu kommt noch, dass sich aus der Kenntniss
derartiger Regeln unter Umständen gewisse Lehren für die Be-
handlung der Pflanzen in der Cultur ableiten lassen. Nur sind
wir leider nicht immer im Stande, die betreffenden Verhältnisse,
wie Wärme, Feuchtigkeit, Beleuchtung, so zu gestalten, wie es
für unsere Zwecke wünschenswerth erscheint.
Wir wollen zunächst das Blühen der Pflanze als eine Phase
ihres Entwicklungsganges betrachten, die aus inneren, durch
— 80 Dr;
Vererbung fixirten Gründen zu einer bestimmten Zeit eintritt.
Wir wissen, dass die Entwicklung der verschiedenen Pflanzen
derartig ungleich ist, dass die genannte Phase nur einmal, sei
es früher, sei es später, eintritt oder dass sie sich in mehr oder
weniger regelmässigen Perioden wiederholt. Man kann danach
hauptsächlich zwei Gruppen unter den Pflanzen unterscheiden,
die einmal und die wiederholt blühenden, die ersteren pflegen
als hapaxanthische oder monokarpe, die letzteren als polykarpe
Pflanzen bezeichnet zu werden.
Die hapaxanthischen Pflanzen wiederum kann man unter-
scheiden nach der Länge der Zeit, welche sie von der
Keimung an bis zur Blüthenbildung in Anspruch nehmen. Wir
haben hier zunächst die sog. einjährigen Pflanzen, die in
einer Vegetationsperiode ihren Entwicklungsgang, somit auch
Blühen und Fruchten, beendigen. Sie finden sich besonders
reichlich in solchen Zonen, wo scharfe Unterschiede der Jahres-
zeiten herrschen, wo der Pflanzenwuchs durch Kälte oder
Trockenheit auf eine längere Zeit unterbrochen ist. Europa ist
reich an solchen einjährigen Pflanzen, die im Frühling keimen,
im Sommer blühen und nach der Fruchtreife im Herbst voll-
kommen absterben bis auf die Samen, die den Winter im Ruhe-
zustand verbringen. So verhalten sich auch viele Gräser, be-
sonders die in den gemässigten Zonen als Sommergetreide
angebauten Arten. Gerade dem Umstand, dass die Gräser be-
reits in demselben Jahre, in dem sie ausgesäet werden, zur
Blüthe und Fruchtreife kommen, verdanken sie es, dass sie zu
den Pflanzen gehören, die von den Menschen zuerst in Cultur
genommen worden sind.
Manche Pflanzen aber entwickeln sich noch schneller, so
dass während eines Sommers mehrere Generationen von ihnen
zur Blüthe kommen und Samen reifen, die sofort keimfähig sind.
Man unterscheidet sie von den oben erwähnten einjährigen
RS
Pflanzen als ephemere'): als Beispiel sei nur der fast über die
ganze Erde verbreitete Hühnerdarm (Stellaria media) genannt.
Ihnen gegenüber stehen dann diejenigen hapaxanthischen
Pflanzen, welche mehr als ein Jahr brauchen, um zu blühen.
Viele derselben besitzen eine zweijährige Lebensdauer, ent-
wickeln im ersten Jahre nur Vegetationsorgane, im zweiten
auch Blüthen und Früchte. Es sind dies die sogen. Stauden
und zu ihnen gehören viele Umbelliferen, Cruciferen, Scro-
bhulariaceen und andere Formen des europäischen Floren-
gebietes. Sie produciren im ersten Jahre nur einen kurzen,
unten in die Wurzel übergehenden Stamm, der über der Erde
eine Blattrosette entfaltet. Die Blätter sterben im Winter theil-
weise ab, Wurzel und Stamm bleiben aber erhalten und letzterer
treibt im nächsten Jahre nicht nur Blätter, sondern wächst auch
in einen blüthentragenden Stengel aus. Damit ist aber die
Kraft der Pflanze erschöpft und sie stirbt, nachdem die Früchte
ausgebildet sind, ab.
Auch von Gräsern gibt es mehrere, die sich im ersten Jahre
nur bestocken und erst im zweiten die ährentragenden Halme
treiben. Etwas anderes ist es mit dem sog. Wintergetreide,
das zwar auch unter die zweijährigen Pflanzen gerechnet wird.
Hier ist nur insofern ein Unterschied von dem rein einjährigen
Sommergetreide, als ersteres, im Herbst gesäet, noch vor dem
Winter keimt, dann eine Ruheperiode durchmacht und’ sich im
Frühling direct weiter entwickelt, so dass es im Sommer zur
Blüthe kommt. Es gehört also das so cultivirte Getreide eigent-
lich zu den einjährigen Pflanzen, die nur durch die Aussaat im,
Herbst zu einer unterbrochenen Entwicklung gezwungen werden.
Bei den eigentlichen Stauden dagegen ist der Stamm im ersten
Jahre noch nicht kräftig genug, um Blüthen treiben zu können;
er beschränkt sich zunächst darauf, Assimilationsorgane zu
I) Wiesner, Biologie der Pflanzen (Wien 1889) p. 22.
Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. 6
Ei MDR
produciren, durch deren Thätigkeit soviel Stoff aufgespeichert
wird, dass im zweiten Jahr genug Material zur Blüthen-, resp.
auch Fruchtbildung vorhanden ist.
Andere Pflanzen bedürfen noch längerer Zeit, um diesen
Zustand zu erreichen, besonders solche, die sehr grosse In-
florescenzen entwickeln. Es können hier wieder manche Um-
belliferen genannt werden, z. B. die in den persischen Steppen
einheimischen Scorodosma foetidum und Dorema Ammoniacum.
Bei ihnen werden in mehreren Jahren nur Blattrosetten gebildet,
bis schliesslich die grosse Inflorescenz erscheint, nach deren
Ausbildung die ganze Pflanze abstirbt, Wohl das bekannteste
Beispiel dieser Art ist die sog. hundertjährige Alo&, Agave
Americana. „Es vergehen oft 20, 30, angeblich selbst 100 Jahre,
in welchem langen Zeitraume diese Pflanze über die Bildung
des bodenständigen, mit rosettig gruppirten Blättern besetzten
Kurztriebes nicht hinauskommt. Endlich erhebt sich aus der
Mitte der Rosette ein Langtrieb, welcher mit einem umfang-
reichen Blüthenstande abschliesst. Sobald sich aus den Blüthen
Früchte herausgebildet haben und die Samen ausgeflogen sind,
stirbt dann, ähnlich wie bei den zweijährigen Pflanzen, nicht nur
dieser Langtrieb, sondern auch der Kurztrieb mit seinen grossen,
dornig gezahnten, starren Rosettenblättern gänzlich ab“).
Solche, mehrere und selbst viele Jahre ausdauernde, aber
nach einmaliger Blüthen- und Fruchtbildung zu Grunde gehende
Pflanzen können als perennirende Monokarpen bezeichnet
werden’). Die Ursache ihres Absterbens ist die Erschöpfung,
in die sie durch die Entwicklung des grossen Blüthen-
standes gerathen; derselbe erreicht bei der erwähnten Agave
die Höhe von 5—7 Meter! Zu einer solchen Leistung ist die
Pflanze erst nach längerer Zeit fähig und so können wir
sagen, dass das Alter des Individuums von wesentlichem
I) Nach Kerner, Pflanzenleben, Bd. I, p. 618.
2) Wiesner l. c.p. 22.
Einfluss auf das Blühen der Pflanzen ist. Wir sehen dies aber
nicht nur bei den monokarpen, sondern auch bei den peren-
nirenden, wiederholt blühenden Pflanzen, von denen wir
wiederum verschiedene Formen unterscheiden können.
Zunächst gibt es solche, bei denen nur die unterirdischen
Triebe ausdauern und die oberirdischen in jedem Jahre neu
gebildet werden. Hierher gehören die meisten Gräser und
vor allem diejenigen, welche eine geschlossene Grasnarbe bilden.
Solche Pflanzen, zu denen ausser den Gräsern noch viele
andere zu rechnen sind, pflegen in dem ersten oder auch in
den ersten Jahren nach der Keimung nur Blatttriebe zu ent-
wickeln, bis der Wurzelstock kräftig genug ist, auch Blüthen-
triebe zu produciren, welche aber nun in jedem Jahre wieder
erscheinen im Gegensatz zu den Stauden und perennirenden
Monokarpen.
Als Büsche oder Virgulta !) werden sodann solche Pflanzen
bezeichnet, deren unterirdische Triebe ausdauern und deren
oberirdische Theile zu ihrer Entwicklung mehr als ein Jahr
gebrauchen oder sich überhaupt unabhängig von der Jahres-
zeit entwickeln, so dass jedenfalls immer solche oberirdische
Triebe vorhanden sind. Die oberirdischen Triebe können
bereits im ersten Jahre, in dem sie entstanden sind, blühen,
z. B. bei Rubus odoratus, bei welcher Art sie dann im zweiten
Jahre nochmals blühen, um darauf abzusterben. Bei Rubus
JIdaeus dagegen blühen die ebenfalls zweijährigen Triebe erst
im zweiten Jahre, während sie im ersten nur Blätter treiben.
Zu dieser Gruppe der Virgulta gehören die Bananen, aber
auch bei Musa verhalten sich die einzelnen Arten verschieden
und bei manchen (z. B. Musa Ensete) dauert es mehrere Jahre,
bis aus dem Blatttrieb, der den scheinbaren oberirdischen
I) Vergl. den Aufsatz von Krause in den Berichten der deutschen
bot. Gesellschaft, 1891, p. 233.
6*
Stamm darstellt, ein Blüthenstand hervorkommt; nach der
Fruchtreife stirbt dieser ganze Trieb ab.
Das Zuckerrohr zeigt in Beziehung auf das Blühen so
eigenthümliche und noch wenig bekannte Verhältnisse, dass
dieselben hier nach den Angaben Benecke’s!) etwas ein-
gehender besprochen werden sollen.
„In der Litteratur wird bis auf die neueste Zeit die Be-
hauptung aufgestellt, dass das Zuckerrohr „selten blüht“. Jeder
Pflanzer auf Java weiss, dass dies leider?) nicht der Fall ist.
Woher dieser Irrthum stammt, ıst mir unbekannt; immerhin
ist es nicht unmöglich, dass es Gegenden gibt, wo das cultivirte
Zuckerrohr klimatischer Verhältnisse wegen bis zur Zeit seiner
Verarbeitung nicht zur Blüthe gelangt; darauf könnte die irr-
thümlicher Weise allgemein gehaltene Behauptung basiren.
Wir haben Jahre auf Java, in welchen das Zuckerrohr
überreichlich blüht, sodass man schon aus weiter Ferne die
Zuckerrohrfelder an den wallenden Blüthenbüscheln erkennt,
die aus Hunderttausenden von einzelnen Inflorescenzen be-
stehen. In solchen Fällen können nicht-blühende Felder zu
den Seltenheiten gehören. Andererseits gibt es Jahre, in
welchen im Allgemeinen wenig Blüthenstände sichtbar sind.
Schliesslich kommen Jahre vor, in welchen man bald Felder
I) Mededeelingen van het Proefstation „Midden-Java“ te Klaten. Sema-
rang. 1892.
2) „Mit dem Beginn der Bildung der endständigen Inflorescenz hört
ja selbstverständlich die Bildung neuer, für die Zuckergewinnung brauch-
barer Stockglieder auf und das ganze Wachsthum des Stockes kann nur
noch auf der Vergrösserung der bereits vorhandenen Internodien beruhen.
Kommt nun das Zuckerrohr, wie es z. B. im letzten Vegetationsjahre (I8g9I
bis 92) leider vielfach der Fall war, frühzeitig zum Blühen, so bleiben die
Stöcke kurz und der Schaden kann dadurch ein sehr bedeutender werden.
Dazu kommt noch, dass in Blüthe befindliches Rohr leicht austrocknet, und
besonders auch, dass solches Rohr keineswegs empfehlenswerthe Stecklinge
liefert. Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass „Sereh‘krankes Rohr Nei-
gnug zum Bülhen besitzt“. Benecke,l.c.
sieht, auf welchen fast jeder Stock im Blühen begriffen ist und
bald Felder, wo man nach einem blühenden Stock suchen
muss ; dabei können solche
blühende und _nicht-
blühende Felder in näch-
ster Nähe sich befinden.
Man sieht auch häufig in
einem und demselben Feld
zwei unter anscheinend
gleichen Verhältnissen
‚gewachsene Pflanzen, von
denen die eine nur
blühende, die andere nur
nichtblühende Stöcke be-
sitzt. Schliesslich kann
man auch an einer und
derselben Pflanze be-
obachten, dass sie aus
Stöcken besteht, von denen
die einen völlig ausge-
bildete Inflorescenzen tra-
gen, während die anderen
solche nicht einmal in der
ersten Anlage aufweisen,
trotzdem sie sich, was
Höhe und Stärke betrifft,
keineswegs von den blü- =
henden Stöcken principiell Fig. 17. Saccharum offieinarum. Blühende
unterscheiden.“ und nicht blühende Sprosse in verschie-
EL. bezeichnet denem Alter. (Nach Nees.)
die Arten der Gattung Saccharum als perennirende Pflanzen.
Als solche erweist sich auch ,S. oficinarum in unseren bo-
tanischen Gärten, wo es allerdings nicht zur Blüthe kommt
RE
indem aus dem Rhizom in jedem Jahre neue Triebe entstehen,
die auch länger als ein Jahr aushalten. Auf Java freilich
und auch in anderen tropischen und subtropischen Ländern lässt
man (nach Benecke) das in Cultur befindliche Zuckerrohr
gewöhnlich nur ein Jahr') alt werden; als aber die Sereh-
krankheit die Culturen auf Java noch nicht bedrohte, erntete
man oft auch den zweiten und sogar den dritten Schnitt).
Wie nun soeben geschildert wurde, kann das Zuckerrohr schon
im ersten Jahre reichlich blühen; wenn zweiter und dritter
Schnitt angewendet wird, können die Stöcke dieser weiteren
Ernten ebenfalls zum Blühen gelangen. Auch das Zuckerrohr
in den Plantagen muss also als perennirende Pflanze betrachtet
werden; wann es aber zum Blühen kommt, scheint nach den
Varietäten verschieden zu sein. Nach Benecke ist es wahr-
scheinlich, dass in den Tropen alle Varietäten zum Blühen
kommen würden, wenn man ihnen die dazu nöthige Zeit liesse
und wenn nicht die Ungunst äusserer Umstände das Blühen
verhindert. Der genannte Autor hatte in seinem Versuchs-
garten auf Java viele Varietäten, die niemals im ersten Jahre
blühten; seine Versuche, die er in dieser Richtung dort in
Angriff genommen hatte, konnten leider nicht zum Abschluss
gelangen, weil er Java verliess.
An das Zuckerrohr können wir die Bambuseen an-
schliessen, die eine ganz eigenthümliche Periodicität im Blühen
zeigen und die gewissermaassen eine Zwischenstufe zwischen
den Virgultis und den Bäumen bilden; denn sie gleichen den
ı) Das Vegetationsjahr des Zuckerrohrs dauert nicht genau I2 Monate,
sondern ist theils viele Wochen länger, theils entsprechend kürzer, indem
der Eintritt der Reife in hohem Maasse von der Witterung des Jahres ab-
hängig ist.
2) Man schneidet dann nämlich am Ende des ersten Vegetationsjahres
die Stöcke für die Zuckergewinnung am Boden ab und lässt die unter-
irdischen Sprossaugen der im Boden verbleibenden Stockreste zur Entwicklung
kommen; ihre Sprosse liefern die zweite Ernte, d. h. den zweiten
Schnitt u. s. w.
letzteren zwar darin, dass sie holzige, ausdauernde oberirdische
Stämme bilden, aber diese scheinen doch regelmässig, wenn
sie einmal zum Blühen gekommen sind, nach der Fruchtreife
abzusterben. Dabei ist aber zu bemerken, dass sich die ein-
zelnen Arten sehr verschieden verhalten und dass darauf die
Angaben immer Rücksicht nehmen müssen. Es gibt Arten,
die alljährlich blühen, während bei anderen Arten die Sprosse
eine ganze Reihe von Jahren alt werden müssen, ehe sie
blühen!),. Was aber das besonders Auffallende bei manchen
Bambuseen ist, das ist das Auftreten von Blüthenjahren in
grossen Zwischenräumen (bei Bambusa arundinacea z. B. nach
32 Jahren) und das dann gleichzeitig erfolgende Blühen aller
Sprosse, mögen sie von noch so verschiedenem Alter sein.
Frömbling:) erzählt von zwei Chusquea-Arten (Bambuseen)
in Chile, die erst nach 3—4 Jahren zum Blühen gelangen, und
zwar alle Individuen eines ganzen grösseren Districtes gleich-
zeitig, um nach der Samenreife abzusterben, worauf nach einer
weiteren vierjährigen Periode dieselbe Erscheinung wieder
eintritt. Es scheint also in diesen Fällen hauptsächlich das
Alter des Rhizoms, das unter dem Boden wächst und nach
oben die verholzten Halme aussendet, von Einfluss auf das
Blühen zu sein, wenn auch ausserdem klimatische Verhältnisse
eine Rolle spielen. Weitere Angaben über das Blühen der
Bambus-Gräser findet man gesammelt von Schröter in seiner
Arbeit über den Bambus?), auch Hackel hat in seiner Be-
arbeitung der Gramineen dieser Erscheinung eine längere
Besprechung gewidmet *).
ı) Es wird sogar von gewissen Bambuseen in den Tropen ange-
nommen, dass sie niemals blühen, was aber nicht erwiesen sein dürffe.
2) Botanisches Centralblatt, Bd. LXII (1895) p- II.
3) C. Schröter, Der Bambus und seine Bedeutung als Nutzpflanze.
Basel 1885.
4) In Engler und Prantl, Natürliche Pflanzenfamilien, II. Theil, 2.
Abtheilung, p. 89. Man vergleiche ferner die Angaben von Fritz Müller
in Engler’s Botan. Jahrbüchern Bd. II, p. 391.
nr
Schliesslich haben wir die eigentlichen Stammpflanzen,
die Halbsträucher, Sträucher und Bäume, bei denen die
oberirdischen Triebe in der Regel verholzen und nebst den
Wurzeln die ausdauernden Theile der Pflanze bilden. Bei
der Mehrzahl der hierher gehörigen Formen tritt das Blühen
und Fruchten erst ein, wenn sie sich nach der Aussaat mehrere
Jahre hindurch gekräftigt haben. Denn die Pflanze muss an-
fangs ihre Assimilationsproducte auf die Ausbildung der
holzigen Triebe, verwenden und bedarf längerer Zeit, bis Ma-
terial genug zur Entwicklung der Fortpflanzungsorgane vor-
handen ist. Doch gibt es auch einige holzige Pflanzen, die
bereits im ersten Jahre blühen, wie den KRicinus. Derselbe
wird deswegen in kälteren Ländern (Mitteleuropa) leicht für
eine einjährige Pflanze gehalten, weil er nach dem Blühen im
Herbst durch die Kälte zu Grunde geht. In seiner Heimat ist
er ein Baum, der auch in den folgenden Jahren regelmässig
blüht. Im Gegensatz dazu stehen die Waldbäume der nörd-
lichen gemässigten Zone, da bei ihnen meist viele Jahre ver-
gehen, bevor sie zum ersten Male blühen.
Am besten sind wir in dieser Beziehung über die deutschen
Waldbäume orientirt, über welche ich die folgenden Angaben
aus Nördlinger’s Forstbotanik entnehme!): Das Blühen be-
ginnt bei der Lärche (Laryx europaea) im Tiefland mit 15
bis 20, im Gebirge mit 20—30 Jahren, bei der Kiefer (Pinus
silvestris) auf trockenem, warmem Boden zum Theil schon mit
15, im Bestand mit 30—40 Jahren (bei Pinus montana dagegen
schon mit 4—5 Jahren), bei der Eibe (Taxus baccata) mit 20,
bei der Fichte (Picea vulgaris) mit 30—40, bei der Tanne
(Abies pectinata) erst mit 60 Jahren. Von Laubbäumen blüht
die Hasel (Corylus avellana) schon mit 10, die Birke (Betula
alba) mit 15—20, die Weissbuche (Carpinus betulus), die
I) 2. Band. Stuttgart 1876.
Edelkastanie (Castanea vesca), die Zitterpappel (Populus
tremula) etwa mit 20, die Erle (Alnus glutinosa) im Busch-
_ wald mit 12-20, im Hochwald mit 40, die Buche (Fagus sil-
vatica) im Bestand nicht vor 60 Jahren (freistehend 20 Jahre
früher) und die Stieleiche (Ouercus pedunculata) erst im 60.
bis So. Lebensjahre.
Dass der Zeitraum, in dem diese Bäume zum ersten Male
blühen, ziemlich unbestimmt ist, zum Theil zwischen 20 Jahren
schwanken kann, rührt daher, dass äussere Umstände von
grossem Einfluss auf das Erscheinen der ersten Blüthe sind;
allein es ist hier nicht der Ort, diese Umstände näher zu be-
rücksichtigen, weil wir von ihnen erst später zu sprechen haben.
Erwähnt sei nur, dass jene Regeln nicht ohne Ausnahme sind;
so wird angeführt, dass gelegentlich in Samenbeeten Eichen
und Götterbäume (Adlanthus glandulosa) im 1.—3. Lebens-
jahre zum Blühen kommen, dann aber bald absterben.
Bei den Holzpflanzen haben wir aber auch noch auf eine
andere Erscheinung hinzuweisen: nicht nur erlangt der Baum
in einem bestimmten, von der Species abhängigen Alter die
Fähigkeit zu blühen, sondern bei manchen Arten ist auch die
Wiederholung der Blüthe nicht bloss von der Jahreszeit, son-
dern auch von der Lebenszeit der Pflanze abhängig. Wir be-
obachten nämlich, dass manche Bäume nicht jedes Jahr blühen,
sondern in längeren Zeitintervallen !). Unter den Nadelhölzern
blühen Taxus und Juniperus alljährlich, die Tanne (Abies
pectinata) dagegen blüht in milder Gegend etwa alle 2—5, in
rauher Gegend nur alle 6—8 Jahre, die Kiefer (Pinus sil-
vestris) alle 3—5, die Fichte (Picea vulgaris) alle 3—4 Jahre.
Von den Laubhölzern der nördlichen Wälder blüht wohl die
Mehrzahl alljährlich, aber die Birke (Betula alba) etwa alle
1) Etwas Aehnliches beobachtet man übrigens auch an einigen peren-
nirenden krautartigen Pflanzen, z. B. Erdorchideen. Vgl. Kerner’s
Pflanzenleben, Bd. II, p. 278.
a
3 Jahre und die Eiche (Ouercus pedunculata) in Intervallen
von 4—6 Jahren!). Dass auch in wärmeren Ländern analoge
Erscheinungen im Blühen der Bäume auftreten, zeigt der
Drachenbaum (Dracaena Draco), von dem Schacht sagt,
dass er auf den kanarischen Inseln verhältnissmässig selten
blühe?). Wir können den Grund für die mehrjährige Periodi-
cität im Blühen bei den erwähnten Bäumen darin suchen, dass
sie die blüthenbildenden Stoffe nicht in einer Vegetationsperiode
in genügender Menge herzustellen vermögen, sodass wirklich ,
Blüthen entstehen können, sondern dass sie mehrere Vege-
tationsperioden dazu nöthig haben. Da nun das eine Jahr
günstiger, das andere Jahr ungünstiger für die Entstehung der
blüthenbildenden Stoffe aus den Assimilationsproducten im
weitesten Sinne sein wird, und da mehrere günstige oder
mehrere ungünstige Jahre aufeinander folgen können, so er-
klärt sich daraus das Schwanken der Perioden um mehrere
Jahre. Es erklärt sich auch aus dieser Annahme die merk-
würdige Erscheinung, dass in den Blüthenjahren des Bambus
alle Sprosse, junge und alte, blühen: Die Anhäufung der
blüthenbildenden Stoffe würde eben in diesem Jahre das nöthige
Maass erreicht haben und sie würden nun gleichmässig in der
Pflanze vertheilt worden sein.
Wir haben also im Vorhergehenden das Blühen als eine
zu gewisser Zeit im Leben der Pflanze eintretende Erscheinung
kennen gelernt und die Hauptgruppen, welche sich nach diesen
Verhältnissen bei den Pflanzen bilden lassen, unterschieden. Es
ergibt sich daraus, wie auch schon erwähnt, dass das Alter
der Pflanze, sei es des ganzen Organismus, sei es nur gewisser
Sprosse, das Blühen bestimmt.
Die Gründe, die bei der einen Pflanze das Erscheinen der
‘ Blüthe im ersten, bei der andern im zweiten oder einem spä-
I) Ueber die Buche siehe weiter unten.
2) Schacht, Madeira und Tenerife, p. 26.
teren Jahre veranlassen, liegen in der Natur der Pflanze und
da wir sie nicht weiter verfolgen können, nennen wir sie innere
Gründe. Allerdings stehen diese Eigenthümlichkeiten einer
Pflanze, nämlich ihre Lebensdauer und ihre Blüthezeit, nicht
unveränderlich fest, aber sie verändern sich in der Natur doch
nur bei der allmählichen Abänderung der äusseren Verhältnisse,
unter denen die Pflanzen wachsen. Wir können diese darum
nach besagten Eigenschaften in der Weise, wie es eben ge-
schehen ist, eintheilen. Nur ist die Schwierigkeit vorhanden,
dass wir noch keineswegs genügend unterrichtet sind, wie sich
die einzelnen Pflanzen im Verlaufe ihres Lebens verhalten; be-
sonders über tropische Gewächse, auch cultivirte, findet der,
welcher sie nicht an Ort und Stelle beobachten kann, oft nur
mangelhafte Angaben in der Litteratur. Die Mittheilung von
weiteren Beobachtungen in dieser Hinsicht wäre demnach recht
wünschenswerth.
Im Allgemeinen also können wir sagen, dass jede Pflanzen-
art die durch Vererbung fixirte Eigenthümlichkeit besitzt, in
einer bestimmten Phase ihrer Entwicklung Blüthen zu pro-
duciren und dass diese Phase je nach der Species nur einmal
oder wiederholt in der Entwicklung eintritt. Wie aber der
ganze Lebenslauf der Pflanze abhängig ist von äusseren Fac-
toren: Wärme, Licht, Feuchtigkeit, Bodenverhältnissen u. s. w.,
so natürlich auch das Blühen. Es kann demnach die oben be-
zeichnete Phase in der Entwicklung sowohl durch die in der
Natur sich abspielenden Vorgänge, als auch durch künstlich
vom Menschen herbeigeführte Verhältnisse nicht bloss ver-
schoben, sondern sogar unterdrückt werden, allerdings nur
innerhalb gewisser Grenzen. Wir hatten schon eine solche Ver-
schiebung der Blüthezeit zu erwähnen Gelegenheit gehabt,
nämlich beim Wintergetreide: dadurch, dass man die Samen
nicht im Frühling, sondern im Herbst aussäet, wird die Ent-
wicklung der Pflanze derartig verzögert, dass die Blüthe viel
längere Zeit nach der Keimung eintritt als bei dem normaler
Weise im Frühling gesäeten Getreide Es wird nun unsere
Aufgabe sein, die verschiedenen Agentien, deren Wirkung für
das Blühen in Betracht kommt, zu besprechen und zu sehen,
was sich über ihren befördernden oder hemmenden Einfluss auf
diese Erscheinung des Pflanzenlebens sagen lässt.
Es bietet sich aber hier die Schwierigkeit, dass selten ein
Agens, wie Wärme oder Licht oder Feuchtigkeit, allein zur
Wirkung kommt, sondern vielmehr in Combination mit den
andern auftritt. Wenn dieselbe Pflanze in dem einen Klima
regelmässig blüht, in dem andern aber nicht oder schwer zur
Blüthe kommt, so sind dabei auch verschiedene Agentien im
Spiel und es ist die Frage, welches derselben vornehmlich die
Wirkung ausübt. Auch experimentell hat es seine Schwierig-
keiten, derartige Fragen zu entscheiden: z. B. kann man nicht
leicht zwei Pflanzen bei verschiedener Temperatur und gleicher
Feuchtigkeit halten, um die reıne Wirkung der Wärme zu
studiren; denn die kälter gehaltene Pflanze wird auch durch
ihre Wurzeln weniger Wasser aufnehmen und somit den ober-
irdischen Theilen weniger Feuchtigkeit zuführen, als die wärmer
gehaltene. Besser schon kann der Einfluss des Lichtes be-
obachtet werden und wir können hier gleich sagen, dass das
Licht, sowohl was die verschiedenen Helligkeitsgrade als auch
was die verschiedenen Farben betrifft, von grossem Einfluss auf
die Blüthenbildung ist.
Es wird zunächst zu untersuchen sein, ob das Licht für
dıe Pflanze nothwendig ist, damit sie blühen kann. Ohne
weiteres lässt sich diese Frage nicht beantworten, denn wir
wissen, dass einige Lebensvorgänge, wie Keimen und Wachsen,
auch im Dunkeln sich abspielen können, und wir werden finden,
dass es sich dabei nicht so sehr um den directen Einfluss des
Lichtes auf die Blüthenbildung als vielmehr um seinen Einfluss
auf die ganze Entwicklung handelt.
Betrachten wir nun zunächst die Verhältnisse in der Natur
und sehen wir dann zu, was die physiologischen Experimente
uns lehren.
Beim Wachsthum der Pflanzen in der Natur wird es sich
kaum jemals um eine vollständige Verdunkelung, sondern viel-
mehr um eine stärkere oder schwächere Beleuchtung handeln.
Doch auch dabei zeigt sich deutlich, dass das Licht einen be-
‚fördernden Einfluss auf das Blühen ausübt. Allerdings ist es.
nur ein auf Erfahrung beruhender Satz, dass schwächeres
Licht ein stärkeres Wachsthum der vegetativen Theile und
eine Verzögerung in der Bildung von Blüthen und Früchten be-
wirkt und dass diese letztere einestheils dem directen Einflusse
der Beschattung, anderntheils dem Ueberwiegen des vegetativen
Wachsthums zuzuschreiben ist !). Wir können aber nicht sagen,
in welcher Weise das helle Licht einen Vegetationspunkt be-
einflusst, so dass aus ihm ein Blüthenspross wird, während er
im Schatten sich vielleicht zu einem vegetativen Spross ent-
wickelt hätte. Wir schliessen nur aus den Thatsachen, dass
„die Sonnenstrahlen als Anregungsmittel für die Anlage blüthen-
tragender Sprosse“ ?) zu betrachten sind. Als solche That-
sachen seien folgende angeführt.
Einzelne umfangreiche Pflanzenstöcke, welche im Sommer
an der einen Seite beschattet, an der anderen besonnt sind,
legen im Bereiche des beschatteten Theils ausschliesslich oder
vorwaltend Laubknospen, im Bereiche des besonnten Theils
dagegen zahlreiche Blüthenknospen an (Kerner, II, p. 473).
Ebenso findet man, dass Pflanzenstöcke, welche das eine Jahr
im Schatten gehalten und das darauffolgende Jahr vom Beginn
ı) F. Hildebrand, Die Lebensdauer und Vegetationsweise der
Pflanzen, ihre Ursachen und ihre Entwicklung (Engler’s Jahrbücher, Bd. II,
p- IoO).
2) Kerner, Pflanzenleben, Bd. II, p. 388. Ueber den Vortheil, den die
Pflanze von der Ausbildung der Blüthen im Sonnenlicht hat, ist hier nicht zu
sprechen; man vergleiche darüber das angeführte Werk von Kerner, l.c.
ihrer Entwicklung an in die Sonne gestellt werden, in diesem
reichlicher blühen als im vorigen Jahre !). Ein ähnlicher Ver-
such im Grossen lässt sich bisweilen bei im Walde wachsenden
Pflanzen beobachten. Während dieselben nämlich, so lange sie
im dichten Schatten des Waldes standen, viele Jahre hindurch
blüthenlos blieben und sich dort nur mittelst Laubknospen er-
hielten, so setzen sie nach dem Fällen der Bäume im sonnen-
durchleuchteten Holzschlag wieder Blüthenknospen an und ge-,
langen zur Blüthen- und Fruchtbildung?). Kerner weist ferner
auf das schmalblättrige Weidenröschen (Zplobium
angustifolium) hin, das seine purpurnen Blüthen nur an sonnigen
Plätzen entfaltet, und zwar um so schöner roth gefärbte Blüthen
treibt, je kräftiger der Sonnenschein ist. Wird dagegen die Pflanze
in dichten Schatten versetzt, so verkümmern an ihr die Blüthen-
knospen viel früher, als sie sich geöffnet haben und fallen als weiss-
liche vertrocknete Gebilde von der Spindel der Blüthentraube ab?).
Hierher gehört auch die Erscheinung, dass der Boden des
dichtbelaubten Waldes im Sommer fast gar keine blühenden
Pflanzen aufweist. Nur im Frühjahr finden wir auf dem Boden
des Laubwaldes in unseren Breiten eine reichlichere Vegetation
blühender krautiger und zum Theil auch holziger Pflanzen, wie
Anemonen, Primeln, Corydalis, Anchusa, Daphne u. s. w., nach-
dem sich aber ein dichtes Blätterdach in den Kronen der Bäume
entwickelt hat, sind diese Blumen verschwunden und werden
auch nicht durch andere ersetzt. Im Nadelwald, der schon im
Frühjahr soviel Schatten wie im Sommer besitzt, fehlen natur-
gemäss auch in der ersteren Jahreszeit die blühenden Pflanzen
und es treten auf seinem Boden überhaupt nur sehr wenige
blühende Pflanzen, wie Pirola und Monotropa auf. Ueber die
Lichtabnahme in den Beständen belaubter Bäume und über den
Unterschied, den die immergrünen und die sommergrünen Wälder
I), Kerner, © 1.500
2), Kerner, 12.902478:
3) Kerner,t CD. 448.
in den verschiedenen Jahreszeiten in der Durchleuchtuag zeigen,
liegen genauere Untersuchungen von Wiesner vor, auf dessen
Arbeiten über den Lichtgenuss der Pflanzen ich hier nur hin-
weisen kann !). Wenn nun schon in höheren Breiten der Mangel
an blühenden Pflanzen im Walde bemerkbar wird, so ist dies
doch noch viel auffallender in den Tropen, weil hier eine viel
grössere Mannichfaltigkeit an Pflanzenarten und eine viel grössere
Menge schönblumiger Gewächse gefunden wird. Die ganze
Organisation der Pflanzen des tropischen Urwaldes wird im
wesentlichen bestimmt durch den Kampf ums Licht. Recht
drastisch führt uns Bates?) diesen Kampf vor an der Ent-
wicklung eines Baumwürgers (Ficus), dem es schliesslich ge-
lingt, seine Blätterkrone mit der des von ihm umwundenen
Stammes vermengt gen Himmel zu strecken, während seine
gurtförmigen Wurzeln den stützenden Stamm unterdessen er-
würgen. „Der selbstsüchtige Schmarotzer bleibt dann allein
übrig, in seinen Armen den verwitterten und leblosen Körper
des Opfers umschlungen haltend, das ihm zu seinem Wuchse
behülflich war. Sein Zweck ist erreicht, — er hat geblüht,
Früchte getragen und seine Art fortgepflanzt und vermehrt;
und nun, wenn der todte Stamm verwest, naht auch sein Ende;
seine Stütze ist dahin, auch er muss fallen.“ An einer anderen
Stelle (l. c., p. 121) sagt derselbe Reisende: „Blumen gibt es
hier (also im Urwalde des Amazonenstroms) wenige; hie und
_ da sieht man eine schimmernde hochrothe Blüthe das dunkle
Laub nach den Gipfeln des Waldes zu zieren.“ Bekannt sind
die Klagen der in den Tropen pflanzensammelnden Reisenden,
dass es ihnen nicht möglich ist, die Blüthen der Bäume oder
blühende Epiphyten zu erreichen, weil die Blüthen nur in
grosser Höhe, wohin die Sonne scheinen kann, entfaltet werden.
Ueber den südamerikanischen Urwald spricht sich ähnlich wie
I) Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. Wien 1893, Bd. CH, Abth. I, p. 291.
2) Der Naturforscher am Amazonenstrom. Deutsche Ausgabe, p. 29— 30.
Bates auch Pöppig!) aus: Auf dem Urwaldboden sind keine
bunten Blüthen vorhanden, sondern „modernde Blätter, zerfallene,
in Erde übergehende Holzreste, unübersehliche Generationen
von bunten und höchst vergänglichen Pilzen, einige Farne und
wenige Kräuter und Stauden sind die einzigen Dinge, auf die
nach unten das Auge trifft.“
In analoger Weise spricht sich Wallace über den Mangel
an Blumen aus bei Beschreibung der dichten Urwälder der
Insel Celebes: „Vergebens liess ich den Blick über diese grossen
Mauern von Grün schweifen, vergebens suchte ich zwischen
den hängenden Schlingpflanzen und den buschigen Sträuchern
rings um den Wasserfall, an den Ufern des Flusses oder in den
tiefen Höhlen und düstern Spalten — nicht ein einziger Fleck
glänzender Farbe war zu entdecken, nicht ein einziger Baum
oder Busch oder eine einzige Schlingpflanze trug eine Blume,
die hinlänglich auffiel, um in der Landschaft eine Rolle zu
spielen. Nach jeder Richtung hin fiel das Auge auf grünes
Laubwerk und gesprenkelten Felsen‘ ?).
Auch für Neuseeland wird angegeben?°), dass es im Walde
fast nirgends Blüthen und Blumen gibt. Während man hier
diesen Mangel vielleicht mit dem an Insecten in Beziehung
bringen könnte, trifft so etwas für den südamerikanischen Ur-
wald nicht zu, denn Bates sagt ausdrücklich (l. c., p. 134),
dass die zahlreichen bunten Schmetterlinge den Mangel an
Blumen ersetzen.
Aus den hier zusammengestellten Citaten soll also er-
sichtlich werden, dass zur Entstehung von Blüthen im Allge-
meinen mehr Licht erforderlich ist, als auf den Boden des
schattenspendenden Waldes, vor Allem des tropischen Urwaldes,
gelangt; die anderen Verhältnisse, welche solchen Oertlichkeiten
I) Reise in Chile, Peru und auf dem Amazonenstrome etc., Bd. II, p..347.
2) Der malayische Archipel. Deutsche Ausgabe, Bd. I, p. 337.
3) Hochstetter, Neuseeland.
eigenthümlich sind, wie die feuchte stagnirende Luft, kommen
hier weit weniger in Betracht. So sehen wir auch, dass für
viele tropische Pflanzen das so oft durch Wolken gedämpfte
Sonnenlicht im mittleren Europa oder das auch noch durch
die Scheiben der Glashäuser geschwächte Licht nicht genügt,
um die Anlage von Blüthen zu erzielen. Der Mangel an Hellig-
keit ist es, wie auch die Gärtner wohl wissen, der so viele
tropische Gewächse in den nördlichen Ländern nicht zum
Blühen kommen lässt, auch wenn sie sonst gut gedeihen. Denn
fehlte es nicht daran, sondern an der genügenden Wärme oder
Feuchtigkeit, so könnte dem ja leicht abgeholfen werden.
Was uns nun derartige
Beobachtungen über den Ein-
fluss des Lichtes auf die
Blüthenbildung lehren, das
wird bestätigt durch die zur
Untersuchung dieses Verhält-
nisses besonders angestellten
Experimente. Vöchting!) fin-
det, dass die Pflanze, um ihre Fig. 18. Mimulus Tilingi. A, B
Normale Blüthe von vorn und von der
s ; 2 Seite. (©, D Bei verminderter Beleuch-
Weise zu vollziehen, einer Be- tung‘ entstehende Blüthe von vorn
leuchtung bedarf, die nicht und von der Seite. E, F Durch ver-
minderte Beleuchtung noch mehr ver-
j kleinerte Blüthen von der Seite.
darf, deren Stärke aber bei (Nach Vöchting,)
Blüthenbildung in normaler
unter ein gewisses Maass sinken
den verschiedenen Arten sehr
ungleich ist. So z. B. bringt /mpatiens parviflora noch normale
Blüthen bei einer Beleuchtung hervor, in der Malva vulgaris
kaum noch Knospen erzeugt; Mimulus Tilingi bildet im Ge-
wächshaus noch normale Blüthen bei einer Beleuchtung, in der
Malva nur noch solche von halbem Umfange erzeugt. Im
I) Pringsheim’s Jahrbücher, Bd. XXV, Heft 2.
Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. y,
Allgemeinen werden bei abnehmender Beleuchtung die Blüthen
oder einzelne Theile derselben kleiner (Fig. 18), dann werden
nur die Knospen angelegt, ohne sich zu entfalten, schliesslich
unterbleibt auch die Anlage der Knospen. Am empfindlichsten
gegen Lichtmangel ist die Krone, am wenigsten empfindlich
sind die Pistille und Staubgefässe. Bei dem genannten Mimulus
treten bei zu geringer Beleuchtung an Stelle der Blüthen
vegetative Sprosse auf, die sonst in dieser Region des Sprosses
nicht entstehen würden.
Wir sehen dann ferner, dass die Zeit des täglichen Licht-
genusses von Bedeutung ist, indem Exemplare einer Pflanze,
die täglich I4 Stunden beleuchtet werden, reichlich blühen,
während andere Exemplare derselben Pflanzenart, täglich nur
7 Stunden beleuchtet, keine Blüthen ansetzen (nach Sachs).
In anderen Fällen wird durch Lichtentziehung eine Ver-
zögerung des Blühens bewirkt und so findet Decandolle,
dass die Gartenkresse im Schatten ı Tag später
„ Iberis amara 3, S 8. Tape len
„ der Lein = & TA ”
als am Licht blüht.
Sehr merkwürdige Erfolge in Hinsicht der Blüthenbildung
erhält man, wenn man Pflanzen oder Pflanzentheile in einen voll-
ständig dunkeln Raum bringt. Wenn man Pflanzen, die erst
später an ihren oberen Verzweigungen Blüthen entwickeln, ganz
im Dunkeln aus Samen, Knollen, Zwiebeln oder dergl. zieht,
so gelingt es kaum, sie bis zum Blühen zu bringen, schon
desshalb, weil ihr Wachsthum, das nur auf Kosten des in dem
Samen oder der Knolle enthaltenen Reservematerials und des
aufgenommenen Wassers erfolgt, ein sehr beschränktes‘ ist.
Trotzdem erhielt Sachs an vollständig etiolirten, dem Tages-
licht niemals ausgesetzten Keimpflanzen von Phaseolus vul-
garis, Vicia Faba und Cucurbita Pepo die ersten Anfänge der
Blüthenknospenbildung, doch deutlich genug, um nicht verkannt
I
zu werden. Wenn man dagegen die Zwiebeln und Knollen von
Pflanzen, wie Tulpen, Iris, Hyacinthen, Crocus u.a,
bei denen die Blüthen bereits sehr weit entwickelt sind, bevor
die Pflanzen austreiben !) (Fig. 19), im
Dunkeln zieht, so entfalten sich die
Blüthen vollständig normal, obgleich
die ganz etiolirten Blätter beweisen,
dass kein Licht zu den Pflanzen ge-
drungen ist.
Die Tulpen und Crocus erzeugen
nach Sachs auch die Farben der Blüthen
unter diesen Umständen in voller Pracht,
während blaublühende Hyacinthen Fig. 19. Längsschnitt
durch eine Zwiebel von
% : x Galanthus nivalis im Oc-
normaler Grösse aber in blasserer Fär- ober mit der jungen
bung produciren. Was die Pflanzen Blüthe im Innern. (N.d.
betrifft, bei denen die Blüthen erst N
später an den oberirdischen Organen angelegt werden, so
nach Askenasy die Blüthen zwar in
kommt es darauf an, zu welcher Zeit_ihnen das Licht 'ent-
zogen wird. „Bei Brassica, Tropaeolum, Papaver, Cucurbita
u. a. wird die Blüthenknospe unter der verdunkelnden Um-
hüllung der umgebenden Blätter angelegt, sie tritt aber, wenn
sie noch sehr klein und wenig ausgebildet ist, schon frühzeitig
an das Tageslicht frei hervor, um hier langsam heranzuwachsen
und sich endlich unter seinem Einfluss zu entfalten. Die in
das Finstere gestellten Pflanzen dieser Abtheilung zeigen, dass
die Blüthenknospen nicht zur Entfaltung gelangen, wenn sie
in zu früher Jugend dem Lichte entzogen werden; dagegen
erfolgt ihr Aufblühen und ihre normale Färbung auch im
1) Macht man im October einen Längsschnitt durch die aus der Erde
geholte Zwiebel von Galanthus nivalis, so sieht man in ihr schon die
ganze Blüthe, deren einzelne Theile, besonders die grossen gelben Antheren,
sich gut unterscheiden lassen. (Fig. 19.)
fe:
—. MIT
Finstern, wenn sie vorher einen mehr oder minder hohen Grad
der Ausbildung unter dem Einfluss des Tageslichtes erreicht
haben“ !). Noch merkwürdiger sind die Erscheinungen, welche
eintreten, wenn man von einer Pflanze, die am Licht wächst,
einen Spross, der auch unter normalen Verhältnissen Blüthen
entwickeln würde, in einen dunklen Raum einführt. Dann
bildet derselbe seine Blätter in etwas geringerer Grösse und
in blassgelber Färbung aus, die Blüthen aber producirt er
ganz normal, in derselben Grösse und meistens auch in der-
selben Farbe, wie die am Lichte entstehenden.’ Die Blüthen
im dunkeln Raum entwickeln auch functionsfähige Geschlechts-
organe, und es können aus ihnen, wenn nur für die Bestäubung
richtig gesorgt wird, reife Früchte mit keimfähigen Samen
entstehen. Das Material aber für die Ausbildung der Blüthen
und Früchte in dem dunkeln Raume wird von den nicht-
verdunkelten Theilen unter dem Einfluss des Lichtes produ-
cirt und in die verdunkelten Theile geleitet. Es findet in dem
dunkeln Raum nicht nur eine normale Entfaltung auch der
kleinsten in ihn eingeführten Blüthenknospen statt, sondern „in
einzelnen Fällen (Cucurbita, Petunia) sind die zuletzt im Finstern
entwickelten Blüthen bestimmt auch erst im Finstern durch
Neubildung entstanden, bei Cucurbita scheint es sogar, als ob
die Neubildung von Blüthenknospen durch Finsterniss geradezu
begünstigt würde.“ (Sachs, l. c. p. 235.)
Zur Erklärung dieser Erscheinungen hat Sachs eine Theorie
aufgestellt‚welchenicht nur diese, sondern auchandere Vorgänge?)
1) Sachs, Gesammelte Abhandlungen über Pflanzenphysiologie, Bd. I,
p. 208. An Axalea dahuriea beobachtete ich, dass ein grosses, in einem
Kübel wachsendes Exemplar, dass in dem halbdunkeln Vorraum des Ge-
wächshauses stand, Blüthen von derselben Grösse, aber nur etwa halb so
intensiver, rother Farbe bildete, als ein im Freien wachsendes Exemplar.
2) Von solchen möchte ich besonders hervorheben denjenigen, welchen
Sachs in seiner I. physiologischen Notiz (Flora 1892, p. 1) behandelt. Die
Sachs’sche Theorie wurde von mir auch schon oben zu Grunde gelegt,
wo es sich um die Periodicität im Blühen der Holzgewächse handelte.
NO
dem Verständniss näher bringt und die deshalb sehr annehm-
bar erscheint. Nach seiner Anschauung nämlich entstehen
aus den Assimilationsproducten zunächst blüthenbildende, spross-
bildende und wurzelbildende Stoffe, welche sich nach den
betreffenden Orten hinbegeben, wo den Wachsthumsgesetzen der
Pflanze gemäss Blüthen, Sprosse oder Wurzeln entstehen
sollen. Wie für jede Pflanze eine gewisse Lichtintensität noth-
wendig ist, um die Kohlensäure zu assimiliren, so ist auch
eine gewisse nnd zwar höhere Lichtintensität nothwendig,
um blüthenbildende Stoffe zu producieren, während spross-
und wurzelbildende Stofte zu ihrer Entstehung keiner so
hohen Lichtintensität bedürfen. Bei genügender, also hoher
Lichtintensität werden nun von den Blättern die blüthenbilden-
den Stoffe in genügendem Maasse producirt und aus diesen
Stoffen können auch ohne weiteren Lichtreiz die Blüthen sich
aufbauen, wie die im Innern von Zwiebeln und Knollen ange-
legten oder die an dem in einen dunkeln Raum geleiteten
Zweige entstehenden. Ist die Beleuchtung um ein weniges
zu schwach, so werden nicht genug blüthenbildende Stoffe
producirt und desswegen bleiben die Blüthen klein, wie bei
Malva und Mimulus in den erwähnten Versuchen von Vöch-
ting; ist schliesslich die Beleuchtung überhaupt nicht stark
genug zur Erzeugung blüthenbildender Stoffe, so können
Blüthen nicht einmal angelegt werden, vorausgesetzt, dass auch
von früher her kein blüthenbildender Stoff mehr in der Pflanze
ist. Vielleicht wird aber selbst den Samen etwas dieses Stoffes
von der Mutterpflanze mitgegeben und daraus würde sich die
Anlage der Blüthenknospen an etiolirten Keimpflanzen erklären.
Diese Theorie schliesst nicht aus, dass es in gewissen
Fällen auch zur Ausbildung und Entfaltung der Blüthen in
normaler Gestalt und Farbe noch des Lichtreizes bedarf, was
je nach den Pflanzenarten wieder in verschiedenem Grade der
Fall sein wird. So könnte es wohl eintreten, dass trotz des
u 10 R——
Vorhandenseins von blüthenbildenden Stoffen die Blüthe selbst
nicht richtig zur Entwicklung kommen kann. Denn das Licht
hat im Allgemeinen einen bestimmten Einfluss sowohl auf die
Neubildung, als auch auf das Wachsthum und die Entfaltung
der pflanzlichen Organe.
Wir haben bisher von dem Sonnenlicht im Allgemeinen
und von dessen grösserer und geringerer Intensität gesprochen.
Das Sonnenlicht ist aber bekanntlich kein einfaches Licht,
sondern setzt sich aus verschiedenen Farben zusammen, die
wir theils im Sonnenspectrum sehen, die aber theils auch für
unser Auge unsichtbar sind und nur aus ihren thermischen
und chemischen Wirkungen wahrgenommen werden. Wenn
nun auch unter natürlichen Verhältnissen die einzelnen Farben
des Sonnenlichtes nicht gesondert in Wirkung treten, so liegt
doch die Frage nahe, ob sie alle von gleicher Bedeutung für
die Blüthenbildung sind. Dies konnte bezweifelt werden, seit-
dem man weiss, dass für die Kohlensäureverarbeitung einerseits,
für die vom Licht abhängigen Bewegungserscheinungen anderer-
seits, ganz verschiedene Farben des Sonnenlichtes maassgebend
sind. Wirklich hat sich auch das interessante Resultat er-
geben, dass die Blüthenbildung nur von gewissen Lichtstrahlen
abhängt und zwar von denen, die, für unser Auge unsichtbar,
aus ihren chemischen Wirkungen erkannt werden. Sie liegen
ausserhalb des violetten Theils des Sonnenspectrums und
werden deshalb ultraviolette Strahlen genannt. Sie haben die
Eigenthümlichkeit, von einer Lösung von schwefelsauerem Chinin
in Wasser, durch welche man das Sonnenlicht scheinen lässt,
absorbirt zu werden, während alle anderen Lichtstrahlen unge-
hindert passiren. Für unser Auge ist natürlich kein Unter-
schied, ob man durch jene Lösung oder durch eine Schicht
reinen Wassers sieht: die Helligkeit ist in beiden Fällen die
gleiche. Lässt man aber Pflanzen hinter jener Lösung wachsen,
sodass sie kein anderes Licht erhalten, als das die Lösung
passirt hat, so kann man beobachten, welchen Einfluss das
Fehlen der ultravioletten Strahlen auf die’ Entwicklung der
Pflanzen hat. Diese von Sachs!) angestellten Versuche
führten nun zu folgendem überraschenden Resultat: „Die
hinter einer Wasserschicht gewachsenen Pflanzen (Kapuziner-
kresse, Tropaeolum majus) erzeugten normale Blüthen; die
hinter einer gleichdicken Schicht von schwefelsaurer Chinin-
lösung wuchsen zwar anscheinend ebenso normal und kräftig;
allein die Blüthenknospen blieben winzig klein und verdarben
nach wenigen Tagen“. Weitere Versuche zeigten sogar, dass
vielfach hinter Chininlösung nicht einmal Knospen angelegt
wurden und während an 20 Pflanzen hinter Wasser 56 Blüthen
entstanden, war von 26 Pflanzen hinter Chininlösung im Ganzen
nur eine verkümmerte Blüthe hervorgebracht worden.
Diese Sachs’schen Versuche wurden mit demselben Re-
sultat wiederholt von C. Decandolle?), welcher als Ver-
suchspflanzen ausser Tropaeolum auch Lobelia Erinus benutzte.
Wir müssen daraus also schliessen, dass für die Blüthenbildung
nicht das Sonnenlicht im Allgemeinen, sondern nur die ultra-
violetten Strahlen desselben nothwendig sind.
Da aber in Natur weder die ultravioletten Strahlen allein
noch das übrige Licht ohne dieselben gesondert in Wirksam-
keit tritt, so würden wir auch hieraus schliessen: ohne Licht
keine Blüthenbildung. Dieser Satz wird, wie nochmals zu be-
tonen, nicht umgestossen durch die im Dunkeln Blüthen
treibenden Knollen und Zwiebeln, denn in ihnen hat das Licht
vorher die Anregung zur Blüthenbildung erweckt. Wir müssen
aber noch hinzufügen, dass das Licht in verschiedener Inten-
sität je nach der Art der Pflanze zur Blüthenbildung noth-
I) J. Sachs, Ueber die Wirkung der ultravioletten Strahlen auf die
Blüthenbildung (Arbeiten aus dem bot. Institut in Würzburg, Bd. II, p.
372—388).
2) Archives des sciences physiques et naturelles. Gene&ve 1892. Per. III.
T. XXVII. p. 265.
— 4 —
wendig ist, wie wir dies auch im Vorhergehenden zu zeigen
versucht haben.
Dabei haben wir den Einfluss des Lichtes als eines für sich
allein wirkenden Factors betrachtet und es ist auch möglich,
dies zu thun, obgleich in der Natur meistens mit der Zunahme
der Beleuchtung auch eine Steigerung der Wärme verbunden
ist. Diese ist nun ein anderes, für die Blüthenentwicklung sehr
bedeutungsvolles Agens, wie ja überhaupt die meisten Lebens-,
erscheinungen der Pflanze von der Wärme abhängig sind. Es
ist bekannt, dass die einzelnen Phasen des Pflanzenwachsthums
an bestimmte, innerhalb gewisser Grenzen liegende Tempera-
turen gebunden sind, die je nach den betreffenden Pflanzen-
arten verschieden sind. So erfolgt die Keimung nur, wenn
ein bestimmter Wärmegrad erreicht ist, und wenn die Pflanze
sich weiter entwickeln und zur Blüthe gelangen soll, so muss
die Temperatur noch über die zum Keimen nothwendige er-
höht werden. Im Allgemeinen kann man sagen, dass eine
Pflanze ihre Entwicklung von der Keimung oder überhaupt
von der Entfaltung ihrer Organe an bis zur Blüthe und Frucht-
reife um so schneller durchläuft, je mehr Wärme ihr in be-
stimmter Zeit geboten wird.
So sehen wir besonders bei einjährigen Gewächsen, die in
Mitteleuropa im Sommer blühen, dass sie in südlichen Gegenden
ihre Blüthen schon im Frühling entfalten!). Es ist ebenso be-
kannt, dass die Treiberei der Gärtner darauf beruht, dass sie
den Pflanzen in erwärmten Treibhäusern eine höhere Temperatur
bieten, als sie gewohnt sind, und sie dadurch zu verfrühtem
Blühen bringen. Es könnten viele Beispiele angeführt werden
für die Verschiebung der Blüthezeit durch Vermehrung oder
Verminderung der Wärmemengen in bestimmter Zeit über das
I) Hildebrand,l. c. p. 104.
gewohnte Maass!). Dies lässt sich besonders beobachten, wenn
wir das Verhalten derselben Pflanze in Ländern mit ver-
schiedenem Klima vergleichen.
Wir beobachten ferner, dass einige Pflanzen, welche aus
der gemässigten Zone stammen, aber in einem Lande von sub-
tropischem oder tropischem Klima gezogen werden, fast das
ganze Jahr hindurch Blüthen tragen, wie es Fritz Müller‘)
für Erdbeeren, Veilchen und Vergissmeinnicht in Bra-
silien, v. Humboldt?) für die Reben in Cumana (Venezuela)
angibt. Auch in Chartum (Aegypten) kann man Rebstöcke sehen,
welche das ganze Jahr hindurch Blüthen und Früchte tragen.
Selbst sehr geringe klimatische Unterschiede können bewirken,
dass die Blüthezeit der Pflanzen eine beschränkte oder ausge-
dehntere ist, wie aus einer Beobachtung von Bates*) hervor-
geht, nach welcher manche Bäume, die bei Para und Santarem
am unteren Amazonenstrom nur einmal im Jahre blühen, bei
Ega am oberen Amazonenstrom das ganze Jahr hindurch Blüthen
und Früchte tragen. Ueberhaupt sind Pflanzen, die fast in
allen Monaten des Jahres blühen, in tropischen Ländern mit
gleichmässigem Klima nicht selten und Fritz Müller (l. c.)
erwähnt für Brasilien von solchen ARicinus, Musa, Abutilon,
Asclepias curassavica u. a. In unseren Breiten kann durch
grössere Wärme wenigstens ein zweimaliges Blühen hervor-
gerufen werden, indem nämlich, nachdem die erste Blüthe im
Frühling: normal verlaufen ist, der Sommer einen ausnahmsweise
grossen Wärmeüberschuss liefert und dadurch die angelegten,
aber eigentlich für das nächste Jahr bestimmten Blüthenknospen
I) Vergl. hierzu den Aufsatz von Askenasy über die jährliche Periode
der Knospen, in: Botanische Zeitung, 1877, p. 793 ft.
2) Engler’s botan. Jahrbücher, Bd. II, p. 392 und 394.
3) Nach G. Jacob, Untersuchungen über zweites oder wiederholtes
Blühen. Inaug.-Diss. Giessen 1889, p. 33. Daselbst findet sich auch die
Angabe über die Rebstöcke in Chartum.
4) 1. c., p. 275.
= Mob. ı—
noch in demselben Jahre zur Entfaltung bringt. Dass hierbei
die abnorme Wärme wirklich der maassgebende Factor sei,
glaubt Jacob in seiner oben citirten Dissertation an mehr als
50 Beispielen nachweisen zu können, denn bei allen ist ein,
zum Theil recht bedeutender, Wärmeüberschuss zu verzeichnen.
Es möge hier genügen, das dort!) als neuntes angeführte Bei-
spiel zu citiren, wobei nur zu bemerken ist, dass sich die
Beobachtungen auf Giessen beziehen: Centaurea Cyanus blühte
1883 zum ersten Male am 26. April, zum zweiten Male am
22. Oktober; nach dem Mittel aus 26 Jahren fällt ihre Blüthe
auf den 31. Mai. Es ergibt sich nun:
Insolations-Summe vom I. I. bis 26. IV. 1883 — Ib’
2 £ » »n.» 31V. (im Mittel) —2604 0
aa x a a FAST ESR — 768172
* = 2-2» nn... (Im Mittel) Zaren |
Wärmeüberschus + 611°’ C.
Im Gegensatz zu diesem doppelten Blühen in Folge von
erhöhter Wärme steht das gänzliche Ausbleiben der Blüthe in
einzelnen Jahren, in denen die zur Blüthenbildung nothwendige
- Temperatur nicht erreicht wird. Wenn auch die Insolations-
Summen kein ganz richtiges Bild von der in einem gewissen
Zeitraume herrschenden Temperatur geben, so sollen doch auch
hier noch zwei Beispiele aus der Abhandlung von Jacob citirt
werden, weil sie die Verhältnisse in durch Zahlen fassbarer
Weise darstellen. Die Beobachtungen beziehen sich wieder auf
Giessen. „Crocus sativus blüht im Mittel von 16 Jahren am
ı2. Oktober. Im Jahre 1866 kam er nicht zum Blühen wegen
der ungenügenden Insolations-Summe. Es betrug nämlich:
ı) l. c., p. 22. Die Insolations-Summe (d. h. die eingestrahlte Wärme-
summe) wird ermittelt durch Summirung der täglich höchsten Stände eines
der Sonne bleibend ausgesetzten Quecksilberthermometers vom I. Jan. ab
bis zum Eintritt einer bestimmten Phase. (Anm. l. c., p. 7.)
Insolations-Summe vom 1. I. bis I2. X. 1866 —=67255.%C
„ ” DR} ,) 3) „) ” „) (im Mittel) —= 6896 C
Es fehlten also noch 173% G:
„1867 hat Helianthus tuberosus, der im Mittel von 8 Jahren
am II. Oktober blüht, nicht geblüht:
Insolations-Summe vom 1. I. bis It. X. 1867 =—=0704.NE
” ” ab] ) ” ’) „ ”„ (im Mittel) TE 6875 R C
Es fehlten also noch BALNACH
Es sind nun Crocus sativus und Helianthus tuberosus
Pflanzen, welche aus wärmeren Ländern stammen, und bei
solchen kann das Blühen in dem kälteren Lande, in welchem
sie cultivirt werden, häufig aus Mangel an Wärme unterbleiben.
Man sieht dies z. B. an dem aus dem heissen Mexiko stammenden
und dort, wie in manchen anderen tropischen Ländern, als
Futterpflanze angebautem Gras, Euchlaena mexicana, das selbst
im südlichen Europa selten blüht !).
Ferner findet man bei Pflanzen mit einem grossen natür-
lichen Verbreitungsgebiete, dass sie in der wärmeren Region
desselben früher und leichter blühen, als in der kälteren, ja bei
einigen, dass sie in der wärmeren Region allein blühen, in der
kälteren dagegen keine Blüthen treiben. Sie können sich
desshalb hier auch nicht durch Samen fortpflanzen und sind
auf die Vermehrung auf ungeschlechtlichem Wege (durch Ab-
leger u. s. w.) angewiesen. So blühen die Lemnaceen mit
reichlicher ungeschlechtlicher Vermehrung in der gemässigten
Zone selten und Wolfia arrhiza gelangt in Mitteleuropa nie zur
Blüthe, wohl aber in den wärmeren Gegenden, wo sie auch
weit verbreitet ist?). Andere hierher gehörige Beispiele führt
Kerner in seinem „Pflanzenleben‘“ an (Bd. II, p. 449): Nar-
dosmia fragrans, eine Composite, ist über den grössten Theil
D.Cont. Hackelin: Engler und Prantl, p: 19.
2) Engler, Lemnaceen in: Engler und Prantl, p. 159.
— 108 —
des arktischen Gebietes verbreitet, aber nur an der Südgrenze
dieses Gebietes treibt sie Blüthen und Früchte, während sie
weiter nordwärts „noch keines Menschen Auge jemals blühen
gesehen hat“. Aehnlich ist es mit gewissen Pflanzen, welche
hoch hinauf in die Gebirge gehen, wie Adenostylis Cacaliae
(ebenfalls eine Composite) in den Alpen. In den Voralpen-
wäldern und selbst noch über der Waldgrenze blüht die Pflanze
in Menge, in der alpinen Region dagegen, in der Seehöhe über
2200 Meter kommt sie niemals zur Blüthenbildung. Polygonum
amphibium blüht in den Niederungen reichlich, wurde aber in
der Höhe von 1200 Metern in den Tiroler Bergen in einer Form
gefunden, die sich nur durch Stocksprosse vermehrt. Also
auch hier findet eine Unterdrückung der Blüthenbildung durch
die in der Höhe vorhandene Temperaturerniedrigung statt.
Gerade an den genannten Gebirgspflanzen wie an den ark-
tischen zeigt es sich deutlich, dass es der Mangel an Wärme
und nicht an Licht oder einem anderen Umstand ist, der das
Blühen verhindert.
Um so auffallender ist die Erscheinung, dass höhere Wärme
auch ein Unterdrücken der Blüthenbildung bewirken kann, wie
sich an Pflanzen zeigt, die aus einem kälteren in ein wärmeres
Klima versetzt werden. Dies geben Edwards und Colin!)
für die Cerealien, speciellden Weizen an. Eine Weizenart,
welche sich in England ein- und zweijährig ziehen liess, wurde
in das wärmere Frankreich verpflanzt und blieb hier im ersten
Jahre nach dem Keimen immer ohne Blüthe; erst im zweiten
Jahre trat Blüthenbildung ein. Die genannten Autoren citiren
auch in diesem Sinne die Angabe von Humboldt?), dass in
der tropischen Region Mexikos, bei Jalapa, der Weizen immer
ı) Annales des sciences naturelles. Botanique, Il. Ser., T. 5, p. 5—23.
2) Diese Angabe von Humbtoldt findet sich in seinem Werke über
Neuspanien (neueste Cotta’sche Ausgabe) Bd. X, p. 36.
nur Blätter, niemals Aehren treibt und deshalb dort nur als
Grünfutter verwendet werden kann.
Auch Babinct!) (1856) hat diese Erscheinung beobachtet
und sagt: „In den wärmeren Ländern Afrikas, Asiens und
Amerikas, wo kein Winter die Cerealien tödtet, lebt ihre Pflanze
so fort, wie bei uns das Gras: sie vermehrt sich durch Schöss-
linge, bleibt stets grün und bildet weder Aehren noch Samen.“
Ferner schreibt Fritz Müller?) aus Brasilien, dass die meisten
zweijährigen Pflanzen kälterer Länder dort zwar üppig ins
Kraut gehen, aber niemals blühen. Er hat Echium vulgare
aus Samen gezogen und die Pflanzen Io Jahre lang erhalten,
ohne dass sie blühten. Ebenso trugen Kümmel, Kohl,
Rüben, Petersilie u. s. w., aus europäischem Samen ge-
zogen, kaum jemals Blüthen; auch Sellerie, sagt er, scheint nie
zu blühen. Die Ursache davon liegt nach F. Müller in dem
Fehlen einer Winterruhe, doch ist es wohl weniger die Winter-
ruhe als die niedere Temperatur, deren Fehlen den Blüthen-
ansatz verhindert, wie weiter unten noch zu erläutern ist. Hin-
gegen sehen wir die Bedeutung der Erscheinung für das
Pflanzenleben ganz gut ein. Wir können sagen, dass die
Pflanze in ihrer Heimath am Ende ihrer zweijährigen Lebens-
dauer blüht, um Samen anzusetzen und damit die Art zu er-
halten, dass aber in den heissen Ländern die Existenz des In-
dividuums durch keine Winterkälte gefährdet wird und damit
die Erhaltung der Art durch die lebenden Individuen gesichert
scheint. Die Pflanze hat sich aber den veränderten Verhält-
nissen noch nicht vollkommen angepasst, denn nach einer
längeren Reihe von Jahren gehen die Individuen doch zu
Grunde ohne für Ersatz gesorgt zu haben.
Es beruht also weniger auf der erhöhten Temperatur als
I) Citirt von Schopenhauer in dessen „Willen in der Natur“ im
Kapitel „Pflanzenphysiologie“.
2)rL c., p. 39.
— ‚5,140,
vielmehr auf der Gleichmässigkeit derselben während des ganzen
Jahres, dass manche europäische Pflanzen in den Tropen nicht
zur Blüthe kommen, besonders wenn zu dieser ununterbrochenen
Wärme noch eine immer genügende Feuchtigkeit der Luft und
des Bodens hinzukommt. Bekannt ist dies auch für die euro-
päischen Obstbäume, die gewohnt sind, zu bestimmter Zeit ihre
Blätter zu entfalten und zu bestimmter Zeit ihre Blüthen an-
zulegen, welche Perioden durch die Unterschiede der Jahres-
zeiten regulirt werden. In die Tropen!) versetzt, bilden sie
aber unter dem Einfluss der gleichmässigen Wärme und Feuchtig-
keit immer neue Laubtriebe aus und es bleibt keine Zeit für
die Blüthenanlage. Boulger?) spricht von Obstbäumen im
Allgemeinen und sagt: „When the fruittrees of northern climates
are transported to more tropical ones, when in a rich, moist
sol, or in a mild, moist atmosphere, their continous growth
prevents blossoming.‘“‘ Ebenso ist es wohl auch zu verstehen.
wenn De Candolle?) sagt: „On sait combien la culture de
nos Pommiers, Poiriers, Cerisiers etc. devient languissante
vers le Midi et s’arröte ä l’approche de pays voisins des tropi-
ques“ und dann „Transports a Ceylon les Cerisiers ne perdent
pas leurs feuilles“. Humboldt bemerkt in dieser Hinsicht:
„Es ist sehr auffallend, wie gewisse Pflanzen bei dem kräftigsten
Wuchse in gewissen Lokalitäten nicht blühen; so zwischen
den Tropen die bei Quito seit Jahrhunderten angepflanzten
europäischen Oelbäume (9000 Fuss hoch über dem Meere);
so auf lle de France Wallnüsse, Haselnusssträucher
und wiederum schöne Oelbäume (Ölea europaea)“*). Wenn
ı) Auf Madeira dagegen, wo die Birnbäume noch kein tropisches
aber doch ein bedeutend wärmeres Klima als in ihrer Heimat finden, sollen
sie an manchen Oertlichkeiten jährlich zweimal blühen und Früchte tragen.
(Diss. v. Jacob, p. 28.)
2) Gardener’s Chronicle, 1878, I, p. 790.
3) Geographie botanique raisonn&e, Bd. I, p. 391 u. 392.
4) In Anmerkungen zu: Ansichten der Natur (neueste Cotta’sche
Ausgabe), Bd. XI, p. 267.
— IE
hier auch die Ursache der Erscheinung nicht erörtert wird, so
ist doch kein Zweifel, dass das gleichmässige feuchtwarme Klima,
wie es besonders auf Mauritius herrscht, in der oben ange-
gebenen Weise die Blüthenbildung verhindert.
Wir haben also in diesem Falle auch schon die Feuchtig-
keit berücksichtigen müssen, als einen Umstand, der die Aus-
bildung der vegetativen Triebe einer Pflanze ebenso sehr be-
fördert, wie er das Blühen hemmt. Auf diese Verhältnisse werden
wir sogleich noch näher einzugehen haben. Es ist hier bloss
noch, was die Wärme betrifft, darauf aufmerksam zu machen,
dass eine plötzliche Erhöhung der Temperatur vor dem Blühen
in der Regel störend auf die Entwicklung der Pflanze und
somit auch auf die Ausbildung der Blüthe einwirkt. So etwas
kann in der Natur zuweilen auftreten, wird aber besonders bei
der künstlichen Pflanzenzucht beobachtet. Man pflegt bekannt-
lich viele Pflanzen, um ihre Blüthen eher zu haben, als sie die-
selben in der Natur entwickeln, im Gewächshaus durch Wärme
anzutreiben; aber hier kann es geschehen, dass, wenn die
Temperatur mit einem Male zu schnell erhöht wird, die bereits
angelegten Blüthen sich nicht entwickeln. Ein solches Stecken-
bleiben der Blüthen ist beobachtet worden bei Tulpen,
Hisaeinthen, Crocus, Convallarien, Syringen!).
Es ist schwer zu sagen, warum die zu starke Temperatur-
erhöhung hemmend auf die Blüthenentfaltung wirkt, es steht
zwar in Einklang mit den Beobachtungen, welche oben mit-
getheilt wurden über das Unterbleiben der Blüthe bei aus nörd-
lichen Gegenden stammenden und in tropische Regionen ver-
setzten Pflanzen, es widerspricht aber den anderen Beobach-
tungen, welche gerade unter solchen Verhältnissen eine erhöhte
oder häufiger wiederholte Blütbenbildung ergeben. Sachs hat
die Frage in seiner Abhandlung über die Abhängigkeit der
ı) Hildebrand,l.c. p. 96.
— AD
Keimung von der Temperatur !) mit berücksichtigt und glaubt
annehmen zu müssen, dass für den Eintritt der Blüthenperiode
eine Verminderung des Temperaturmaximums der Vegetation
nöthig sei, oder dass der Eintritt der Blüthe und Fruchtbildung
nicht erfolgt, wenn die Temperatur ein Maximum übersteigt,
welches niedriger liegt als das für die eigentlichen Vegetations-
processe, für Stamm- und Blattbildung.
„Wenn wir den Keimungsprocess, die Bildung der Blätter,
das Blühen und das Reifen der Früchte in Bezug auf die
Temperatur derjenigen Zeiten, wo diese Processe im Freien ge-
wöhnlich eintreten, betrachten, so kommt man zu einer physio-
logisch merkwürdigen Folgerung. Es zeigt sich, dass das
Keimen und die Blüthenentfaltung sehr häufig bei niederen
Temperaturen eintreten, die völlige Ausbildung der Blätter und
der Früchte aber fast immer an höhere Temperaturen gebunden
erscheint. Dieser Unterschied fällt freilich ganz hinweg bei
solchen Pflanzen, wo die Blüthen einzeln und nach und nach
neben der Blattbildung auftreten. Wo dagegen ein abge-
schlossener Blüthenstand nach vollendeter Blattbildung sich
rasch entfaltet, da lässt sich im gewöhnlichen Laufe der Dinge
eine gewisse Beziehung zu der Temperatur kaum verkennen.“
Wie Sachs selbst später hinzufügt, bedarf es neuer, sehr
ausgedehnter Untersuchungen zur Lösung der hier sich auf-
thuenden Probleme. Wir müssen uns begnügen, die Wirkungen
der Temperatursteigerung und -verminderung auf die Blüthen-
bildung, soweit zuverlässige Beobachtungen darüber vorliegen,
hier zusammenzustellen. So haben wir denn gesehen, dass ein
gewisses Wärmemaass für das Blühen nothwendig ist, dass eine
Pflanze ebenso das Blühen unterlässt, wenn sie in zu kaltem
Klima wächst, wie eine andere, wenn sie in ein zu heisses
Klima versetzt wird. In beiden Fällen kommen aber ver-
I) Gesammelte Abhandlungen etc., Bd. I, p. 75 u. 76.
schiedene correlative Wachstumsverhältnisse mit ins Spiel.
Auch den mit dem Einfluss der Temperatur Hand in Hand
gehenden Einfluss der Feuchtigkeit auf das Blühen haben wir
theilweise nicht ganz ausser Acht lassen können.
Wir wollen jetzt versuchen, den letzteren möglichst für sich
zu betrachten, denn gerade dieser Umstand, die grössere oder
geringere Feuchtigkeit scheint sehr wesentlich für das
Blühen zu sein und zwar in dem Sinne, dass es durch ver-
minderte Zufuhr von Feuchtigkeit zu der Pflanze begünstigt
wird. Wir können dies sowohl aus den von der Natur ge-
botenen Verhältnissen entnehmen, als auch aus den Methoden,
welche die Pflanzenzüchter anwenden, um die Pflanzen zur
Blüthenproduction zu veranlassen.
Trockenheit und Feuchtigkeit verhalten sich in ihrer Wir-
kung auf die Entwicklung der Pflanze ähnlich wie starke und
schwache Beleuchtung: bei starker Beleuchtung und Trocken-
heit findet eine erhöhte Blüthenproduction auf Kosten der
Laubbildung statt, bei schwacher Beleuchtung und Feuchtig-
keit entwickeln sich die Laubtriebe stärker und die Blüthen-
bildung wird unterdrückt. Der Zusammenhang dieser Fr-
scheinung ist auch hier nicht näher erklärt. Man kann wohl,
wie es Sorauer!) thut, darauf hinweisen, dass bei der Laub-
triebbildung meist ein stärkeres Längenwachsthum eintreten
muss, und dass zur Streckung der Organe mehr Wasser auf-
genommen werden muss, allein dies scheint doch nicht zuzu-
treffen, wo grosse, schnellwachsende Blüthen an Stelle ge-
drungener Laubsprosse producirt werden, wie z. B. bei Cac-
teen. Wenn ferner Sorauer sagt, dass bei andauernder
Trockenheit das plastische Material gleichsam concentrirter
wird und sich reichlicher in Form von Reservestoffen nieder-
schlägt, die zur Ausbildung von Blüthenknospen nothwendig
ı) Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl., ı. Theil, p. 161.
Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. 8
sind, so ist damit nicht erklärt, warum die Reservestoffe gerade
zur Ausbildung von Blüthenknospen und nicht zu der von
Laubknospen verwendet werden, indem doch letztere eigent-
lich mehr Material erfordern. Indessen bleibt es richtig, dass
die Trockenheit auf das Blühen eine fördernde Wirkung hat
und in vielen Fällen sehen wir auch den Nutzen dieser Er-
scheinung für das Leben der Pflanze und die Erhaltung der
Art ein.
Es könnte nun vielleicht Jemand erwarten, wenn grössere
Feuchtigkeit das Blühen hindert, dass dann die im Wasser
wachsenden Pflanzen am wenigsten in der Lage sein müssten,
zum Blühen zu gelangen. Allein die eigentlichen Wasserge-
wächse besitzen doch eine besondere Organisation, die dem
Leben im Wasser angepasst ist, und es gibt viele solcher
Pflanzen, die reichlich blühen, wie die betreffenden Ranunculus-
(Batrachium)-Arten und die Nymphaeaceen. Dass dagegen
andere selten blühen, hängt damit zusammen, dass bei ihnen
die geschlechtliche Vermehrung mehr oder weniger durch die
Bildung ungeschlechtlicher Propagationsorgane zurückgedrängt
wird, wie wir es bei den meisten Lemnaceen,!) bei Zlodea ca-
nadensis und Cymodocea antarctica finden. Die letztgenannten
drei Pflanzen führt Kerner in seinem „Pflanzenleben“ (Bd. II,
. p- 452) als Beispiele dafür an, dass durch zu hohen Wasser-
stand die Blüthen- und also auch die Fruchtbildung der
Wasserpflanzen gehindert werden kann, dass diese Pflanzen
sich desswegen theilweise das Blühen abgewöhnt haben und
sich dafür durch „Ableger“ vermehren. Er scheint dabei das
ganz verschiedene Verhalten von Lemna, Elodea und Cymodocea
vollständig übersehen zu haben: Lemna nämlich ist als auf der
I) Ueber das Blühen von Lemna handelt eine Arbeit von L. Vuyck
(Bot. Jaarboek der Dodonaea 1895). Früchte wurden darnach in Holland nur
bei Lemna trisulca gefunden, bei den meisten Arten scheint, wenn es die
Pflanze auch zur Blüthe bringt, nur selten eine Bestäubung stattzufinden.
Oberfläche schwimmende Wasserpflanze vom Wasserstande gar
nicht abhängig, ebensowenig dürfte es Cymodocea sein, weil
die Befruchtung doch immer unter Wasser vor sich geht.
Nur Elodea muss ihre Blüthenstiele oder Fruchtknoten bis an
die Oberfläche des Wassers strecken und kann diese vielleicht
manchmal nicht erreichen; ihre durch üppiges Wachsthum
starke vegetative Vermehrung hängt aber wohl nicht damit
zusammen.
Wir wollen also von den eigentlichen Wasserpflanzen, auf
die wir unten noch einmal zu sprechen kommen, hier absehen
und vielmehr solche Pflanzen in Betracht ziehen, die theils
an feuchten, theils an trockenen Standorten vorkommen.
'„Dass die Feuchtigkeit eine die Blüthezeit retardirende Wir-
kung auf die Pflanzen hat, können wir leicht bei unseren
Culturen sehen, wo einestheils die gleichen Culturpflanzen sehr
verschiedenzeitig ihre Früchte reifen, je nachdem sie an Stellen
stehen, wo sie trockenem Luftzuge ausgesetzt sind, oder wo
sie in stagnirender feuchter Luft wachsen; anderntheils be-
merken wir auch in den verschiedenen Jahren das verschieden-
zeitige Reifen der Früchte nicht so sehr durch niedere Tem-
peratur, wie durch eine grössere Feuchtigkeit der Luft hervor-
gebracht“!) So sollen sich auch nach dem eben citirten
Autor durch die Feuchtigkeit des Standortes aus kurzlebigen
Gewächsen langlebige ausbilden, indem sie „auf einem feuchten
Boden bei sonst günstigen klimatischen Verhältnissen“ die
erste Zeit ihres Lebens nur zum Vegetiren benutzen und
gegen das Ende der Vegetationszeit nicht zum Blühen kommen,
sondern Reservenahrung aufspeichern für den Anfang der
nächsten Vegetationsperiode ?). |
Was nun specielle Beobachtungen betrifft, so kann zunächst
an das oben geschilderte Verhalten der Obstbäume aus
lildebrand l.c., p. 08.
2) Hildebrand l. c., p. 106-107.
g*+
me
Mitteleuropa erinnert werden, die in einem gleichmässig
feuchten und warmen Klima nicht aufhören, Laubtriebe zu
bilden und nicht dazu kommen, Blüthen anzulegen und zu
entfalten. Ferner bemerken wir, dass in manchen Ländern,
wo der Wechsel der Jahreszeiten wesentlich durch den Wechsel
von Regen- und Trockenperioden bedingt ist, die Gewächse
ihr Laub in der nassen, ihre Blüthen in der trockenen Periode
entwickeln. Für den Sudan, der ein entsprechendes Klima
hat, gibt Grisebach!) an, dass die Bäume ihre Blüthen
meist am Ende der trockenen Periode vor den Blättern ent-
falten, welche erst nach dem Beginn der Regenzeit aus den
Knospen hervorkommen. In Australien dagegen sollen die
Bäume des Scrub und der Waldsavannen die nasse Jahreszeit
vorzüglich zum Wachsthum der vegetativen Organe verwenden
und die meisten erst dann blühen, nachdem der Regen vorüber
ist?). Hier handeit es sich also nur um die durch die Feuch-
tigkeit bedingte Blüthezeit, nicht um das Blühen oder Unter-
bleiben desselben überhaupt. Dass aber das Erscheinen der
Blüthen überhaupt erst durch eine gewisse Trockenheit hervor-
gerufen werden kann, geht aus den Beobachtungen von War-
ming°) in der Gegend von Lagoa Santa bei Rio de Janeiro
hervor. Es ist ihm aufgefallen, dass viele Pflanzen auf den,
OQueimadas genannten, von den Indianern abgesengten Campos
mit Vorliebe ihre Blüthen entwickeln, während sie auf den
nicht verbrannten Campos nur selten zur Blüthe kommen. Im
Anschluss an diese Erscheinung darf vielleicht eine Beobach-
tung von G. Jacob erwähnt werden, die von ihm selbst aller-
dings anders gedeutet wird. In seiner schon öfter citirten
Dissertation berichtet er (p. 28), dass bei einer grossen Feuers-
brunst in Heuchelheim bei Giessen die gewaltige Hitze eine
I) Die Vegetation der Erde (1884), Bd. II, p. 113.
2) Grisebachl. c. p. 206.
3) Bot. Centralblatt., Bd. LIV, p. 120.
— I7 —
Menge von Bäumen in den nahe gelegenen Obstgärten ver-
brannte oder verkohlte. „Manche waren völlig gedörrt oder
geröstet, andere dagegen nur oberflächlich angesengt, je nach
der Entfernung. Laub und Früchte schrumpften vielfach und
fielen grösstentheils bald ab. Am 8. October wurden an
mehreren versengten Birnbäumen zahlreiche und völlig ent-
wickelte Blüthen beobachtet, theils an einzelnen Zweigen, theils
ganze Aeste voll, oft neben grossen, schönen, vom Brande
nicht verletzten Früchten; daneben waren schon viele junge
Blätter in herrlichem Frühlingsgrün zu’ sehen und fast ganz
ausgewachsen. Diese Erscheinung wurde, in Anbetracht des
nichts weniger als warmen Herbstes, anderweitig in der Gegend
nicht beobachtet.“ Verf. glaubt, dass dieser Fall über den be-
fördernden Einfluss der Temperatur für sich allein auf das
Phänomen des zweiten Blühens keinen Zweifel übrig lässt.
Mir scheint aber gerade hierbei der Einfluss der Temperatur-
erhöhung in seiner Wirkung sehr zweifelhaft, besonders wenn
wir berücksichtigen, was oben (p. III) über den nachtheilgen
Einfluss gesteigerter Wärme vor der Blüthenentfaltung auf
diese gesagt worden ist; ich glaube desshalb vielmehr, dass es
nur die Austrocknung der Pflanzen durch den Brand gewesen
sein kann, durch die sie zum zweiten Blühen veranlasst wurden
und möchte daher das Ereigniss als einen Beleg für den be-
fördernden Einfluss der Trockenheit auf das Blühen ansehen.
In dieser Hinsicht können wir ferner die Beobachtungen
von Wollny!) über das Blühen der Kartoffeln anführen.
Es ist von diesen Pflanzen bekannt, dass die in den gemässigten
Zonen cultivirten Varietäten eine sehr beschränkte Blüthen-
bildung haben. Die meisten Sorten kommen gar nicht zum
Blühen, einzelne nur in manchen Jahren und nur einige wenige
entwickeln öfter oder sogar regelmässig Blüthen und Früchte.
ı) In Wollny’s „Forschungen auf dem Gebiete der Agriculturphysik“,
Bd. X, 1888, p. 214—218.
— 13 —
In ihrem Vaterlande Chile dagegen bildet die Kartoffel, sowie
die ihr verwandten Arten in jeder Vegetationsperiode Blüthen
aus. Das Klima im Innern des nördlichen Chile, wo die Kar-
toffel wildwachsend vorkommt, zeichnet sich aber durch grosse
Trockenheit und geringe Bewölkung aus, während im mittleren
Europa die Pflanze eine grössere Bodenfeuchtigkeit geniesst
und durch die häufige Bewölkung des Himmels die Sonnen-
strahlen die Luft nicht so austrocknen können. Werden aus-
nahmsweise die klimatischen Verhältnisse hier den chilenischen
ähnlich, d. h. tritt eine längere Trockenperiode und stärkere
Insolation ein, so blühen auch hier viele Kartoffelvarietäten,
die bei feuchter Witterung und schwächerer Beleuchtung nie-
mals Blüthen entwickeln. Diese Erscheinung beobachtete
Wollny besonders in den Jahren 1876, 1886 und 1887 in
München, als die Niederschläge dort nur spärlich waren. Die
Colocasie (Colocasia antiguorum), welche in den Tropen theil-
weise die Kartoffel ersetzt, scheint auch nur an besonders
trockenen Stellen zu blühen. Wenigstens berichtet Schacht),
dass er von dieser Pflanze, deren Blüthe überhaupt zu den
Seltenheiten gehört, nur einmal auf einem ziemlich trockenen
Acker alle Stöcke in Blüthe fand. Im einen sumpfigen, hu-
musreichen Boden, sagt er, scheint sie niemals zur Blüthe zu
gelangen.
Hier kann auch noch eine schon von Darwin?) citirte
Stelle von Kalm angeführt werden: nach demselben sollen
mehrere amerikanische Bäume, welche in Marschländern oder
in dichten Wäldern so reichlich wachsen, dass sie sicher der-
artigen Standorten gut angepasst sind, kaum jemals Samen
produciren, wenn sie dagegen zufällig an dem Aussenrande
des Marschlandes oder des Waldes wachsen, mit Samen
I) Schacht, Madeira und Tenerifa mit ihrer Vegetation, p. 42.
2) Variiren der Thiere und Pflanzen etc. Deutsch v. Carus. Stuttgart
1873. "Bd, DL, P:.195.
überladen sein. Es wird hier freilich nichts über das Blühen
gesagt, aber es ist doch anzunehmen, dass die samenlosen
Bäume auch nicht geblüht haben. Dieses würde dann eine
Folge der Feuchtigkeit sein, die im Innern des Waldes oder
inmitten "des Marschlandes herrscht, während am Rande die
grössere Trockenheit das Blühen nicht hindern würde.
Ferner haben wir schon oben gesehen, dass die mitteleuro-
päischen Waldbäume erst spät zur Blüthe kommen und dass
“ manche nicht alle Jahre blühen: auch dies hängt mehr oder
weniger von Trockenheit und Wärme ab.
In ersterer Hinsicht kann ich aus dem Frankfurter botani-
schen Garten mittheilen, dass im Sommer 1893, der sammt dem
Frühling dieses Jahres sich durch grosse Trockenheit aus-
zeichnete und dem ein ebenfalls sehr trockener Sommer (1892)
vorausgegangen war, folgende Holzgewächse zum ersten Male
geblüht haben: Fraxinus Ornus, Rhus Cotinus, Cedrela sinensis,
Sorbus domestica, Pterostyrax hispida (d. h. in den im Garten
vorhandenen Einzelexemplaren, Sträuchern oder Bäumen). Es
ist nun freilich nicht möglich nachzuweisen, dass diese Bäume
und Sträucher noch nicht geblüht haben würden, wenn die
Sommer 1892 und 1893 nicht so trocken und warm gewesen
wären, allein es ist sehr wahrscheinlich, dass ihr erstmaliges
Blühen auf die vorangegangene Trockenheit zurückzuführen ist,
besonders da im Sommer 1893 manche andere Bäume ganz
auffallend reich blühten, wie Koelreuteria paniculata, und
Broussonetia papyrifera, andere, wie Sophora japonica fast einen
Monat früher als sonst zur Blüthe gelangten. Aus seinem
botanischen Garten in Middelburg (Holland) berichtet Herr
Buijsman, dass Ferula Narthex (Asa foetida) im Frühjahr
1896 zur Blüthe gekommen ist, ein Ereigniss, welches bei dieser
persischen Steppenpflanze in Europa sehr selten eintritt. Er
weist darauf hin, dass die Trockenheit des vorausgegangenen
mE
Winters und des Frühjahrs!) „zweifelsohne dazu beigetragen
hat, das Blühen hervorzubringen, weil die Ferula doch eine
Wüstenpflanze ist.“
Was nun das wiederholte Blühen betrifft, so reagirt be-
sonders deutlich die Buche (Fagus sylvatica) auf die Feuchtig-
keit und Trockenheit. Es wird angegeben ?), dass sie in dem
kühlfeuchten Meeresklima von England oder Rügen seltener
blüht als auf dem Continent. Hier kann man bei diesem Baume
beobachten, dass besonders reiche Blüthen- und Fruchtbildung .
in den Jahren erfolgt, deren Vorjahr sich durch einen trocken-
heissen Sommer auszeichnet; denn die Blüthen werden bereits
im Vorjahre angelegt. Nasskalte Sommer haben die entgegen-
gesetzte Wirkung, wie sich aus dem schlechten Bucheljahr
ergeben hat, das 1895 auf den nasskalten Sommer und Herbst
1894 folgte. Ein solches Verhalten zeigen aber nicht nur die
Buchen, sondern auch andere Bäume. So blieben auf den nass-
kalten Sommer 1860 z. B. im Jahre 1861 ganz ohne Blüthen:
Picea vulgaris und Abies canadensis, die meisten Ahornarten
und viele andere Bäume.
Vielleicht kann hier auch hingewiesen werden auf eine
Beobachtung
o-)
Auftreten einer zweiten Blüthe in dem nämlichen Jahre von der
wonach das bei einigen Bäumen nicht zu seltene
Trockenheit abhängig sein soll. Magnus?) beobachtete näm-
lich (Wien, 1873) an Aesculus Hippocastanum, dass die auf
feuchtem Grunde wurzelnden Bäume im Herbst ihre Blätter frisch
und grün behielten. Wo sie aber auf relativ trockenem Boden
standen, hatten viele Bäume ihr Laub im October fast ganz ver-
loren und blühten zum zweiten Mal. Nach G. Jacob (l. c., p. 16)
ı) Viel mehr wohl die Trockenheit des Herbstes 1895.
2) Diese und die folgenden Angaben aus Nördlinger’s Forstbotanik
Bd. I, p. 241—243.
3) In Sitzungsberichten der Gesellschaft naturforschender Freunde zu
Berlin vom 17. Februar 1874.
— Wal
ist einer der Umstände, unter denen eine zweite Blüthe im Herbst
zu Stande kommt, der, dass auf anhaltende Trockenheit im
Sommer plötzlich starke Regengüsse eintreten. Die Pflanzen,
an denen er unter solchen Verhältnissen ein zweites Blühen
beobachtet hat, sind: Aesculus Hippocastanum (25. IV. und
29. IX.), Aesculus rubicunda (19. V. und 5. X.), Anemone silvestris
(15. V. und 24. VIII), Ranunculus lanuginosus (13. V. und 14. X.),
Wistaria chinensis (II. V. und 20. VII.)
Vielleicht ist es aber mit der Trockenheit ähnlich wie mit
der Wärme, dass nämlich ein allzu grosses Maass von beiden
wieder hindernd auf die Blüthenbildung wirkt. So würde es
sich erklären, dass Overdieck!) in einem Bericht über seine
Obsternte des Jahres 1877 (Deutschland) es dem schädlichen
Einfluss der Trockenheit zuschreibt, dass viele Bäume über-
haupt keine Blüthen angesetzt haben. Indessen lässt sich nicht
wohl entscheiden, ob hier nicht noch andere Umstände, welche
nicht bemerkt wurden, mitgewirkt haben.
Sonst ist mir keine Angabe bekannt geworden, dass Trocken-
heit jemals einen hemmenden Einfluss auf Blüthenansatz und
Blühen gehabt habe. Vielmehr wird sie, resp. die Entziehung
der Feuchtigkeit, in der Cultur allgemein angewandt, um ver-
mehrte Blüthenbildung zu erzielen, während man durch reich-
liche Bewässerung die Ausbildung der vegetativen Organe zu
vermehren sucht. Deswegen wendet man bei der Wiesencultur
viel Aufmerksamkeit auf eine richtige Bewässerung der Wiesen,
damit die Gräser viele und grosse Blätter bilden; auf zu
trockenen Wiesen ist die Grasnarbe niedriger und es werden
mehr ährentragende Halme gebildet. Bei den Pflanzen, deren
Laubtriebe als Futter oder zu anderen Zwecken (wie das Zucker-
rohr) verwendet werden, wird man also im Allgemeinen durch
feuchte Cultur dazu verhelfen können, dass sich die Blätter auf
ı) In Pomologische Monatshefte von Lucas, 1878, p. 193. (Citirt nach
dem Botanischen Jahresbericht.)
=— u EN
Kosten der Blüthen vermehren. Die Culturpflanzen aber, auf
deren Blüthen und Früchte es ankommt, wird man gern trocken
halten, soweit dadurch nicht ein Mangel an Ernährung herbei-
geführt wird. Allerdings tritt dieser Uebelstand häufig auf,
wenn auf eine reiche Blüthenproduction hingearbeitet wird,
während man doch möglichst viel Früchte erzielen will; es ge-
schieht dann oft, dass die meisten Blüthen abfallen, ohne
Früchte anzusetzen. Was diese Verhältnisse betrifft, so sei
auf einen Artikel in Gardener’s Chronicle (1881, Bd. II, p. 16)
verwiesen.
Das hauptsächlichste Mittel, Pflanzen zum Blühen und auch
zum reichen Blühen zu bringen, ist die Erschwerung der Wasser-
aufnahme durch die Wurzeln. Es geschieht bei Obst- und
anderen Bäumen oder Sträuchern durch den sog. Wurzelschnitt,
indem man einen Graben um die Pflanze zieht und die bloss-
gelegten Wurzeln mit einem scharfen Messer abschneidet!).
Da so die Ausbreitung des Wurzelsystems gehindert wird, wird
auch von der Pflanze weniger Wasser aufgenommen, es können
sich die vegetativen Theile weniger entfalten und es kommt
um so eher zur Anlage von Blüthen. Schneidet man dagegen
die Laubtriebe zurück, so wird die Verdunstung herabgesetzt,
und da die Wurzeln immer noch dieselbe Wassermenge auf-
nehmen, so wird eine grössere Saftmenge in der Pflanze ange-
sammelt. Diese wirkt auf die schnelle Entwicklung ‘der noch
im Knospenzustand befindlichen vegetativen Organe und es
werden keine Blüthen gebildet. Aehnlich dem Beschneiden der
Wurzeln wirkt es auch, wenn man den Raum beschränkt, in
dem sich das Wurzelsystem ausbreiten kann, wenn man also
die Pflanzen in Töpfen zieht. Hierher gehört eine von Fech-
ner (in seiner „Nanna“, p. 297) citirte Beobachtung von Linne:
I) Vergl. Wissenbach, Wurzelschnitt bei Obstbäuwen. (Nach „The
Garden“ in Pomologische Monatshefte von Lucas, 1878, p. 41.)
— 23 —
„Linn& hat beobachtet, dass ein Baum, in einem weiten Gefäss
überflüssig &enährt, mehrere Jahre hintereinander Zweige aus
Zweigen hervorbringe, da derselbe, in ein engeres Gefäss ein-
geschlossen, schnell Blüthen und Früchte trage.“ Hieraus er-
kennt man, fügt Fechner hinzu, den Einfluss, den die Art der
Bewurzelung auf die Krone des Baumes hat. Die Methode,
Pflanzen durch Cultur in Töpfen zum Blühen zu bringen, wird
z. B. auch beim Treiben der Rosen befolgt. Man pflanzt die-
selben schon im August des Vorjahres in Töpfe und hält sie
recht trocken, damit sie frühzeitig sog. ausgereiftes Holz pro-
duciren, an dem im nächsten Jahre sich reichliche Blüthen-
knospen bilden !),. Auch um Cacteen zum reichlichen Blühen
zu veranlassen, wenden die Gärtner analoge Mittel an?). Sie
lassen Cereus und ähnliche Formen im Herbst in den Töpfen
im warmen Zimmer bis zum Schrumpfen austrocknen oder
. reissen sie gar aus dem Boden aus und pflanzen sie nach dem
Welken später wieder ein. Die geschrumpften Exemplare bilden
in der nächsten Vegetationsperiode meist reichliche Blüthen.
Hierher gehört auch die von Nördlinger?°) mitgetheilte Be-
obachtung, dass Gewächse, welche versendet worden sind, wobei
sie gewöhnlich einen Theil ihrer Organe, zumal Wurzeln, ein-
büssen, manchmal unmittelbar darauf blühen, wenn auch nach-
her zeitlebens nicht wieder.
Aber nicht nur durch verminderte Wasseraufnahme der
Wurzeln, sondern auch durch eine gehemmte Leitung des
Wassers in den Stammtheilen kann man die Wasserzufuhr der
Pflanze beschränken und stärkere Blüthenbildung veranlassen.
Wird ein Zweig gebrochen, so dass er nur noch durch eine
geringe Holzmasse mit dem Hauptaste zusammenhängt, so er-
I) Vergl. Wendt in Monatsschrift des Vereins zur Beförderung des
Gartenbaus, 1880, p. 163.
2) Nach Sorauerl. c., p. 161.
3) Forstbotanik II, p. 245.
hält er natürlich auch weniger Wasser, da dieses ja im Holze
geleitet wird. Dass solche halb gebrochene, herunterhängende
Aeste viel reichlicher blühen, als nicht verletzte, beobachtete
Ernst!) an den angepflanzten Kaffeebäumen in Caracas
und er bemerkt dazu, dass die Pflanzer solche Aeste beim
Reinigen der Bäume niemals abschneiden. Die Wasserzufuhr
kann aber auch dadurch herabgesetzt werden, dass die Holz-
gefässe, in denen sich das Wasser bewegt, verstopft werden.
Dies geschieht durch krankhafte Erscheinungen, wie z. B. bei
der Serehkrankheit des Zuckerrohrs?). Eines ihrer Symptome
besteht nämlich darin, dass die Gefässe, da wo die Stränge roth
erscheinen, von einer schleimigen Masse verstopft sind. Ganz
offenbar ist die dadurch hervorgerufene Störung in der Wasser-
zufuhr daran schuld, dass sich der Stengel nicht in normaler
Weise in die Länge streckt und dass die Pflanze, anstatt ihre
vegetativen Organe ordentlich zu entfalten, möglichst rasch
zur Blüthenbildung schreitet und auch dazu gelangt, wenn nicht
die Krankheit die Pflanze schon vorher tödtet.
Mit dem Wassermangel ist nun aber sehr leicht auch ver-
bunden ein Mangel an Nährstoffen, denn in dem Wasser
sind die Salze gelöst, deren die Pflanze zu ihrer Ernährung
bedarf, ja selbst die Assimilation der Kohlensäure, die Bildung
der Kohlehydrate leidet, wenn nicht genügend Wasser den
grünen Theilen zugeführt wird. So werden wir denn, was wir
als Folge der Trockenheit bezeichneten, zum Theil auch dem
Mangel an Ernährung zuzuschreiben haben. Dieser letztere
befördert ebenfalls die Blüthenbildung auf Kosten der Ent-
wicklung der vegetativen Organe. Es tritt dann bisweilen ein
Zustand der Pflanze ein, den man als Verzwergung oder Na-
nismus?) bezeichnet und der künstlich erzeugt werden kann
I) Botanische Zeitung, 1876, p. 33—41.
2) Vergl. oben p. 70.
3) Sorauer1,6‘D.03:
— 1235 —
dadurch, dass man die Pflanze in möglichst kleinen Töpfen
zieht. Es entstehen dann kleine, aber reichblüthige Exemplare,
wie sie den Gärtnern bei den Blüthensträuchern zum Verkauf
erwünscht sind. Auch in Gewächshäusern kann man häufig
beobachten, dass kümmerliche Exemplare in kleinen Töpfen
bereits blühen, während andere in grösseren Töpfen ihr Laub
üppig entfaltet haben ohne zu blühen. Von einer eigentlichen
Krankheit kann man in solchen Fällen noch nicht sprechen,
aber die Pflanze kann durch überreiche Blüthen- und gar
Fruchtproduction geschwächt werden und sich sogar „todt
blühen“. Das überreiche Blühen ist also theils eine Ursache,
theils ein Symptom von Kränklichkeit. „So weiss man“, sagt
Sorauer!), „dass kränkelnde Exemplare, namentlich solche,
die an Wurzelerkrankungen leiden, zu erhöhter Blüthenent-
wicklung geneigt sind.“ Als Beispiel dafür wird der von John
Scott beobachtete Fall, der einen Sandelbaum (Santalum
album) in Indien betrifft, angeführt. Dieser Sandelbaum
schmarotzte mit seinen Wurzeln auf einer daneben stehenden
Araliacee (Heptapleuron umbraculiferum), welche abgehauen
wurde. Wenige Monate darauf war der Sandelbaum ganz ent-
blättert und kränkelte 3 Jahre, blühte dabei aber reichlich.
Die günstigen Folgen des Nährstoffmangels auf das Blühen
illustriren auch folgende Beispiele?). Auf Hagelbeschädigung
der Obstbäume erfolgt nicht selten grosser Blüthenreich-
thum. Gipfel der Esche (Fraxinus excelsior), die von Hornissen
stark beschädigt, d. h. ihrer Rinde in Form eines Ringes be-
raubt sind, blühen und tragen besonders gerne Samen. An
einer jungen Ulme (Ulmus campestris) war ein Ast mit einem
Draht umwickelt und dieser hatte den dicker gewordenen Ast
eingeschnürt: dadurch blühte diese Ulme vor der Zeit und
zwar lediglich an dem eingeschnürten Ast. Das Umschnüren
ey 1. ‚€, pP. 161.
2) Nach Nördlinger, Forstbotanik II, p. 246.
— n6 —
mit Draht ist demgemäss auch ein in der Obstbaumzucht
angewandtes Mittel, um den Blüthenansatz zu erhöhen. Andere,
auf dem Princip der verminderten Nahrungszufuhr beruhende
Mittel sind: ringförmige Entrindung oder Halbdurchsägung von
Aesten, Entblössung des Bodens von Laub und sogar Ent-
fernung der Erde in der Umgebung des Stammes; auch kann
man hier erwähnen, „das Pfropfen der Schosse junger, rasch-
wachsender Sämlinge von Laub- und Nadelhölzern auf ältere
Bäume, um bei deren gemässigterem Saftzudrange bald Blüthen
und Früchte zu bekommen“.
Schliesslich sei noch erwähnt, dass in Indien die Agave
vivipara, wenn sie in reichem Boden wächst, unveränderlich
Zwiebeln aber keinen Samen producirt, während ein armer
Boden und ein trockenes Klima zum entgegengesetzten Re-
sultate führt !).
Trockenheit des Bodens und Mangel an Nahrung sind also
zu eng mit einander verbunden, als dass von jedem sein Ein-
fluss auf das Blühen der Pflanzen gesondert besprochen werden
kann. Auch stehen, wie schon erwähnt, die Verhältnisse von
Licht und Wärme untereinander und mit denen der Feuchtig-
keit meistens in gewisser Beziehung, sodass sie in der Natur
häufig vereint wirken. Stellt man Versuche über die Ab-
hängigkeit des Blühens von diesen Factoren an, so ist es
schwer, bei Pflanzen im freien Lande, ihnen verschiedene Ver-
hältnisse der Wärme zu bieten, soweit solche nicht durch Be-
sonnung und Beschattung bestintmt sind. Experimentirt man aber
in geschlossenen Räumen, in denen die gewünschten Temperatur-
verhältnisse leichter herzustellen sind, so hat man immer mit
dem Mangel an Licht zu rechnen. Ich habe nun im Sommer
1892 im Heidelberger botanischen Garten einige Versuche an-
gestellt, bei denen nur der Einfluss verschiedener Feuchtigkeit
I) Nach Royle, citirt vonDarwin, Variiren d. Thiere u. Pflanzen etc.,
p. 194.
—- 17 —
und Beleuchtung studirt werden sollte. Dieser ungleiche Ein-
Huss konnte sich auch nur zu erkennen geben in dem früheren
oder späteren Blühen derselben Arten, er hat sich aber so zu
erkennen gegeben, wie es nach den oben abgeleiteten Regeln
zu erwarten war.
Es wurden gegen Ende April in je 8 Töpfe gesäet Phalaris
canariensis und Borrago officinalis und in weitere 8 Töpfe
wurde die Grasnarbe von Andropogon Ischaemum gepflanzt.
Von jeder Pflanzenart wurden die Töpfe paarweise folgender-
maassen behandelt. Ein Paar stand an einem sonnigen Stand-
ort und wurde trocken gehalten, d. h. die Töpfe standen frei
auf dem Boden und erhielten ausser dem Regen nur soviel
Wasser durch Begiessen, als in trockenen Zeiten nothwendig
war. Ein zweites Paar stand daneben, aber in einer Schale,
die beständig Wasser enthielt, und wurde reichlich begossen.
Das dritte und vierte Paar wurde in derselben Weise trocken
und nass gehalten, aber an einem sehr schattigen Standort.
Die Pflanzen entwickelten sich nun in den verschiedenen
Töpfen ziemlich ungleich.
I. Bei Phalaris blühten am 4. Juli nur die besonnten und
trockenen Pflanzen, sie zeigten aber kleinere und bereits ver-
gilbende Blätter, die nassen und beschatteten Pflanzen dagegen
hatten grosse und kräftig entwickelte grüne Vegetationsorgane,
die beschatteten und trockenen Pflanzen waren nicht ganz so
‚kräftig, und die besonnten und nassen standen am schlechtesten.
Später kamen alle Pflanzen zum Blühen, die schattigen und
nassen aber zuletzt. So zeigt sich gerade bei dieser Pflanze
der befördernde Einfluss des Lichtes und der Trockenheit auf
das Blühen recht deutlich.
II. Andropogon Ischaemum ist eine Pflanze, welche sich
an schattigen Standorten vegetativ besser entwickelt als an
sonnigen und welche die Trockenheit besser verträgt als die
Feuchtigkeit. Am 9. August waren nur an den besonnten und
— 28 —
trockenen Pflanzen Inflorescenzen sichtbar, alle übrigen machten
noch keine Anstalten zum Blühen und die beschatteten Pflanzen
waren selbst bis zum Io. September noch nicht zur Blüthe ge-
kommen. Also auch bei Andropogon sehen wir deutlich das
Blühen durch Licht und Trockenheit begünstigt.
III. Bei Borrago entwickelten sich wegen der kleinen Töpfe
alle Pflanzen zu Zwergexemplaren. Am 23. Juni erschienen an
den besonnten und trockenen Pflanzen die ersten Blüthen-
knospen, während an allen anderen sich noch kaum die Stengel
gestreckt hatten. Die besonnten und nassen blühten erst Mitte
Juli, die beschatteten Pflanzen entwickelten sich aber so schlecht,
dass nur eine zur Blüthe kam und zwar eine der feucht ge-
haltenen.
Analoge Versuche habe ich mit anderen Pflanzen im
Sommer 1896 im Frankfurter botanischen Garten angestellt,
allein mit zu wenigen Exemplaren, um recht brauchbare Resultate
zu erhalten. Es waren Tradescantia virginica, Pelargonium
zonale und Digitalis grandiflora.
Tradescantia bedarf vieler Feuchtigkeit, sodass die trocken
gehaltenen Exemplare sich überhaupt nicht entwickelten, das
nass gehaltene in der Sonne blühte aber reichlich schon von
Anfang Juni an, während das im Schatten erst Anfang August
eine spärliche Inflorescenz bildete. Von den Digitalispflanzen
blühte das nasse Exemplar im Schatten am II. Juni auf, es
war aber offenbar das kräftigste Exemplar, dann folgten am
12. Juni das trockene in der Sonne, dann das nasse in der
Sonne, dann Ende Juni das trockene im Schatten. Bei
Pelargonium blühten die Exemplare im Schatten etwas eher
auf (I6. VI.) als die in der Sonne (17. VI. und 25 VI.), aber
die ersteren bildeten nur eine Inflorescenz, die bald verblüht
hatte, die letzteren je ca. IO Inflorescenzen, die zum Theil noch
im September in Blüthe waren.
Wenn nun auch bei diesen Pflanzen der unterschiedliche
Einfluss von Trockenheit und Feuchtigkeit nicht hervortritt,
vielleicht wegen ungünstiger Wahl der Versuchspflanzen oder
der zu geringen Zahl derselben, so zeigt sich doch der fördernde
Einfluss des Lichtes auf das Blühen bei Tradescantia und
Pelargonium sehr deutlich.
Den meinigen ähnliche, aber etwas ausgedehntere Ver-
suche hat im Sommer 1892 E. Gain!) in Fontainebleau an-
gestellt. Er experimentirte mit Lupinus albus, Zea Mays, Poly-
gonum fagopyrum, Medicago sativa, Avena sativa u. a. und ge-
langte zu folgenden Resultaten.
Trockener Boden und feuchte Luft verzögern das Blühen,
ebenso feuchter Boden und feuchte Luft, trockener Boden und
trockene Luft beschleunigen es, trockene Luft und feuchter
Boden beschleunigen es noch mehr. Es findet also nach
Gain folgende Reihenfolge statt vom begünstigenden zum
hemmenden Einfluss auf das Blühen: trockene Luft sehr günstig,
feuchter Boden günstig, trockener Boden ungünstig, feuchte
Luft sehr ungünstig. Praktisch würde daraus zu folgern sein,
dass in trockenen Jahren und in regenarmen Gegenden eine
Bewässerung des Bodens wichtig ist, um ein zeitiges Blühen
herbeizuführen. Man sieht also, dass das Ergebniss in dieser
Hinsicht, was nämlich die Feuchtigkeit des Bodens betrifft,
nicht mit den Anschauungen übereinstimmt, zu denen wir oben
gekommen waren. Es scheint mir aber auch, dass die Ver-
suchsanstellung des Verfassers nicht ganz einwandfrei ist, be-
sonders in dem Fall, dass er, um feuchten Boden und trockene
Luft zu erhalten, die Pflanzen mit Chlorcalcium unter Glas-
glocken brachte.
Im Allgemeinen können wir doch wohl sagen, dass Licht,
Wärme und Trockenheit diejenigen äusseren Agentien sind,
I) Comptes rendus, 1892, Vol. CXV, p. 890—892.
Möbius, Fortpflanzung der Gewächse, 9
welche das Blühen begünstigen; von anderen äusseren Um-
ständen käme wohl nur die Beschaffenheit des Bodens in
physikalischer und chemischer Beziehung in Betrachtung, aber
über deren Einfluss auf das Blühen hat man noch keine Be-
obachtungen gemacht. Allein bei Wasserpflanzen kann es
dem Einfluss des Standortes zugeschrieben werden, dass ihre
Blüthenbildung unterdrückt wird. Es ist nämlich klar, wie
Schenck!), sagte, „dass bei dem öfteren Wechsel des Niveaus
oder bei der bald schwächeren, bald stärkeren Strömung
unserer Gewässer für die Wasserpflanzen mit Luftblüthen gar
leicht Bedingungen werden eintreten können, unter denen die
Ausbildung der Blüthen vollständig zwecklos wäre. Bei zu
tiefer Versenkung der Pflanze würden die Blüthen die Ober-
fläche nicht erreichen und im Wasser bald unbefruchtet ver-
wesen, in reissenden Bächen und Flüssen würden die zarten
Blüthentheile bald durch die Gewalt des bewegten Wassers
zerstört sein, und in der That ist es eine höchst bemerkens-
werthe Erscheinung, dass die Wasserpflanzen unter solchen un-
günstigen Bedingungen, gleichsam als ob ihnen das Bewusst-
sein von der Zwecklosigkeit der Blüthenbildung innewohne,
überhaupt nicht fructificiren, sondern die rein vegetative Ver-
mehrung vorziehen, um die Erhaltung der Art zu sichern. Es
gilt dies auch insbesondere von den amphibischen luftblüthigen
Gewächsen, die bei zu tiefer Versenkung im Wasser ebenfalls
keine Blüthen bilden.“ Als Beispiele führt der citirte Autor
an: Hippuris vulgaris, Sagittaria sagittifolia, Alisma: Plantago,
einige Juncus- Arten, Isnardia palustris, Litorella lacustris,
Elatine Alsinastrum, Sparganium simplex , Callitriche und einige
Potamogeton-Arten. Wenn wir auch die Zweckmässigkeit von
diesem Verhalten der Wasserpflanzen einsehen, so müssen wir uns
doch auch nach der wirkenden Ursache fragen, indessen werden
wir diese Frage schwerlich mit Sicherheit beantworten können.
Zunächst können wir vermuthen, dass sowohl bei zu hohem
I) Biologie der Wassergewächse, Bonn 1886, p. 107.
— ea —
Wasserstand wie bei zu bewegtem Wasser die Intensität der
Beleuchtung, welche den submersen Pflanzen zu theil wird,
nicht mehr hinreicht, blüthenbildende Stoffe zu erzeugen, dass
also die Blüthen hier aus demselben Grunde nicht angelegt
werden, wie bei.Pflanzen, welche zu sehr beschattet sind. Wir
würden dann diese Erscheinung mit zu denen, welche von der
Beleuchtung abhängen, zu rechnen haben. Es kann aber auch
sein, dass rein mechanische Verhältnisse, nämlich der höhere
Druck der grösseren Wassermenge, welcher bei hohem Wasser-
stande auf den submersen Wasserpflanzen lastet, dass der Stoss
des rasch bewegten Wassers auf dieselben eine Wirkung aus-
übt, welche die Anlage der Blüthen verhindert. Man könnte
auch daran denken, dass unter den oben geschilderten Ver-
hältnissen der Verkehr der Pflanzen mit der Luft erschwert
wäre, dass sie eine geringere Menge Sauerstoff erhielten, dass
dabei die Athmung herabgesetzt würde und für die Blüthen-
bildung nicht mehr ausreicht, denn diese scheint doch mit
einer intensiveren Athmung als die Entwicklung der Laub-
knospen verbunden zu sein. Es bleibt also vorläufig noch un-
entschieden, aus welcher wirkenden Ursache Wasserpflanzen,
wenn sie in zu tiefem oder zu bewegtem Wasser wachsen,
keine Blüthen bilden, wir nehmen die Erscheinung als ein
Beispiel für den Einfluss des Standortes, abgesehen von den
Einflüssen des Lichtes, der Wärme und der Feuchtigkeit, und
wir sehen nun, welche Einflüsse ferner zu berücksichtigen
sind.
In der Blüthenbiologie spielen bekanntlich die Thiere, be-
sonders die Insecten, eine grosse Rolle. Da manche Blüthen
nur durch ganz bestimmte Insecten bestäubt werden können,
so ist es sehr wohl denkbar, dass das Fehlen dieser Insecten
an einem Standorte, vielleicht auch das gänzliche Aussterben
derselben, indem es die Bestäubung der Blüthen unmöglich,
das Blühen daher überflüssig machte, die Pflanzen dazu
9%
brächte, überhaupt nicht mehr zu blühen, sondern sich nur
auf vegetative Weise zu vermehren. Da es sich hier um einen
Ersatz der geschlechtlichen Vermehrung, der die Blüthen
dienen, durch die ungeschlechtliche handelt, so soll dieser
Punct erst im nächsten Kapitel behandelt werden. Dass die
Blüthezeit in Beziehung steht zu der Jahreszeit, in welcher die
bestäubenden Insecten vorhanden sind, ist als eine sogenannte
gegenseitige Anpassung aufzufassen, die hier nicht weiter zur
Erörterung zu kommen braucht. Einflüsse anderer Art, welche
auf die Pflanzen von Organismen ausgeübt werden, sind schä-
digende, besonders häufig die von Parasiten. Es kann hier
nur ein ganz vereinzelter Fall erwähnt werden, in dem die
Pflanze durch den Reiz eines Parasiten zu vorzeitigem Blühen
gebracht wird. Wie nämlich bei manchen Hexenbesen durch
den Pilz eine sogenannte Anticipation der Laubtriebe veran-
lasst wird, nämlich ein Austreiben der für das nächste Jahr
angelegten Knospen schon in diesem, so kann auch ein vor-
zeitires Austreiben der für das nächste Jahr angelegten Blüthen-
knospen an den vom Pilze befallenen Sprossen eintreten. „So
entwickeln die Sprosse von Primula Clusiana und minima, welche
von Uromyces Primulae integrifoliae befallen werden, und die
man sofort an den verlängerten Rosettenblättern erkennt, ihre
im Sommer angelegten Blüthen nicht, wie das sonst der Fall
ist, im Frühlinge des nächsten, sondern schon im Herbste des-
selben Jahres“).
Schliesslich ist noch auf das hinzuweisen, was schon
mehrfach angedeutet wurde, dass die Blüthenproduction in
Correlation steht mit der Ausbildung der vegetativen Theile:
einmal in dem Sinn, dass keine Blüthen auftreten können,
wenn die Sprosse zu schwach entwickelt sind, um die nöthigen
Stoffe zu liefern, wie wir es bei den im Dunkeln keimenden
ı) Kerner, Pflanzenleben, Bd. II, p. 518.
und wachsenden Pflanzen sahen; dann aber vor allem in dem
Sinn, dass die Vegetationsorgane um so schwächer werden, je
mehr die Reproductionsorgane sich entfalten. Der Pflanze
steht eben nur ein gewisses Quantum Nährmaterial zur Ver-
fügung, und wenn sie viel davon auf die einen Organe ver-
wendet, so bleibt für die anderen weniger übrig. Wenn das
Licht viele Knospenanlagen veranlasst, sich zu Blüthenknospen
zu entwickeln, so können um so viel weniger zu Laubknospen
werden. Bei vieler Feuchtigkeit geht die Pflanze stark ins
Laub, bleibt aber in der Blüthenbildung zurück. Wird die
Entwicklung der vegetativen Theile begünstigt, wird besonders
der Stamm kräftiger und holziger, so ist der Pflanze auch
eine längere Existenz gesichert und sie braucht weniger dafür
zu sorgen, durch Blühen und Fruchten Nachkommen zur Er-
haltung der Art zu erzielen, sich fortzupflanzen.
Ein sehr interessantes Beispiel der Art, dass das Blühen
durch die Laubentwicklung beeinträchtigt wird, bietet das von
Ernst!) geschilderte Verhalten von Eriodendron anfractuosum,
einer in Caracas häufig angepflanzten Art von Wollbäumen
aus der Familie der Bombaceen. Viele Exemplare des Erio-
dendron blühen niemals, erneuern dagegen alljährlich zweimal
ihr Laub. Ein 17 Jahre altes Exemplar in San Francisco hat
(bis 1885) noch niemals geblüht, verliert aber jährlich Mitte
Februar und Mitte August in 2 bis 3 Tagen alle seine Blätter,
steht dann 4—5 Tage kahl und ist nach einer Woche schon
wieder vollständig belaubt. Bei dieser ausserordentlichen Ver-
kürzung der Periode der Blattlosigkeit, welche eben für Erio-
dendron die der Blüthenproduction ist, kann der Baum nicht
zum Blühen kommen. Ein anderes, 6 Jahre altes, in der Nähe
stehendes Exemplar hat bereits (1885) zweimal geblüht, obgleich
nicht an allen Aesten, und hat jährlich nur einen Laubfall.
ı) Berichte der deutschen botan. Gesellsch., Bd. III, p. 320.
Die blüthenlos bleibenden Zweige belauben sich viel früher
als die anderen, nämlich erstere schon Mitte Mai, letztere im
August. Die Ursache der Verzögerung liegt natürlich in der
Erschöpfung der Zweige durch die Blüthenproduction, denn
der verhältnissmässig noch kleine Baum hatte wohl 8000
Blüthen. Bei dem ersteren blüthenlosen Exemplar ist die
Eigenthümlichkeit angeerbt, denn es ist aus einem Steckling ge-
zogen von einem Baume, der gleichfalls nie in Blüthe gesehen
worden ist. Das andere Exemplar dagegen ist aus einem
Samen gezogen, stammt also von einem blühenden und fruch-
tenden Baume.
Auf die Unterdrückung der Blüthen durch Ausbildung
reichlicher ungeschlechtlicher Vermehrungsorgane will ich hier
nicht eingehen, sondern die Beziehungen, welche zwischen dem
Blühen mit nachfolgender Samenbildung und der vegetativen
Vermehrung bestehen, im nächsten Kapitel behandeln. Das-
selbe wird überhaupt das eben zu beschliessende in manchen
Punkten ergänzen, ganz besonders, soweit es sich um Corre-
lationsvorgänge handelt. —
KAPITEL IV.
Ueber das Verhältniss zwischen Keim- und Knospen-
bildung bei der Fortpflanzung der Gewächse.
In der Einleitung wurde auseinandergesetzt, dass wir zwei
Fortpflanzungsarten zu unterscheiden haben, die durch Keime
und die durch Knospen. Die erstere führt von der asexuellen
Sporenbildung zu der geschlechtlichen Fortpflanzung, welche
bei den Blüthenpflanzen die normale Art der Vermehrung ist.
Die Knospenbildung dagegen können wir betrachten als ein
Aushilfsmittel, das zur Erhaltung der Art von der Natur ange-
wendet wird, wenn die Keimbildung nicht ausgiebig oder sicher
genug dafür zu sorgen im Stande ist. So haben wir im dritten
Kapitel gesehen, dass verschiedene äussere Umstände das
Blühen der Pflanzen verhindern können, an dessen Stelle eine
Vermehrung durch Knospen treten kann, wenn überhaupt die
Pflanze die Fähigkeit besitzt, vegetative Vermehrungsorgane
zu produciren. Im zweiten Kapitel aber hatten wir gefunden,
dass in vielen Fällen die Vermehrung nur auf vegetativem
Wege, also durch Knospen, erfolgt und dass bei den sich so
vermehrenden Pflanzen die Keimbildung, nämlich die Samen-
production oder sogar schon das Blühen unterbleibt. Erinnern
wir uns nun auch an das, was im vorigen Kapitel über die
Correlation zwischen der Bildung von Laub- und Blüthen-
— 136 —
knospen gesagt wurde, so übertragen wir dies leicht auf das
Verhältniss zwischen Knospen- und Keimbildung in dem Sinne,
dass bei Pflanzen, welche die Fähigkeit zu beiden haben, die
eine um so mehr zurücktreten wird, je stärker die andere ent-
wickelt ist.
Wenn wir nun auch daran festhalten, dass im Allgemeinen
die Vermehrung durch Keime bei den höheren Pflanzen die
gesetzmässige ist, so können wir uns doch denken, dass in
einzelnen Fällen die Verhältnisse für die Ausbildung der Ver-
mehrung durch Knospen so günstig war, dass dadurch die
durch Keime ganz zurückgedrängt wurde. Es entsteht also die
Frage, ob es Fälle gibt, in denen die vegetative Vermehrung
zur Unterdrückung der Blüthen- und Fruchtbildung führen
kann, oder ob nicht immer nur erst dann die vegetative Ver-
mehrung regelmässig oder ausschliesslich auftritt, wann das
Blühen oder die Keimbildung überhaupt aus irgend einem
Grunde häufig oder immer unterbleibt? Es handelt sich hier
um die Sporenpflanzen ebensogut wie um die Samenpflanzen
Wir müssen uns zur Entscheidung der Frage die bekannten
Fälle genauer ansehen, denn ich glaube nicht, dass sich aus
reiner Ueberlegung die Frage in dem einen oder anderen Sinne
beantworten lässt. Sie wurde übrigens schon im ersten Kapitel
berührt und dort wurde auch Darwin citirt, nach welchem
keine hinreichenden Beweise vorhanden sind, dass die lange
Dauer der vegetativen Fortpflanzung die wirkliche Ursache der
Sterilität jener Pflanzen ist. Es scheint mir zweckmässig, bei
dieser Untersuchung die Pflanzen in spontan wachsende und
cultivirte einzutheilen oder wenigstens die wichtigsten hier zu
betrachtenden Culturpflanzen später einzeln für sich zu be-
sprechen und zunächst zusammenzustellen, was wir über die
Entstehung der einen oder anderen Fortpflanzungsweise wissen,
wobei es sich meistens um spontan wachsende Pflanzen handelt.
Wir können zunächst eine Gruppe solcher Pflanzen unter-
scheiden, die ein ausgedehnteres Verbreitungsgebiet besitzen
und in einigen Gegenden desselben sich vorwiegend durch
Keime, in anderen durch Knospen vermehren. Es gehören
hierher die Gewächse, von denen schon oben (p. 283—32) die
Rede war und deren Zahl sich wohl noch vermehren lässt.
Für diese Fälle kann meistens nachgewiesen werden, dass es
klimatische Ursachen sind, welche die Entwicklung der Blüthen
oder den Ansatz der Früchte verhindern, und dass sie, um die
Art zu erhalten, diesem Mangel durch die Ausbildung von
vegetativen Vermehrungsorganen abzuhelfen suchen. Theils
ist der Standort zu hoch im Gebirge, wie bei einigen der
lebendig gebärenden Gräser, bei dem p. 108 angeführten Poly-
gonum viviparum, den Moosen, welche p. 32 als die letzten
aufgeführt sind, theils ist das Klima der Gegend zu kalt und
dann sehen wir, dass die Pflanzen sich hier nur vegetativ ver-
mehren, keine Blüthen oder doch keine Früchte produciren,
während sie in südlicheren Gegenden ihres Verbreitungsgebietes
dieses thun: die hierher gehören, sind meistens auch schon
erwähnt worden und ich will nur noch kurz auf folgende hin-
weisen: die Lemnaceen (p. 107), das Laubmoos Leucodon sciu-
roides (p. 32), dann nach Darwin (l. c.) Acorus calamus,
Hypericum calycinum, Carex rigida, Jussiaea grandiflora. Es
handelt sich hier also auch um Pflanzen, bei denen das Blühen
durch Mangel an Wärme oder durch die ungünstigen Feuchtig-
keitsverhältnisse gehindert wird, aber freilich nur um solche
Pflanzen, bei denen dann auch eine vegetative Vermehrung für
den Ausfall der Samen- oder Sporenbildung eintritt.
Es kann ferner die Pflanze zwar blühen, aber keine Früchte
ansetzen, wenn die zur Bestäubung erforderlichen Insecten
fehlen. Dies tritt an manchen Orten für Ranunculus Ficaria
ein, der nach Darwin in England, Frankreich und der Schweiz
selten Samen trägt und sich hier durch seine Bulbillen ver-
mehrt. Nach Kerner (Pflanzenleben II, p. 455) kommt es be-
— 1733 —
sonders auf den Standort an, indem an sonnigen Plätzen die
Blüthen von kleinen Käfern, Fliegen und Bienen bestäubt
werden und desswegen Früchte ansetzen können, während an
schattigen Stellen die bestäubenden Insecten fehlen, die Frucht-
anlagen fehlschlagen und durch die Bulbillen ersetzt werden.
In ähnlicher Weise verhält sich Dentaria bulbifera (Fig. 20),
welche sich an sonnigen Stellen durch Samen, im Schatten des
Hochwaldes nur durch Ableger vermehrt, weil im letzteren die
Blüthen nicht von Insecten besucht und bestäubt werden. Viel-
leicht können wir auch Lilium tigrinum, die Feuerlilie, hierher-
rechnen, die in den Pyrenäen und im südlichen Frankreich, in
der Form Lilium croceum, fast immer Früchte mit keimfähigen
Samen 'zur Reife bringt, während sie in den Central- und Nord-
alpen kaum jemals reife Früchte erzeugt, sondern sich durch
Fig. 21. Lilium bul-
biferum. Oberstes
Stück des Stengels
unter der Blüthe
(ce deren basaler Theil)
mit Brutzwiebeln in
den Achseln der Blät-
ter. Nach Reichen-
bach, Flor. germ.)
Fig. 20. 4A Dentaria bulbifera mit verkümmerter Inflorescenz. BKeimende
Brutknospe derselben. © Ranuneutus Ficaria. D Einzelne Brutknospe der-
selben. (Nach Kerner.)
— 139 —
kleine zwiebelartige, in den Blattachseln stehende Ableger ver-
mehrt und desswegen als Lilium bulbiferum bezeichnet wird
(Fig. 21). Dentaria und Lilium haben sich unter diesen Ver-
hältnissen an solchen. Orten, wo die Blüthen doch nur nutzlos
producirt werden würden, das Blühen sogar ganz abgewöhnt
und sind auf die Vermehrung durch Brutzwiebeln angewiesen.
Stellaria bulbosa kommt gegenwärtig nur noch auf einem eng
umschriebenen Gebiet in Krain und Kroatien vor und blüht
hier regelmässig ohne Früchte anzusetzen. Kerner nimmt für
diesen von ihm berichteten Fall an, dass die Pflanze der zurück-
gebliebene Rest einer entschwundenen Flora ist und dass auch
die Insecten, die ihr ursprünglich als Bestäubungsvermittler
dienten, mit der Flora verschwunden sind. Das Blühen hat
sich die Pflanze trotzdem noch nicht abgewöhnt, aber den
Mangel an Samen ersetzt sie durch Knöllchen, die in sehr
grosser Menge an den unterirdischen fadenförmigen Stengeln
dieser Pflanze gebildet werden und sich leicht ablösen. Aehn-
lich scheint es sich nach Kerner mit Gagea bohemica zu ver-
halten, die im westlichsten Theile ihres Verbreitungsgebietes, in
Böhmen und Deutschland, aus ihren Blüthen niemals Früchte
producirt: sie ist wohl in diesem westlichen Gebiet als ein
Relict der Steppenflora zu betrachten und wie die anderen
Pflanzen dieser Flora, haben sich auch die bestäubenden In-
secten nach Osten zurückgezogen, sodass die Pflanze gezwungen
ist, sich auf vegetativem Wege zu erhalten und zu vermehren.
In allen diesen Pflanzen unserer zweiten Gruppe haben wir
also Beispiele eines Falles, der ganz deutlich zeigt, dass die
vegetative Vermehrung als Ersatz für den Ausfall der Ver-
mehrung durch Samen eintritt, was natürlich nur geschehen
kann, wenn die Pflanzen die Fähigkeit zur Knospenbildung als
Vermehrungsweise besitzen; dieselbe ist vorher nur nebenbei
und gelegentlich eingetreten, jetzt aber das einzige Mittel zur
Erhaltung der Art geworden. Hätten die Pflanzen dasselbe
nicht gehabt, so würden sie aus den Gebieten, in denen ihre
bestäubungsvermittelnden Insecten fehlen, verschwunden sein.
Eine dritte Gruppe bilden die Pflanzen, bei denen die Ge-
schlechtsorgane in den Blüthen verkümmern, sodass keine Be-
fruchtung und folglich auch keine Samenbildung eintreten
kann. Auch hier tritt dann die vegetative Vermehrung erst
secundär als Ersatzmittel zur Erhaltung der Art ein. Von
Cochlearia armoracia z. B. schreibt Darwin (l. c.), dass sie
sich hartnäckig verbreitet (wohl durch Theilung des viel-
köpfigen Wurzelstockes) und in verschiedenen Theilen von
Europa naturalisirt worden ist, dass aber die Blüthen niemals
Samen produciren: „Auch theilt mir, sagt Darwin, Professor
Caspary mit, dass er diese Pflanze seit 1851 beobachtet, dass
er sie aber nie befruchtet gesehen hat, und dies ist nicht über-
raschend, da er kaum ein gutes Pollenkorn findet.‘ Warum
die Pollenkörner degeneriren, weiss ich nicht, glaube auch, dass
die Unfruchtbarkeit an Samen nur stellenweise vorhanden ist,
denn in den floristischen Werken werden die Früchte und
Samen ohne weitere Bemerkung beschrieben.
Ferner können die Blüthen unfähig zur Fortpflanzung werden,
wenn die Staubgefässe und vielleicht auch Fruchtblätterin Blüthen-
blätter metamorphosirt werden und gefüllte Blüthen entstehen. In
der Gartencultur ist dies eine häufige und von den Gärtnern auch
beabsichtigte Erscheinung; solche Sorten mit gefüllten Blüthen
werden natürlich nur durch Stecklinge oder Ableger irgend-
welcher Art vermehrt, wie die gefüllten Rosen durch Oculiren.
In der Natur entstehen seltener gefüllte Blüthen, woran dann
häufig die Einwirkung von Milben (Phytoptus-Arten) schuld ist.
Als Beispiel führt Kerner an: Cardamine uliginosa, „eine
Pflanze, welche auf den feuchten Wiesen im Wiener Becken
und noch häufiger in der Umgebung von Salzbur& und bei
Ried in Oberösterreich mit gefüllten Blüthen wild wachsend
angetroffen wird.“ An der Mehrzahl der Stöcke, deren Frucht- °
anlagen verkümmern, kommen an den genannten Standorten
auf den Blättern Adventivsprosse zur Ausbildung, welche sofort
zu neuen Pflanzen auswachsen.
Es ist ausserdem bekannt, dass viele Bastarte steril sind oder
wenigstens bei vielen in Folge von abweichenden Verhältnissen
in der Structur einzelner Blüthentheile eine unvollkommene oder
auch gar keine Befruchtung eintritt, sodass wenige oder auch gar
keine keimfähigen Samen entstehen. Solche Bastarte zeigen aber
nichtnur ein kräftiges vegetatives Wachsthum,sondern auch starke
Neigung, sich durch Ausläufer und andere Arten von Knospen-
bildung zu vermehren, was schon den älteren Beobachtern
aufgefallen ist. Nach C. F. Gärtner!) stimmen die Be-
obachtungen von Kölreuter, Sageret und Wiegmann
mit den seinigen ganz darin überein, dass die Bastarte nicht
nur ein üppiges Wachsthum in allen ihren Theilen zeigen,
sondern auch ein ausgezeichnetes Sprossungs- und Wurzelungs-
vermögen besitzen und sich dadurch leicht vegetativ vermehren.
Auch „manche Hybriden, welche keinen so luxurirenden Wuchs
haben, wie mehrere Dianthus-, Lavatera-, Linum-, Lycium-,
Lychnis-, Lobelia-, Geum-, Pentstemon-Bastarte, stocken sich
sehr um, und lassen sich leicht durch Ableger, Wurzeltriebe
und Schnittlinge vermehren und fortpflanzen.“ Uebrigens ist
die Ansicht Gärtners die, dass die Luxuriation und mit dieser
die vegetative Vermehrung eine Eigenthümlichkeit gewisser
Bastarte sei, die nicht mit ihrer Sterilität zusammenhänge, denn
an mehreren absolut sterilen Bastarten hat er nur ein schwaches
und beschränktes Wurzelungsvermögen beobachtet, während
gerade diejenigen Bastarte, bei welchen man die meiste Frucht-
barkeit bemerkt hat, die stärkste Luxuriation in allen ihren
Theilen gezeigt haben. Indessen gibt er zu, dass bei den
Hybriden die Störung der Geschlechtsthätigkeit und der Ent-
I) Versuche und Beobachtungen über die Bastarderzeugung im Pflanzen-
reich. Stuttgart 1849, p. 527 und 642.
— 42 —
wicklung ihrer Organe nicht ohne Folgen für das innere Leben
dieser Gewächse sein werde und zu diesen Folgen hat er schon
an früherer Stelle die Luxuriation, das Sprossungsvermögen
und die längere Dauer ihres Lebens gerechnet. Wenn aber
Gärtner unter den Gründen für die Ansicht, dass die Luxu-
riation nicht mit der Sterilität zusammenhänge, auch den an-
führt, dass bei den Diphyten (diöcischen Pflanzen), von denen
ein Theil doch steril bleibt, keine solche Luxuriation auftrete,
so kann diesem Grunde keine Bedeutung beigelegt werden, da
die männlichen und die weiblichen Pflanzen der Diöcisten ge-
wissermaassen nur zwei nothwendig zu einander gehörende
Theile einer Art ausmachen, und die männliche Pflanze, von
Anfang an nur zur Hervorbringung des Pollens bestimmt, nicht
mit einer sterilen weiblichen verglichen werden kann. Kerner
sieht in der gänzlichen oder theilweisen Unfruchtbarkeit hin-
sichtlich der Samen bei Bastarten den Grund für ausgiebige
Vermehrung durch Knospen und führt als Beispiele die spontan
auftretenden Bastarte von Cirsium- und Verbascum-Arten an,
welche sich durch eine reichliche Bildung von oberirdischen
und unterirdischen weit und breit herumkriechenden Stock-
sprossen auszeichnen. Dadurch kommt es, dass man an ge-
wissen Stellen mehr Stöcke der Cirsium-Bastarte (C. pur-
pureum und C. affıne) als ihrer Stammeltern findet.
Bei manchen diöcischen Pflanzen beobachtet man, dass sie
in einigen Ländern nur in dem einen Geschlecht vorkommen,
also unter diesen Umständen steril bleiben müssen. ‚Stratiotes
aloides wird hier nur in männlichen, dort nur in weiblichen
Exemplaren gefunden, an anderen Orten in beiderlei Ge-
schlechtern. Elodea canadensis kommt in Europa nur in weib-
lichen Exemplaren vor, ebenso Lunularia vulgaris in Deutsch-
land. Chara crinita ist über fast ganz Europa verbreitet, doch
sind männliche Pflanzen nur aus Südfrankreich und Sieben-
bürgen bekannt. Während Chara crinita durch parthenogene-
tisch erzeugte Keime reichlich für ihre Vermehrung sorgt,
wird bei den anderen das Fehlen der Keime durch ausgiebige
Knospenbildung ersetzt: bei ‚Stratiotes durch die Ausläufer,
bei Elodea durch die Verzweigung und Trennung der Sprosse,
bei _Lunularia durch Brutknospen. Es ist aber hier die
Knospenbildung keineswegs durch die Sterilität bedingt,
sondern bei den einen als eine Eigenthümlichkeit der Wasser-
pflanzen zu betrachten, bei Lunularia als eine solche, wie sie
auch bei verwandten Lebermoosen, wie Marchantia, neben der
Sporenbildung reichlich vorkommt. Ueberhaupt zeichnen sich
Diöcisten nicht durch eine besondere Neigung zur Knospen-
bildung auf Kosten der Keimbildung aus: wenn auch einige,
wie Weiden, Pappeln, Dattel, Feige leicht und vor-
zugsweise durch Stecklinge vermehrt werden, so stehen ihnen
andere, wie Taxus, Mercurialis, Cycas, Juniperus, entgegen. Die
Vermuthung, dass die Diöcisten wegen der Leichtigkeit, mit der
bei ihnen Sterilität eintreten kann, besonders zur Knospen-
bildung neigen würden, bestätigt sich also nicht.
Die eben genannten Wasserpflanzen, ‚Stratiotes und Elodea,
bei denen an Stelle der Samenbildung eine ausreichende vege-
tative Vermehrung einzutreten pflegt, leiten uns zu dem
schon oben (p. 130) geschilderten Verhalten zahlreicher Wasser-
pflanzen über. Wir hatten gesehen, dass dieselben, wenn
durch zu hohen Wasserstand Bedingungen eintreten, welche
die Blüthenbildung oder die Bestäubung oder das Ausreifen
der Früchte erschweren, überhaupt häufig nicht blühen und
fructificiren, „sondern die rein vegetative Vermehrung vor-
ziehen, um die Erhaltung der Art zu sichern.“ Auch bei ihnen
ist es kaum fraglich, dass die Unterdrückung der Blüthen und
somit auch der Früchte, als die Ursache anzusehen ist, aus
welcher die vegetative Vermehrung stattfindet und dass nicht
die Leichtigkeit der letzteren die erstere aufhebt. Denn von
einigen Pflanzen scheint es, dass die Vermehrung durch
Knospen nicht eintritt, selbst wenn die Keimbildung verhindert
wird (Juncus supinus, Isnardia palustris, Elatine Alsinastrum,
Sparganium simplex). So finden wir es auch bei einigen
Kryptogamen nach Schenck (l. c. p. 109): eine Anzahl von
submersen oder schwimmenden Laub- und Lebermoosen und
Gefässkryptogamen kommen nur zur Sporenbildung, wenn ihr
Standort periodisch der Trockenheit ausgesetzt wird oder wenn
wenigstens der Wasserstand kein zu hoher ist, andernfalls
bilden sie keine Sporen; dafür kann dann allerdings eine aus-
giebige vegetative Vermehrung eintreten. Bei Marsilea quadri-
folia pflanzen sich die im Wasser erzogenen Schwimmformen
sogar fabelhaft rasch auf ungeschlechtlichem Wege fort, wäh-
rend von Pilularia globulifera nur angegeben wird, dass sie
in tiefem Wasser ohne Früchte bleibt.
Schenck sagt, dass bei den betreffenden Archegoniaten
die Fructification im Wasser bedeutend zurücktritt, „theils weil
in diesem Medium günstigere Bedingungen für eine erhöhte
Vegetation statthaben, theils weil sich im Wasser der Befruch-
tungsvorgang nicht in der Weise abspielen kann, wie bei den
Landarchegoniaten.“ Das letztere gelte besonders für die Moose.
Die „erhöhte Vegetation“ kann nun auch zu einer vegetativen
Vermehrung führen, die ja nach unserer Auffassung nur ein
Wachsthum über die Grenzen des Individuums hinaus ist, sie .
braucht dies aber nicht zu thun, und somit ist auch hier das
wirkliche Eintreten der vegetativen Vermehrung erst dadurch
hervorgerufen, dass die Pflanze keine Sporen oder Samen zu
ihrer Ausbreitung bildet. Im Uebrigen steht es ganz im Ein-
klange mit unserer in der Einleitung dargelegten Auffassung,
dass auf die Erhaltung der Species durch besondere Fort-
pflanzungsorgane um so länger verzichtet werden kann, je
günstiger die Umstände sind, unter denen sich die Individuen
befinden. Das letztere trifft für Wasserpflanzen eher ein, als
für Landpflanzen, indem jene, solange sie unter Wasser leben,
— 45 —
keinen Mangel an Nahrung zu leiden brauchen und ungünstigen
atmosphärischen Einwirkungen und den Angriffen von Seiten
der Thierwelt und der pflanzlichen Schmarotzer weniger aus-
gesetzt zu sein scheinen als die Landpflanzen. Jedenfalls ist
zu betonen, dass es bei den Wasserpflanzen aus dem Reiche der
Phanerogamen, Farne und Moose besonderer äusserer
Umstände bedarf, wenn an Stelle der Keimbildung die Knospen-
bildung treten soll und dass wir desshalb eher berechtigt sind,
anzunehmen, die letztere trete nur als Ersatz für die erstere
ein, als dass wir, ganz im Allgemeinen, das Ausbleiben der
ersteren der grösseren Fähigkeit zu vegetativer Vermehrung
zuschreiben. Dass nicht auch in dem einen oder anderen Falle
das letztere Verhältniss von Ursache und Wirkung stattfinde,
soll damit nicht durchaus bestritten werden. Mit Sicherheit
lässt sich die Sache überhaupt nicht entscheiden, nicht einmal
in dem Falle, wo wir ein vollständiges Fehlen der Keimbildung
und eine rein vegetative Vermehrung finden, nämlich bei den
Meeresalgen aus der Gattung Caulerpa. Es ist möglich, dass
die grosse Leichtigkeit, mit der aus jedem abgetrennten Theile
des Thallus ein neuer hervorwächst, die Keimbildung ganz
überflüssig gemacht und aufgehoben hat, es ist aber auch
möglich, dass zunächst die Schwärmsporen- oder Oosporenbil-
dung aus irgend einem Grunde unterblieben ist und durch
vegetative Vermehrung ersetzt worden ist. Die mit den
Caulerpaceen nächstverwandten Familien und die Algen
überhaupt scheinen mir keinen Anhalt zur Entscheidung der
Frage zu geben. Es lässt sich nur sagen, dass es leichter
denkbar ist, dass die Keimbildung als überflüssig wegen der
ausgiebigen vegetativen Vermehrung ganz unterblieben ist, als
dass sie zunächst aus irgend einem anderen Grunde fehlge-
schlagen sein soll, da doch sonst die Schwärmsporen- und Ga-
metenbildung bei anderen Algen reichlich und ohne Schwierig-
keit zu erfolgen pflegt; allein gerade bei den mit Caulerpa nahe
Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. Io
verwandten Codiaceen kennt man die Schwärmsporenbildung
nur für Halimeda und die Gametenbildung nur für Codium,
während die Fortpflanzungsverhältnisse bei den übrigen 6 Gat-
tungen unbekannt sind.
Caulerpa kann somit vielleicht als eine Pflanze betrachtet
werden, bei der im Gegensatz zu allen vorher angeführten spontan
wachsenden Pflanzen die Propagationskraft zuerst so gesteigert
wird, dass sie zur Unterdrückung der Reproduction führt. Mit
noch grösserer Wahrscheinlichkeit können wir dies bei einer
anderen Pflanze annehmen, die in ihrer Lebensweise einen
directen Gegensatz zu Caulerpa bildet und geradezu als Luft-
pflanze bezeichnet werden kann: ich meine die wurzellose
epiphytische Tillandsia usneoides. Jedes abgerissene Zweig-
stück dieser Pflanze, das an dem Geäste eines Baumes hängen
bleibt, kann weiterwachsen und bildet dann einen der Bart-
flechte ähnlichen herunterhängendeu Schweif. Diese Schweife
werden, wie Schimper schreibt!), durch den Wind stark zer-
fetzt und die abgerissenen Stücke fallen nicht nur theilweise
auf die Aeste der Bäume, sondern können vom Winde auch
auf grössere Entfernungen hin getragen werden, bis sie an
einem Aste hängen bleiben. Noch besser sorgen die Vögel
für die Verbreitung der Pflanze, indem sie dieselbe als Material
zum Nestbau verwenden, da die verbauten Stücke sich nachher
weiter entwickeln. Wie ergiebig die vegetative Verbreitung
der Tillandsia usneoides sein muss, geht daraus hervor, dass
sıe von Argentinien bis zum südlichen Nordamerika der ge-
wöhnlichste und verbreitetste der phanerogamischen Epiphyten
ist. Denn neben dieser Verbreitungsart kommt eine Ver-
mehrung durch Samen kaum in Betracht, da die Pflanze nur
selten blüht und in ihren Früchten nur wenige Samen ent-
ı) Die epiphytische Vegetation Amerikas (Bot. Mittheilungen aus den
Tropen, Heft 2, p. 31T).
wickelt. Vielleicht sind manche geneigt, dieser seltenen Blüthen-
und Samenbildung noch eine besondere Bedeutung insofern
beizulegen, als sie sagen, dass es dadurch der Pflanze er-
möglicht werde, nach langer ungeschlechtlicher Vermehrung
wieder eine durch Verjüngung entstandene Generation zu er-
zeugen und so die Art gelegentlich zu verjüngen. In unge-
zwungener Weise wird man das seltene Blühen der Tillandsia
usneoides als eine im Erlöschen begriffene Erscheinung be-
trachten, indem man annimmt, dass diese Pflanze, die ja von
regelmässig blühenden Pflanzen abstammt, sich noch nicht
gänzlich an die neue Lebensweise accommodirt habe, aber im
Begriffe stehe, die Keimbildung und mit ihr das Blühen gänz-
lich zu unterlassen, weil es durch die ausgiebige vegetative
Vermehrung überflüssig geworden ist. Dies passt nun freilich
nicht zu der Anschauung, welche Schimper im Allgemeinen
über die Vermehrung der Epiphyten äusserst, dass nämlich bei
ihnen die vegetative Vermehrung desswegen eine weit grössere
Rolle spiele, als bei Bodenpflanzen, weil die durch Samen und
Sporen, welche nicht so leicht die geeigneten Stellen zur
Keimung finden, bei ihnen unsicherer ist. So sollen sich
Farne, Orchideen und Utricularien durch Stolonen-
bildung, Araceen, Bromeliaceen, Carludovica, Peperomia
u. a. dadurch verbreiten, dass die Nebenäste eines Spross-
systems durch Absterben des Hauptsprosses selbständig werden.
Wir können diese Neigung zur vegetativen Vermehrung wohl
als eine Anpassung an die epiphytische Lebensweise betrachten;
die Ausbildung der Reproductionsorgane bleibt dabei unge-
schwächt bestehen oder wird vermindert. Ersteres ist der Fall
bei vielen Bromeliaceen, unter denen nur die so ab-
weichende Tillandsia usneoides eine Ausnahme macht, das
letztere bei den Utricularien, von denen Schimper angibt,
dass er sie nie mit Samen gefunden habe. Fraglich ist das
auch schon früher genannte Oncidium Lemonianum (s. Fig. 7),
Io*
ee 148 it
welches zwar regelmässig blüht, aber niemals fruchtet, sondern
sich dadurch vermehrt, dass in den Axeln der unteren sterilen
Brakteen des Blüthenstandes neue Sprosse entstehen, die mit
der Mutterpflanze in Verbindung bleiben und auf diese Weise
lange, von einem Baum zum anderen sich erstreckende Colonien
bilden. Hier scheint es freilich eher, dass die Vermehrungs-
sprosse sich ausgebildet haben, weil, vielleicht wegen Mangel
an bestäubenden Insecten, die Blüthen keine Samen ent-
wickelten, als dass die Entstehung der Vermehrungssprosse die
Reproduction zurückgedrängt habe. Ein ähnliches Verhalten
zeigt die, allerdings nicht epiphytische, Fourcroya gigantea
(Fig. 22), insofern auch sie regelmässig blüht, aber niemals
Fig. 22. A Foureroya gigantea. B F. Selloa. Theil eines Blüthenstandes
mit Bulbillen (b). (Nach Bot. Mag.)
Samen bildet, sondern sich dadurch vermehrt, dass „neben
jeder Blüthe eine Brutknospe erscheint, welche allmählich zu
einer, von grünen Blättern umhüllten Zwiebel heranwächst,
noch ein Jahr am Blüthenschaft verbleibt, darauf abfällt und
am Boden Wurzel schlägt“!). Auch hier dürften die Brut-
knospen erst als Ersatzorgane für die fehlenden Samen sich
ausgebildet haben, was um so wahrscheinlicher sein würde,
wenn man fände, dass in einer Gegend ihres Verbreitungs-
bezirkes die Fourcroya gigantea sich in normaler Weise durch
Samen vermehrt, worüber mir aber nichts bekannt geworden ist.
Aus dem, was über die spontan wachsenden Pflanzen bisher
gesagt worden ist, ergibt sich, dass, wenn überhaupt, so doch
nur ausnahmsweise das Fehlen oder Zurücktreten der ge-
schlechtlichen Fortpflanzung als eine F olge der vorherrschenden
vegetativen Vermehrung eintritt, dass vielmehr in den bei
weitem meisten Fällen gewisse äussere Umstände das Blühen
oder die Ausbildung der Samen verhindern und dass dann die
Natur, um die Art zu erhalten, zu dem Mittel der vegetativen
Vermehrung greift.
Wie ist es nun mit den cultivirten Pflanzen, von denen es,
wie wir im zweiten Kapitel gesehen haben, eine ganze Reihe
solcher gibt, welche nur auf vegetativem Wege vermehrt werden?
Diese Vermehrungsweise ist in erster Linie desshalb angewendet
worden und wird immer angewendet, weil sie die bequemere
und schneller zum Ertrage führende ist. So könnte man ja die
Dattelpalmen auch aus Samen ziehen, würde aber viel länger
zu warten haben, bis aus dem Keimling ein Früchte gebender Baum
entstände, als wenn man sogleich von einem Wurzelschössling
ausgeht. In anderen Fällen, wie bei Aepfeln, Rosen
u. dergl. ist bei der Anzucht aus Samen die Gefahr vorhanden,
dass der Sämling nicht die Eigenschaften der Sorte bewahrt,
sondern abweicht oder in den Zustand des Wildlings zurück-
schlägt. Vielleicht haben auch einige der hier in Betracht
kommenden Pflanzen schon, bevor sie in Cultur genommen
worden sind, eine gewisse Neigung zur Sterilität gezeigt, schwer
I) Schacht, Madeira und Tenerife, p. 19.
geblüht oder ihre Samen selten reif werden lassen. Eine
andere Frage ist nun, ob die fortgesetzte vegetative Vermehrung
auf die Reproduction durch Samen hindernd einwirkt, sodass
die Samenbildung, ja sogar das Blühen, allmählich als über-
flüssig unterbleibt. Dieses würde natürlich nur eintreten dürfen,
wenn die Samen von den Züchtern der betreffenden Pflanze
nicht verwendet würden: wir finden aber auch, dass keine der
Pflanzen, welche in der Cultur nur auf vegetativem Wege ver-
mehrt werden, ihres Samens wegen cultivirt wird, sondern
entweder wegen vegetativer Theile, Sprosse, Knollen u. dergl.
oder wegen des Fruchtfleisches. Die Pflanzen hingegen, welche
der Samen wegen cultivirt werden, wie die Getreidearten,
Leguminosen, Cacao, Kaffee u. a., werden immer aus
Samen gezogen. Sehen wir uns nun die auf vegetativem Wege
vermehrten Culturpflanzen, welche schon im ersten Kapitel an-
geführt wurden, noch einmal von dem soeben erörterten Ge-
sichtspuncte aus an.
An den Anfang stellen wir wieder die Banane. Sie wird
bekanntlich ihrer Früchte wegen cultivirt, muss also blühen
und Früchte tragen, auf deren Samen es aber nicht ankommt.
„Obschon nun Blüthenstaub und normal ausgebildete Samen-
knospen vorhanden sind, und der erstere sogar reichlich Pollen-
schläuche treibt, so erfolgt dennoch niemals eine Befruchtung;
die Samenknospen vertrocknen, während die Frucht heranreift.
Von allen Musa-Arten mit essbaren Früchten sind desshalb
keine Samen bekannt, dagegen bringt die Musa troglodytarum,
mit ungeniessbarer Frucht, bekanntlich keimfähige Samen.“
Diese Angaben von Schacht (Madeira und Tenerife p. 39)
sind noch dahin zu ergänzen, dass die Entwicklung oder das
Fehlschlagen der Samen und das Fleischigwerden der Früchte
vom Standorte abhängig zu sein scheinen. So bringt Musa
Fehi Bert., mit essbaren Früchten, um so eher vollkommen
entwickelte Samen hervor, je höher im Gebirge ihr Standort
ZEN Te
und je magerer der Boden ist, auf dem sie steht, während die
Ausbildung des Fruchtfleisches in umgekekehrtem Verhältnisse
steht!). Ob die cultivirten Bananen, welche als Musa sapien-
tfium zusammengefasst werden können, jemals Samen producirt
haben, wissen wir nicht, da ihre Cultur bekanntlich uralt ist;
die wildwachsenden, wie sie jetzt noch in Ceylon gefunden
werden, scheinen dies auch nicht mehr zu thun, sodass jeden-
falls so viel feststeht, dass die allgemein und nothgedrungen
angewandte Culturmethode nicht erst die Samenbildung ver-
drängt hat. Man wird annehmen müssen, dass die Musa-Arten
eine Neigung zur Sterilität haben und dass diese am stärksten
bei M. sapientium ist, sodass desswegen zur Ausbreitung der
Pflanzen die vegetative Vermehrung beitragen, ja bei M. sapien-
tium vollständig für die Reproduction eintreten musste. Die
Fähigkeit freilich, aus dem Rhizom neue Sprosse zu treiben,
kann von Anfang an vorhanden gewesen sein und braucht
nicht erst durch die Neigung zur Sterilität, über deren Grund
wir nichts wissen, hervorgerufen worden zu sein.
Der Feigenbaum hat mit der Banane die Eigenschaft
gemeinsam, dass das essbare Fruchtfleisch sich unabhängig von
dem Eintritt der Bestäubung ausbildet. Die morphologischen
Verhältnisse sind freilich hier ganz andere und es schlagen
bei der Feige nicht nur die Samen, sondern die ganzen eigent-
lichen Früchtchen fehl, wenn nicht mit Hülfe der betreffenden
Gallwespe, bei der Caprification, Blüthenstaub auf die weib-
lichen Blüthen gebracht wird. Das Receptaculum wird aber
überall auch da fleischig, wo gar keine männlichen Exemplare
vorhanden sind, wenn nur die klimatischen Verhältnisse günstig
sind. Man kann also bei der Feige nicht von einer Neigung
zur Sterilität, sondern nur von einer Erschwerung der Be-
I) Nach Petersen in Engler-Prantl, Natürliche Pflanzenfamilien,
Musaceae, p. 9.
fruchtung sprechen: wegen dieser und der Unsicherheit der
Vermehrung durch Samen hat die Pflanze die Fähigkeit er-
worben, sich leicht durch Stockausschlag auszubreiten. Diese
Fähigkeit wird vom Menschen in der Cultur benutzt und auf
die Zucht aus Samen wird ganz verzichtet; von einer Ein-
wirkung der schon so lange betriebenen vegetativen Vermehrung
auf die Ausbildung der Reproductionsorgane kann nichts be-
merkt werden.
Da die Dattelpalme ihrer Früchte wegen gezogen wird,
dieselben aber nur ausbilden kann, wenn nach erfolgter Be-
stäubung und Befruchtung der weiblichen Blüthen der Samen
sich entwickelt!), so würde eine Beeinträchtigung der Repro-
ductionskraft mit der Cultur unverträglich sein. Die Dattel-
kerne keimen auch ohne Schwierigkeit, aber sehr langsam und
die Entwicklung des Keimlings geht ebenfalls sehr langsam
von statten. Es würde also sehr lange dauern, bis man die
Pflanzen so weit herangezogen hätte, dass sie blühen können
und dann wäre man noch auf den Zufall angewiesen, wie viele
von ihnen fruchttragende und wie viele männliche, deren man
ja nur wenige zur Bestäubung für viele weibliche bedarf,
wären. Desshalb vermehrt man die Dattelpalme seit langer
Zeit durch die abgeschnittenen Seitentriebe, die sich reichlich
an der Basis älterer Stämme entwickeln. Es hat aber in diesem
Falle die Ausbildung keimfähiger Samen nicht im geringsten
nachgelassen bei fortgesetzter ausschliesslicher vegetativer Ver-
mehrung in der Cultur.
Beim Oelbaum wendet man die Vermehrung durch
Stecklinge nicht bloss des schnelleren Erfolges wegen an,
ı) Es muss wohl auf einem Irrthum beruhen, dass Darwin (Variiren
d. Th. u. Pfl. etc. II, p. 193) die Dattel mit unter denjenigen Früchten auf-
zählt, die ein essbares Fleisch entwickeln, auch wenn sie selten oder nie
Samen enthalten. In Hinsicht der Culturmethode sei hier nochmals auf die
Abhandlung Hansen’s über die Dattelpalme in „Prometheus“ 1890 ver-
wiesen.
sondern auch wegen der Schwierigkeit, mit welcher die Samen
keimen (conf. p. 39). Worauf die geringe Keimfähigkeit der
Oliven beruht, vermag ich nicht anzugeben; vielleicht wird sie
auch nur in einigen Gegenden, deren klimatische Verhältnisse
der Keimung ungünstig sind, beobachtet; der wilde Oelbaum
scheint sich leicht durch Samen zu vermehren und soll durch
Aussäung Wälder gebildet haben. Jedenfalls können wir
nicht sagen, dass die geschlechtliche Fortpflanzung durch die
vegetative Vermehrung beim Oelbaum beinträchtigt worden ist.
Anders verhält sich die Sache beim Zuckerrohr, über
dessen Cultur und Neigung zur Sterilität bereits oben (p. 69
und 84) gesprochen wurde. Es sei hier nochmals her-
vorgehoben, dass man nicht im Allgemeinen sagen kann, das
Zuckerrohr blühe selten, wohl aber, dass es selten keimfähige
Samen hervorbringt. Das Blühen hängt theils von der culti-
virten Varietät ab, indem die eine leichter oder früher, die
andere schwerer oder später blüht, theils von den äusseren
Lebensbedingungen, unter denen es gezogen wird: so kommt
es nach Schacht (l. c. p. 34) auf Madeira nur auf solchen
Feldern zur Blüthe, welche tiefer gelegen und dazu der Sonne
stark ausgesetzt sind. Dass keimfähige Samen entstehen können,
hat Benecke, dem wir die ersten genaueren Untersuchungen
der hier in Betracht kommenden Verhältnisse verdanken,
nachgewiesen. Seine Meinung, die er sich aus mehrjähriger
Beschäftigung mit der Zuckerrohrcultur gebildet hat, ist, dass
die Pflanze unzweifelhaft im Begriff steht, ihre Fähigkeit, zu
blühen und Früchte zu tragen, zu verlieren. In diesem Zu-
stande habe sie sich jedenfalls schon befunden, als der Mensch
ihre Cultur begann, und nichts spricht dafür, dass sie jemals
in der Cultur durch Früchte vermehrt worden ist. Man zieht
die Pflanzen aus Stecklingen, wie oben (p. 69) geschildert
wurde. So wird denn auch im natürlichen Zustande nicht
bloss der alte Stock durch neuen sogen. Wurzelauschlag ersetzt
ee
(wie man es auch an den Topfpflanzen der Gewächshäuser sieht),
sondern es entstehen dadurch auch immer mehr neue Pflanzen,
die so, freilich nur langsam, aber sicher, zu einer Verbreitung
über ein. grösseres Gebiet führen; vermuthlich kann auch,
wenn ein grosser Halm, durch Wind oder Thiere geknickt,
sich auf die Erde legt, an seinem oberen Ende eine neue Aus-
sprossung entstehen und so eine noch schnellere und weitere
Verbreitung erfolgen. Diese Leichtigkeit der vegetativen Ver-
mehrung scheint nun hier wirklich die Veranlassung zur be-
ginnenden Sterilität gewesen zu sein, die um so auffallender
ist, als sonst die Gräser eine grosse Menge fruchtbarer Samen
zu erzeugen pflegen. Wenigstens wüsste ich nicht, welchen
anderen Grund man für die schwindene Reproductionskraft
des Zuckerrohres anführen könnte. Es kommt hinzu, dass der
Züchter nicht nur kein Gewicht auf die Ausbildung der Samen
legt, sondern das Blühen des Zuckerrohres sogar ungern sieht,
weil dabei die benutzten Theile an Werth verlieren: so wird
die Cultur die Neigung zur Sterilität noch unterstützen.
Bei unseren Obstbäumen und Reben wird die Ver-
mehrung durch Stecklinge aus den oben angegebenen Gründen
angewendet, nämlich weil die Sämlinge zu langsam wachsen
und zu leicht ausarten. Eine Beinträchtigung der Repro-
ductionsorgane tritt nur insofern ein, als manche Kernobst-
früchte, wie auch Orangen, und manche Weinbeeren weniger
Samen als die Regel ist, oder gar keine Samen erzeugen. Es ist
dies aber gewiss nicht zur Vermehrungsweise in Beziehung zu
bringen, sondern beruht offenbar auf einem Correlationsver-
hältniss zwischen Fruchtfleisch und Samen, insofern das Mate-
rial nicht ausreicht, beides zur grösstmöglichen Vollkommenheit
zu bringen. Während die meisten Gartenzüchter die bedeutende
Grösse und anormale Entwicklung der Frucht als die Ursache
und die Unfruchtbarkeit als das Resultat betrachten, hält
Darwin die umgekehrte Ansicht für wahrscheinlicher, weil er
findet, dass bei Bastarten die Neigung zur Sterilität ein
üppiges Wachsthum der vegetativen Theile, der Blumen-
blätter u. s. w., leicht zur Folge hat. Es ist aber bei den
oben genannten Pflanzen gar kein Grund zur Unterdrückung
der Samen zu finden, wenn man ihn nicht eben in der starken
Ausbildung des Fruchtfleisches findet, auf die ja der Züchter
hin arbeitet und die das vorhandene Material zunächst in An-
spruch nimmt.
Ein ähnliches Correlationsverhältniss lässt sich auch an-
nehmen für die Knollengewächse. Bei einigen derselben, die nur
vegetativ vermehrt werden, wie die Batate (Convolvulus Bata-
tas), die Colocasie (Colocasia antiquorum), die Pfeilwurz
(Maranta arundinacea) und die Kartoffel, ist eine Neigung
zur Sterilität vorhanden, indem sie nur selten blühen, oder
wenigstens, wie bei der Kartoffel, einige Varietäten sich so ver-
halten, worüber im III. Kapitel gehandelt worden ist!). Wenn
auch äussere Umstände, wie Feuchtigkeit und Lichtmangel, mit
eine Rolle spielen bei der Unterdrückung der Blüthen, so
dürfte doch in erster Linie hier desswegen die Leichtigkeit der
vegetativen Vermehrung die Schuld tragen, weil die Ausbil-
dung der besonderen knollenförmigen Vermehrungsorgane eine
Eigenthümlichkeit der betreffenden Arten ist und ein anderer
Grund für die mangelhafte Reproduction aus Samen fehlt.
Hier können wir mit Darwin übereinstimmen, nach welchem
es eine wahrscheinlichere Ansicht ist, „dass Pflanzen, welche
sich nach der einen Methode reichlich fortpflanzen (nämlich
durch Knospen), nicht hinreichende Lebenskraft oder organi-
sirte Substanz für die andere Methode der sexuellen Zeugung
besitzen‘‘ — wahrscheinlicher, als „dass die geschlechtliche
Sterilität in Folge veränderter Lebensbedingungen die pri-
I) Die Angabe über die Maranta bezieht sich wenigstens auf Madeira
mach Schacht,l. c, p. 21.)
sen 156 u
märe Ursache ist, welche zu der excessiven Entwicklung der
Vegetationsorgane führt.“ Freilich giebt es auch Knollen-
gewächse, bei denen die Vermehrung durch die Knollen die
Blüthen- und Fruchtbildung nicht zu beeinträchtigen scheint,
wie Dioscorea Batatas, Helianthus tuberosus, Dahlia variabilıs,
woraus dann aber nur zu schliessen ist, dass die eine Erschei-
nung die andere nicht immer nach sich ziehen muss.
Es ist schliesslich bekannt, dass eine Anzahl ihrer Blumen
wegen gezogener Gewächse steril sind, die also durch Ableger,
Stecklinge u. dergl. vermehrt werden. Die Ursache kann eine
verschiedene sein und es soll hier nur an einiges erinnert werden,
was dafür in Betrachtung kommt. Viele dieser Ziergewächse
sind Bastarte, und wir haben schon oben gesehen, dass sie gern
steril sind. Bei gefüllten Blüthen ist eine Befruchtung oft
ganz unmöglich oder doch erschwert. Ferner ist bei auslän-
dischen Pflanzen aus wärmeren Gegenden das Klima nicht ge-
eignet, um die Früchte reifen oder nur sich ansetzen zu lassen,
wenn auch die Blüthen normal ausgebildet werden; bei solchen
bedarf es vielleicht auch manchmal besonderer Insecten zur
Bestäubung, die an dem Ort der Cultur nicht vorhanden sind.
Unter diesen Verhältnissen würde also die Sterilität nicht von
der vegetativen Vermehrungsweise abhängig sein. Es mag
aber wohl auch jene von dieser hervorgerufen werden können,
wenigstens führt C. F. Gärtner!) unter den speciellen Ur-
sachen des Abortus der Ei’chen in den Fruchtknoten auch an
„besondere Culturverhältnisse: z. B. Emten, Schnittlinge und
Absenker erzeugen viel häufiger taube und abortirte Samen,
als die aus Samen erzeugten Pflanzen derselben Art.“
Ueberblicken wir nun die im Vorhergehenden angeführten
Erscheinungen, so finden wir, dass sowohl bei den spontan
I) Versuche und Beobachtungen über die Befruchtungsorgane der
vollkommenen Gewächse. Stuttgart 1844, pP. 444.
wachsenden als auch bei den cultivirten Pflanzen, wenn sie
eine Beeinträchtigung in der Blüthen- oder Fruchtbildung oder
vollständigen Mangel daran zeigen, dafür aber reichlich auf
vegetativem Wege sich vermehren oder vermehrt werden, sich
dies. in den meisten Fällen darauf zurückführen lässt, dass
äussere Umstände dem Blüthen- oder Fruchtansatz hinderlich
sind, wofür dann die Ausbildung besonderer knospenartiger
Vermehrungsorgane oder die Fähigkeit, durch Stecklinge und
dergleichen vermehrt zu werden, tritt. Geringer ist die Zahl
derjenigen Fälle, in denen wir Grund haben, anzunehmen, dass die
vorwiegende oder ausschliesslich vegetative Vermehrungsweise
das Primäre ist und die Pflanzen aus dieser auf natürlichem
Wege erlangten oder durch die Cultur ihnen aufgenöthigten
Gewohnheit sich die Fortpflanzung durch Samen, ja sogar das
Blühen selbst abgewöhnt haben, oder dies zu thun im Begriffe
sind. Das Resultat, zu dem wir gelangt sind, ist ziemlich das-
selbe, zu dem auch Darwin bei Erörterung der Fragen nach
den Ursachen der Sterilität in dem mehrfach citirten Kapitel
gekommen ist. Auch er hat, wie schon angedeutet, bei der
Besprechung der einzelnen Fälle, einmal die vegetative Ver-
mehrung als Ursache der Sterilität angenommen, das andere
Mal diese aus jener erklärt und äussert sich im Schluss-
abschnitt (p. 197) folgendermaassen: „Die Ansicht, welche die
wahrscheinlichste zu sein scheint und welche alle vorstehenden
Thatsachen mit einander in Verbindung bringt und unter unseren
vorliegenden Gegenstand begreifen lässt, ist die, dass veränderte
und unnatürliche Lebensbedingungen zuerst eine Neigung zur
Sterilität veranlassen, und da in Folge hiervon die Reproductions-
organe nicht länger im Stande sind, ihre ihnen eigenen Func-
tionen zu erfüllen, so strömt eine Quantität organischer Sub-
stanz, welche zur Entwicklung des Samens nicht erforderlich
ist, entweder in dieselben Organe und macht sie blätterig oder
in die Früchte, Stämme, Knollen u. s. f. und vermehrt ihre
— 1538 —
Grösse und Saftigkeit. Ich bin aber weit entfernt, leugnen
zu wollen, dass es unabhängig von einer beginnenden Sterilität
einen Antagonismus zwischen den beiden Formen der Repro-
duction gibt, nämlich zwischen der durch Samen und der durch
Knospen, wenn eine von beiden bis zu einem äussersten Grade
geführt wird.“
KAPITEL V.
Ueber Entstehung und Bedeutung der geschlechtlichen
Fortpflanzung im Pflanzenreiche.
In den vorhergehenden drei Kapiteln handelt es sich
meistens um Blüthenpflanzen, und bei’ diesen gibt es nur eine
Art der Reproduction durch Keime: die sog. geschlechtliche
Fortpflanzung, bei der ein Ei mit einer befruchtenden Zelle
verschmilzt und das Copulationsproduct sich zum Embryo ent-
wickelt. Eine solche geschlechtliche Fortpflanzung ist also bei
allen Phanerogamen vorhanden und höchstens ausnahmsweise
einmal durch vegetative Vermehrung ersetzt, wobei dann aber
wenigstens die Sexualorgane ausgebildet zu werden pflegen;
sie ist sodann bei den meisten Thieren und vor allem bei der
grossen Classe der Thiere, zu der die Naturgeschichte auch
den Menschen rechnet, die alleinige Art der Fortpflanzung.
Desshalb hat man, wie schon in der Einleitung (p. 8) gesagt
wurde, auf die zur Entstehung des neuen Organismus noth-
wendige Vereinigung zweier Geschlechter ein solches Gewicht
gelegt, dass man die Fortpflanzung im Allgemeinen wesentlich
danach unterschieden hat, ob sie geschlechtlich oder unge-
schlechtlich erfolge, während ich mich hier, in Uebereinstimmung
mit anderen Autoren, bemühe, zu zeigen, dass der Haupt-
unterschied darin liegt, ob die Fortpflanzung durch Keime oder
durch Knospen erfolgt. Es ist zwar auch hierbei die Grenze
re
keine ganz scharfe, allein es führt unsere Anschauung doch nicht
zu solchen Unzuträglichkeiten, dass die Sporen der Pilze, Moose
und Farne einerseits in dieselbe Classe der Vermehrungs-
organe gerechnet werden, wie die Knollen der Kartoffel,
andererseits den Samen der Blüthenpflanzen gegenübergestellt
werden, während sie mit ihnen biologisch doch ganz gleich-
werthig sind, ja dass die nicht copulirenden Schwärmsporen in
jene erste Classe, die copulirenden aber in die andere gestellt
werden. Hier, in diesem zuletzt erwähnten Puncte, lässt sich
nun am besten zeigen, dass die Vereinigung zweier Keime zur
Bildung eines neuen etwas Secundäres ist!) und dass sich die
Bildung geschlechtlich erzeugter Keime ganz schrittweise von
der der ungeschlechtlich entstehenden ableiten lässt. Ich will
desshalb die Entstehung der geschlechtlichen Fortpflanzung
hier etwas weiter ausführen und untersuchen, warum dieselbe
bei den höheren Organismen zur herrschenden geworden ist,
also zeigen, welche Vortheile aus ihr erwachsen und welche
Bedeutung sie besitzt ?).
Bevor wir aber auf eine Betrachtung der Formen, unter
denen die geschlechtliche Fortpflanzung auftritt, eingehen,
wollen wir noch darauf hinweisen, wie diese Formen von dem
ganzen Bau und der Lebensweise der Pflanzen abhängen,
wenigstens soweit uns dies zu verstehen möglich ist; dabei
sehen wir auch, wie bei einigen Pflanzen die Sexualität sich
nicht ausbildet, sondern im Gegentheil eine rein ungeschlecht-
liche Keimbildung zur Regel wird. |
Wie für chemische Verbindungen im Allgemeinen der Satz
gilt: corpora non agunt nisi soluta, so ist auch für die Um-
ı) Vgl. hierzu auch Klebs, Ueber einige Probleme der Physiologie
der Fortpflanzung. Jena 1895, p. 24.
2) Dieses Kapitel erschien als besonderer Aufsatz im biologischen
Centralblatt, Bd. XVI, p. 129—153, ist aber hier mehrfach umgearbeitet und
erweitert.
= 7107, —
änderungen im plasmatischen Leibe der Zelle das Vorhandensein
von Feuchtigkeit erforderlich. Wenn sich zur geschlechtlichen
Zeugung zwei Zellen mit einander verbinden sollen, so ist dies
nur möglich, wenn dieselben nicht von Membranen umkleidet
sind und solche sog. nackte Zellen wiederum können nur im
Wasser oder in einer mit Wasserdampf gesättigten Luft
existiren. Bei Pflanzen, die im Wasser leben, können also die
zur Copulation bestimmten Zellen der einen Pflanze in das
Wasser austreten, um dort mit den entsprechenden der
anderen Pflanze zu copuliren und dieses Verhältniss finden wir
bei den Algen. Um sich leichter zu treffen, bewegen sich die
Geschlechtszellen lebhaft und sind dazu mit Geisseln versehen.
Es braucht aber nur eine Zelle beweglich zu sein, wenn diese
die andere aufsucht: jene andere muss aber dann in einem
offenen Behälter liegen, zu dem diese im Wasser gelangen
kann. Auch dies ist bei den Algen zu finden und ausserdem
bei den Bryo- und Pteridophyten, die ja im Wasser oder an
feuchten Stellen wachsen und bekanntlich ihre Befruchtung
nur im Wasser vollziehen können. Sind die Lebensverhältnisse
der Pflanze nicht derart, dass die Befruchtung im Wasser vor
sich gehen kann, so müssen complicirtere Einrichtungen ge-
troffen werden, damit die befruchtende Zelle zu der zu be-
fruchtenden gelange und ihre Plasmakörper verschmelzen: dies
muss innerhalb des Pflanzenkörpers selbst geschehen. Unter
Berücksichtigung dieser Verhältnisse können wir uns die Ent-
stehung der Fortpflanzungsorgane einer Blüthenpflanze aus
denen einer Gefässkryptogame etwan in folgender Weise con-
struiren.
Wir denken uns von der letzteren Classe eine solche, die
in ihren Eigenschaften sich an Selaginella und Salvinia zu-
gleich anschliessen würde: sie habe Makrosporangien mit je
einer Makrospore, in welcher das Prothallium eingeschlossen
bleibt. Es verbleibe nun das Makrosporangium mit der Makro-
Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. II
— 12 —
spore an der Pflanze und falle nicht ab: dann muss die Mikro-
spore zu der Makrospore übertragen werden und dies ist der
Process, den wir Bestäubung nennen, zu seiner Ermöglichung,
also zum Auffangen und Festhalten der Mikrosporen müssen
auch eine ganze Anzahl von Einrichtungen getroffen werden,
und unter diesem Gesichtspunkte erklärt sich der oft so com-
plicirte Blüthenapparat und zwar mit Hinsicht nicht bloss auf
die weiblichen, sondern natürlich auch auf die männlichen
Organe. Für die Schlauchbildung, durch welche die be-
fruchtende, männliche Zelle aus der Mikrospore zu dem Ei ge-
leitet werden muss, finden wir die Anlage schon bei Salvinia ;
während aber hier der Schlauch noch die frei beweglichen
Antherozoiden entlässt, dringt er dort bis zum Ei und erspart
es so der männlichen Zelle, sich mit Cilien zu versehen. Wir
können hinzufügen, dass sich auf diese Weise auch die Samen-
bildung im Gegensatz zur Sporenbildung erklären lässt; denn
während bei den Kryptogamen die Makrosporen als Ver-
breitungsmittel dienen, bleiben sie ja bei den Phanerogamen
an der Pflanze und die Verbreitung der Keime wird auf einen
späteren Zeitpunkt verschoben, nämlich bis zu dem, wann sich
aus der befruchteten Eizelle der Keim soweit entwickelt hat,
als es ihm innerhalb der Makrospore und des Makrosporangiums
möglich ist. Die ungeschlechtliche Bildung von Keimen unter-
bleibt bei den Blüthenpflanzen.
Haben wir so deren Fortpflanzungsweise in groben Zügen
von der der höheren Kryptogamen und somit auch indirect
von der der Algen abgeleitet, indem wir dem Medium, in dem
die Pflanzen leben und speciell die Befruchtung erfolgt, einen
wichtigen Einfluss zuschreiben, so können wir nun auch die
Vermehrungsweise der Pilze von der der Algen unter diesem
Gesichtspunkte ableiten. Die Pilze sind, als Saprophyten und
Parasiten, dazu bestimmt, auf einer verhältnissmässig tiefen
Stufe der Organisation zu verbleiben und die complicirten Ein-
mr 163 ee
richtungen zur Befruchtung, wie wir sie bei den Blüthenpflanzen
antreffen, werden bei ihnen nicht ausgebildet!). Die Folgen der
terrestrischen Lebensweise zeigen sich hier als ein Erlöschen
der Sexualität. Es ist sehr wahrschein-
lich, dass die Pilze von den Algen ab-
stammen, und es unterscheiden sich die
den Ausgang bildenden Formen von
den Algen wesentlich nur durch den
Mangel des Chlorophylis: wie jene sind
sie fadenförmig, leben im Wasser, bilden
Schwärmsporen und werden darum mit
Recht als Phycomyceten bezeichnet.
Bei einzelnen, wie bei Monoblepharis, fin-
den wir auch dieselbe Form der ge-
schlechtlichen Fortpflanzung wie bei
Algen: Befruchtung eines ruhenden Eies
durch eine bewegliche männliche Zelle
(Fig. 23). Bei den anderen wird keine
frei bewegliche männliche Zelle mehr
entwickelt, sondern das befruchtende
Element wird durch einen Schlauch,
ähnlich wie bei den Phanerogamen, zu
dem Ei geleitet. Dies tritt sowohl bei den
aquatischen Saprolegnieen als auch
bei den terrestrischen Peronosporeen
ein.
Fig. 23. Monoblepharis
sphaerica, «a (Geöffnetes
Oogonium mit Ei. 5 An-
theridium, aus dem die
Spermatozoidien aus-
schlüpfen ; zwei derselben
haben sich an das Oogo-
nium angesetzt. (Nach
Cornu.)
Bei einigen Peronosporeen tritt der Inhalt des Anthe-
ridiums noch in den des Oogoniums über, bei anderen nicht
mehr; bei einigen Saprolegnieen wird vom Antheridium
I) Es ist dagegen natürlich, dass die wasserbewohnenden und sapro-
phytischen oder parasitischen Phanerogamen
in den Fortpflanzungsver-
hältnissen im Wesentlichen mit den in der Luft lebenden und sich selb-
ständig ernährenden übereinstimmen, da sie sich ja erst nachträglich von
diesen abgeleitet haben.
DIS
BI- 164 u
noch ein Befruchtungsschlauch gebildet, aber er öffnet sich
nicht mehr, bei anderen Arten bleiben die Antheridien ohne
Befruchtungsschlauch und bei noch anderen fehlen die Anthe-
ridien überhaupt, wie z. B. bei ‚Saprolegnia monilifera: Die
Sporen sind hier nur aus der Analogie mit anderen Arten als
parthenogenetisch gebildete Oosporen aufzufassen, in Wirklich-
keit aber unterscheiden sie sich nicht von den Sporen, die bei
anderen Pilzen asexuell in einem Sporangium entstehen. Eine
geschlechtliche Fortpflanzung findet sich auch bei der anderen
Gruppe der Algen-ähnlichen Pilze, den Zygomyceten; bei
ihnen wird aber kein Ei mehr gebildet, sondern es copuliren
nur zwei gleichartige und zwar aus demselben Mycelium ent-
springende Myceläste und geben als Product eine Zygospore!).
Diese Zygomyceten sind schon sämmtlich dem Leben in
der Luft angepasst wie die höheren Pilze, die den Phycomy-
cetenalsMycomyceten gegenübergestellt werden. Beiihnen
werden nach Brefeld die Sporen nur noch auf ungeschlecht-
lichem Wege erzeugt, theils innerhalb eines Sporangiums, das,
wenn die Zahl der Sporen in ihm eine bestimmte (meist 8) ist,
Ascus genannt wird (Ascomyceten), theils werden sie äusserlich
abgeschnürt?) von einem Träger, der, wenn er eine bestimmte
Form besitzt und eine bestimmte Anzahl von Sporen (meist 4)
bildet, Basidie heisst (Basidiomyceten). Für die letzteren
scheint es sicher zu sein, dass ihnen jede Spur einer geschlecht-
lichen Fortpflanzung verloren gegangen ist; für de Ascomy-
ceten lässt sich nach neuesten Untersuchungen ?) ein Sexualact
in einzelnen Fällen noch insofern annehmen, als der Bildung
ı) Das Verhalten der Zellkerne bei der Zygosporenbildung ist von
Leger für Sporodinia grandis untersucht. (Revue gen£rale de botanique,
T. VIL, p. 481—496. Pl. 18—21. 1805.)
2) Ueber die Vermuthung, dass auch diese Sporen durch Zellver-
jüngung entstehen, vergl. oben p. IO.
3) Harper, Die Entwicklung des Peritheciums bei Sphaerotheca Castagnet.
(Berichte der deutschen botan. Gesellsch. 1895, Bd. XIII, p. 475.)
in 165 en
der Sporangien oder Schläuche eine Copulation zwischen der die
Sporangien producirendenZelle und der eines benachbarten Myce-
liumastes vorausgeht, ein Vorgang, der sich von der Copulation
bei den Zygomyceten ableiten lassen und die Sexualität
auf ihrer letzten Stufe vor dem gänzlichen Erlöschen repräsen-
tiren würde. Es kommen dann noch Kernverschmelzungen in
einer Zelle, die zur Sporenbildung in Beziehung stehen, bei
Pilzen vor, hierbei ist aber, meiner Meinung nach, überhaupt
nicht mehr an sexuelle Vorgänge zu denken !).
Uebrigens bedürfen die Verhältnisse bei den Ascomyceten,
welche oben berührt wurden, weiterer Untersuchungen noch sehr
und es kann desshalb hier noch nicht näher darauf eingegangen
werden. Jedenfalls ist deutlich und erklärlich, dass die Pilze
aus den oben angegebenen Gründen die geschlechtliche Fort-
pflanzung verlieren und dafür um so reichlicher ungeschlechtlich
erzeugte Keime bilden, deren Form der terrestrischen Lebens-
weise angepasst ist.
Wenn sich nun beim Aufsteigen in dem System der Pilze
eine Reduction der Sexualorgane bis zum Schwinden der
Sexualität ergibt, so können wir andererseits erwarten, eine
Complication in dem Sexualprocess ?), eine complicirtere Structur
der Sexualorgane zu finden, wenn wir in dem System der
Algen aufwärts steigen und zu Moosen, Gefässkryptogamen
und Phanerogamen gelangen. Ganz im Allgemeinen trifft dies
auch zu: die Phanerogamen, speciell die Angiospermen mit
ihrer Blüthenbildung und Bestäubung, stehen entschieden am
höchsten und die Gefässkryptogamen und Moose mit ihrem
I) Vgl. den Aufsatz von Poirault und Raciborski über conjugate
Kerne u. s. w. im biologischen Centralblatt Bd. XVI, p. 24.
2) Es kann sich hier natürlich nur um die die eigentliche Befruchtung,
die ja überall in gleicher Weise in der Verschmelzung zweier Zellen besteht,
begleitenden und vorbereitenden Umstände handeln, sodann aber auch um
die Verschiedenheit zwischen den beiden Gameten.
— 16 —
regelmässigen Generationswechsel stehen in dieser Hinsicht über
den Algen. Im Einzelnen aber ist keine solche Harmonie zwischen
dem complicirteren Bau des Pflanzenkörpers und dem der Sexual-
organe vorhanden. Bei den Angiospermen sind die eigent-
lichen Befruchtungsorgane ja im Wesentlichen überall die
gleichen, die Complication liegt in den Bestäubungseinrichtungen
und diese sind ganz unabhängig von der einfacheren oder
höheren Organisation der Pflanze, wie sich z. B. aus dem Ver-
gleich einer kleinen krautigen Orchidee mit einer Palme oder
Eiche ergibt. Aehnlich verhält es sich in der Classe der Ge-
fässkryptogamen, wo eine der einfachsten, die Azolla, den
complicirtesten Befruchtungsapparat ausbildet. Die. grossen
Brauntange des Meeres aber können, was ihren morphologischen
Aufbau und ihre Structur betrifft, gewiss auf eine Stufe mit
einfacheren Farnen, ja auf eine höhere Stufe als die meisten
Moose gestellt werden; dem entspricht aber keineswegs die
Entwicklung des Fortpflanzungsapparates. Während wir es
von den Moosen an aufwärts stets mit sexueller Fortpflanzung
zu thun haben, so zeigen sich bei den Algen alle Stufen von
der asexuellen zur sexuellen Keimbildung und wir können hier
viel eher von einer Vervollkommnung in dieser Beziehung im
Vergleich mit der in der übrigen Organisation des Körpers
sprechen. Da treffen wir nun gerade bei den erwähnten Braun-
tangen das Merkwürdigste: eine Abtheilung derselben, die
Fucaceen, besitzt einen hoch organisirten Thallus und zu-
gleich geschlechtliche Fortpflanzung mit grosser Verschiedenheit
zwischen männlichen und weiblichen Gameten, die Lami-
nariaceen aber, welche mindestens eine ebenso complicirte
Organisation ihres Thallus aufweisen können wie die Fuca-
ceen, stehen noch auf der untersten Stufe der Fortpflanzung,
wie sie bei Brauntangen gefunden wird, indem ihre Keime sich
als einfache Schwärmsporen gänzlich ungeschlechtlich ent-
wickeln. Die Algen überhaupt, untereinander verglichen, zeigen,
3 167 et
dass die Ausbildung der Sexualität wenig mit der der übrigen
Organisation zu thun hat. So hat es unter den Siphoneen
nur die äusserst einfach gebaute Vaucheria zur oogamen Fort-
pflanzung gebracht, nicht aber die Gruppe der: im Aufbau
des Thallus am höchsten stehenden Dasycladaceen. Die
höchste Stufe in den Verhältnissen der Fortpflanzung nehmen
— wenn wir von den Florideen absehen — unter den Algen
kleine, einfache oder verzweigte Fadenalgen, die DOedogonia-
ceen, ein. Bei ihnen findet sich nicht nur ein deutlicher
Unterschied zwischen den männlichen und den weiblichen
Gameten, sondern bei einigen Oedogonium- und bei den Bulbo-
chaete-Arten ein höchst merkwürdiger Generationswechsel bei
der Entstehung der männlichen Sexualorgane, indem aus einer
Schwärmspore eine kleine männliche Pflanze, eigentlich nur ein
Antheridium (Zwergmännchen genannt) entsteht, das dann die
männlichen Gameten producirt. So hält denn bei den Algen
die Steigerung in der Ausbildung der Sexualität keineswegs
gleichen Schritt mit der in der Vervollkommnung der Organi-
sation der vegetativen Theile, wofür noch mehrere Belege an-
zuführen nicht schwer sein würde. Es würde dies in mancher
Hinsicht die von Sachs ausgesprochene Anschauung !) be-
stätigen, dass die Chlorophyceen keine einheitliche Classe
bilden, sondern verschiedene „Architypen“ enthalten, von denen
z. B. die Dedogoniaceen einen bilden. Jedoch auch von
diesem Standpunkte aus würde unsere Betrachtung nicht über-
flüssig sein, denn es handelt sich hier um einen Vergleich
der Fortpflanzungsverhältnisse mit den übrigen Organisations-
verhältnissen überhaupt und zudem können wir unter den
Brauntangen und Siphoneen wirklich die Glieder einer Familie,
eines „Architypus“ mit einander vergleichen. Wenn also
auch unzweifelhaft die Sexualität mit der Einführung eines
ı) Physiologische Notizen. No. X. Flora 1896, p. 201.
— 18 —
neuen Bedürfnisses neue Ansprüche an die Organisation stellt,
so kann doch bei den Algen wegen ihrer aquatischen Lebens-
weise dieses Bedürfniss auf so einfache Weise befriedigt werden,
dass vielleicht nur der Bau der eigentlichen Sexualorgane,
nicht aber die übrigen Theile des Pflanzenkörpers, davon be-
einflusst werden. Mit der Schwierigkeit, die sexuellen Zellen
zu vereinigen, wird auch das Bedürfniss besonderer Organi-
sationsverhältnisse gegeben, wie wir theils schon zu schildern
versucht haben, theils noch sehen werden.
Jetzt wollen wir, um die Entwicklung der Sexualität ge-
nauer kennen zu lernen, von unten anfangend, die verschiedenen
Gruppen des Pflanzenreichs an uns vorüber ziehen lassen und
sie auf die Verhältnisse ihrer Fortpflanzung hin untersuchen.
Es kommt uns dabei nicht bloss auf die äussere Form der
letzteren an, sondern auch auf die subtileren Vorgänge in den
Veränderungen der Fortpflanzungszellen, welchen Vorgängen
in letzter Zeit gerade eine besondere Beachtung zu Theil ge-
worden ist.
Sachs!) hat sehr treffend gesagt, dass man den sog.
Stammbaum des Pflanzenreichs besser als mit einem Baume mit
einer Pflanze vergleicht, deren kriechendes Rhizom eine Anzahl
aufrechter Sprosse von verschiedener Grösse neben einander
entwickelt. Dieses Rhizom nun bilden wahrscheinlicher Weise
kleine Flagellaten-artige Organismen, die sich lediglich durch
Theilung vermehren ?). Von ihm gehen die einfachsten grünen
Algen aus, die, sich weiter entwickelnd, den Hauptspross liefern,
dessen oberste Aeste die Angiospermen und Gymnospermen
darstellen.
Direct von den Urformen abzuleiten sind wohl ferner die
I) In der eben citirten physiolögischen Notiz.
2) Conf. Klebs, Flagellatenstudien, in Zeitschr. f. wissensch. Zoologie
1892. Bd. LV, p. 428.
un 169 en
Conjugaten, die Diatomeen und Dinoflagellaten und
jedenfalls auch die Cyanophyceen. Die Phaeophbyceen
können vielleicht auch vermittelst einfachster brauner Algen
direct auf die Urformen zurückgeführt werden, sie schliessen
sich aber in der Entwicklung ihrer Fortpflanzungsverhältnisse
an die grünen Algen an. Die Florid.een zeigen manche Be-
ziehungen zu den blaugrünen Algen, vielleicht aber auch leiten
sie sich von einfachen Chlorophyceen ab: diese Frage
kann meiner Meinung nach bis jetzt noch nicht mit Sicher-
heit entschieden werden; wir müssen, was die Fortpflanzungs-
verhältnisse betrifft, die Florideen für sich betrachten.
Beginnen wir nun unsere Uebersicht mit den blaugrünen
Algen oder Cyanophyceen, die auf einer ziemlich tiefen
Stufe der Entwicklung stehen geblieben sind. Sie vermehren
sich hauptsächlich durch Zelltheilung und durch unbewegliche
Sporen. Von letzteren nahm man bisher allgemein an, dass sie
durch Umwandlung einer gewöhnlichen vegetativen Zelle in
eine Dauerzelle entstehen. Bei einigen Anabaena-Arten aber
hat Borzi beobachtet, „dass die sich zur Spore umwandelnde
Zelle stets erst durch eine Wand in zwei Zellen zerlegt wird.
Diese beiden Zellen trennen sich aber nicht von einander,
sondern es findet vielmehr später eine Auflösung der trennenden
Querwand und eine abermalige Vereinigung zu einer Zelle, die
sich eben zur Spore ausbildet, statt. Ob dieser Process als
Sexualact aufzufassen ist, lässt Borzi unentschieden“!). Ich
glaube, dass wir hier nicht von einem Sexualact sprechen
können, weil es ja doch von vornherein nur eine Zelle ist, die
zur Spore wird; dass diese Zelle sich vorher nochmals theilt
und die Tochterzellen wieder verschmelzen, ist nur eine Com-
plication des Vorganges, deren Bedeutung uns vorläufig un-
ı) Nach Referat im botan. Centralblatt, Beihefte, Bd. VI, p. 87; Bor-
zi’s Arbeit: Probabili accenni di conjugazione presso. alcune Nostochinee
findet sich in Boll. della Societä botanica italiana, 1895, p. 208—21O0.
verständlich bleibt. Das Fehlen der Sexualität bei diesen Algen
hat man, wohl nicht mit Unrecht, in Verbindung gebracht mit
der Constitution der Zellkerne, welche abweichend von denen
der anderen Pflanzen gebaut sind und keine karyokinetischen
Figuren bilden. Dies ist wenigstens die allgemeine Annahme
und auch Bütschli in seinem letzten Werke über die Cya-
nophyceen !) schreibt den Zellkernen derselben eine einfache
und directe, nicht an Karyokinese erinnernde Theilung zu;
Hegler hat auf der Naturforscherversammlung in Lübeck 1895
zwar Präparate demonstrirt, welche die karyokinetische Kern-
theilung bei mehreren Spaltalgen zeigen sollen, aber nichts
darüber publicirt.
Bei den Diatomeen erfolgt die Bildung der Auxosporen
nicht immer, aber in manchen Arten, durch die Verschmelzung
der Plasmakörper zweier Zellen. Eine dabei eintretende Ver-
schmelzung der Zellkerne ist neuerdings bei Epithemia be-
obachtet worden ?), bei welcher Form die copulirenden Plasma-
körper sich erst theilen und die Theile, welche nicht aus einer
Zelle entstanden sind, paarweise mit einander verschmelzen.
Zwar sind die Auxosporen weder Vermehrungsorgane noch
Ruhezustände der Diatomeen, sondern nur Gebilde, deren Ent-
stehung durch die Theilungs- und Wachsthumsverhältnisse der
Zellen bedingt wird, aber sie müssen doch mit anderen Sporen
verglichen werden und ihre Bildung ist, so weit sie durch
Zellverschmelzung erfolgt, entschieden analog derjenigen der
Zygosporen bei den Conjugaten. Die Diatomeen haben echte
Zellkerne, die sich karyokinetisch, aber unter einer eigen-
thümlichen Modification dieses Processes theilen?). Wir sehen
I) Weitere Ausführungen über den Bau der Cyanophyceen und Bak-
erien. Leipzig (Engelmann) 1896.
2) Klebahn, Ueber das Verhalten der Zellkerne bei der Auxosporen-
bildung von Epithemia. (Vortrag auf der Naturforscherversammlung in
Lübeck, 1895.)
3) Lauterborn, Ueber Bau und Kerntheilung der Diatomeen.
(Verhdlg. des naturhist.-med. Vereins zu Heidelberg, N. F., Bd. V, 1893.)
— WI —
also, dass bei den Diatomeen die Copulation gewissermaassen
erst als etwas Nebensächliches auftritt, indem die Auxosporen
sich auch auf andere Weise bilden können, dass sie aber hier
zuerst auftritt gleichzeitig mit dem Auftreten echter Zellkerne
und karyokinetischer Theilungen.
Bei den Conjugaten muss nun immer eine Verschmel-
zung zweier Zellinhaltskörper eintreten, wenn eine Spore ge-
bildet werden soll, aber sehr eigenthümlich ist es, dass die
Verschmelzung der Plasmamassen nicht immer mit der Kern-
verschmelzung verbunden ist, sondern dass letztere viel später,
erst vor der Keimung der Zygospore, eintreten kann (Fig. 24).
‚Fig. 24. Closterium. A Reife Zygospore mit 2 Chromatophoren und
2 Kernen. B Zygospore kurz vor der Keimung. C Zygospore im Begriffe
zu keimen. D 2 von der gemeinsamen Haut noch umschlossene Keimzellen,
deren jede einen Grosskern und einen Kleinkern enthält. (Nach Klebahn.)
Dieses ist der Fall bei Desmidiaceen, wie Closterium- und
Cosmarium-Arten, nach Klebahn'). Unter den fadenförmigen
erhalten sich bei den ‚Spirogyra-Arten die zwei Kerne in der
jungen Zygote tagelang getrennt neben einander, erst völlig
ausgereifte Zygoten zeigen nur einen Kern, auch bei Meso-
carpus sieht man in den jungen Zygoten noch längere Zeit die
getrennt bleibenden Kerne, bei Zygnema dagegen scheinen sich
I) Klebahn, Studien über Zygoten I. (Pringsheim’s Jahrb., Bd.
XXI, Heft 3.) Auf die merkwürdigen Kerntheilungen und die Bildung von
Gross- und Kleinkernen bei der Keimung der Zygosporen sei nur in der
Anmerkung hingewiesen, diese Erscheinungen gehören nicht in die oben
ausgeführte Betrachtung. Dies gilt auch für die Bildung von Gross- und
Kleinkernen bei der Entstehung der Auxosporen von Epithemia.
— 172 —
die Kerne rasch zu einem einzigen zu vereinigen!). Es hat
also den Anschein, als spielten die Kerne hier noch nicht die
| Hauptrolle bei der Copulation, sondern
als ob eszunächst nur auf die Vereinigung
zweier Plasmamassen ankäme. Dieselben,
I} sowie die ganzen copulirenden Zellen
| ) # sind hier noch einander gleich oder doch
EA sehr ähnlich. Bei den einzelligen Con-
jugaten, den Desmidiaceen, sind die
copulirenden Zellen äusserlich nicht zu
unterscheiden. Für die fadenförmigen
hat Verf. einen Modus der Copulation,
der wohl als der einfachste angesehen
werden kann, vor Kurzem beschrieben ?):
es vereinigen sich zwei benachbarte
Zellen eines Fadens, die vorher von
grösseren Zellen abgetrennt worden
sind, dadurch, dass die trennende Quer-
wand resorbirt wird, worauf natürlich
die vereinigten Plasmakörper noch mit
ee
Fig. 25. Mougeotia
Dleana. A Theil eines Ä j h N
Fadens mit 2 copuliren- (Fig. 25). Die beiden copulirenden Zellen
den Zellen, b ist vona, dundbsind also nicht Theile einer Zelle,
d von e abgetrennt wor-
den. Bund (’ Vereinigung
der Zellen 5b undd. D Zellen, a undc, ab. Wir sehen dann bei
Reife Zygospore.
einer gemeinsamen Haut umgeben wer-
den und so die Zygospore gebildet wird
sondern stammen von verschiedenen
anderen Arten, wie die copulirenden Zellen
erst eine Verbindung zwischen sich herstellen müssen, den
Copulationskanal; die Plasmakörper der zwei Zellen können
sich in demselben vereinigen oder es wandert, auf der nächsten
I) Klebahn, Ueber die Zygosporen einiger Conjugaten. (Berichte
der deutschen botanischen Gesellschaft, Bd. VI, p. 160, 1888.)
2) In: Hedwigia 1895.
Stufe, der Inhalt der einen Zelle durch den Copulationskanal
zu dem der zweiten Zelle hinüber, um hier mit ihm zu ver-
schmelzen: in diesem Falle können wir schon den ersteren als
das männliche, den letzteren als das weibliche Element ansehen.
Für den sich hinüber bewegenden, männlichen Plasma-
körper ist es vortheilhaft, wenn er kleiner ist, denn dann ist
er offenbar leichter beweglich: dementsprechend theilen sich:
bei Sirogonium die Mutterzellen der männlichen und weiblichen
Zellen ungleich. Sie sind Anfangs ziemlich gleich an Grösse,
in der einen aber wird eine kleine von einer grösseren Zelle
getrennt und letztere gibt die weibliche, in der anderen da-
gegen entstehen drei Zellen und die mittlere, kleine, gibt die
männliche Zelle. Dies ist die höchste Differenzirung in den
copulirenden Zellen, die wir bei den Conjugaten kennen; diese
Art der Befruchtung wird bei den Algen nicht weiter ausge-
bildet, sondern es ist die Copulation der Schwärmsporen, welche
später zur Unterscheidung zwischen ruhenden Eiern und be-
weglichen Spermatozoidien führt. Die Conjugaten sind eben
ein kleiner selbständiger Spross, der, von dem Hauptspross der
einfachen flagellatenartigen Organismen sich erhebend, nicht
weiter gewachsen ist. Wir können uns vorstellen, dass eine
Verschmelzung zweier ursprünglich beweglicher Zellen in der
Weise, wie wir sie heute noch bei Chlamydomonas finden
(Fig. 26), zu der eben geschilderten Zygosporenbildung der
Fig. 26. Chlamydomonas Braunii. A Makrogamet, B Mikrogamet,
C—H Aufeinanderfolgende Zustände bei der Copulation von A und B.
in F Kernverschmelzung. H Junge Zygote. (Nach Goroschankin.)
— 174 —
Conjugaten geführt hat. Jedenfalls bildet die genannte Alge
eine Zwischenstufe in dieser Hinsicht zwischen den Algen,
bei welchen sich nicht bewegliche Zellen und denen, bei welchen
sich nackte Schwärmzellen zur Keimbildung vereinigen.
Als Pringsheim im Jahre 1869 die Paarung der Schwärm-
sporen von Pandorina entdeckt hatte, erkannte er auch sogleich
die Bedeutung, welche diese Entdeckung für das Verständ-
niss der sexuellen Fortpflanzung besitzt, indem die Paarung der
Schwärmsporen sich als die einfachste Form der Paarung über-
haupt darstellt. Ausser für Pandorina kennt man diese Schwärm-
sporencopulation jetzt für eine ziemlich grosse Anzahl grüner
und für einige braune Algen; da man aber gefunden hat, dass
die Schwärmsporen sich in anderen Fällen selbständig, ohne
Copulation, entwickeln können, so hat man mit Recht den
Namen für diese, also für die asexuellen Schwärmer, reservirt,
und die sich paarenden Schwärmer, die ja noch keine Sporen
sind, als Planogameten bezeichnet. Selbstverständlich ist diese
Benennung etwas Nebensächliches, da eine Verwirrung der
Begriffe nicht zu befürchten ist. Ausserdem gibt es kein
Merkmal, nach welchem wir einer solchen Schwärmzelle an-
sehen könnten, ob sie eine Schwärmspore oder ein Planogamet
ist; selbst wenn wir die Entwicklung der einzelnen verfolgen,
erlangen wir nicht immer Sicherheit, denn in einigen Fällen
(Ulothrix zonota, Ectocarpus siliculosus) sterben die einzeln
bleibenden Planogameten nicht ab, sondern keimen und werden
zu Pflänzchen, die sich allerdings schlechter als die aus der
Zygote, dem Copulationsproduct der Planogameten, entstehen-
den zu entwickeln scheinen. Klebs!) hat es sogar fertig ge-
bracht, die Copulation der dazu schon bereiten Gameten bei
einigen Algen durch äussere Einflüsse zu verhindern und da-
durch die Gameten, bei denen kein äusserlicher Unterschied
I) Ueber einige Probleme der Physiologie der Fortpflanzung, Jena 1895,
p- 24.
ee
zwischen männlichen und weiblichen zu bemerken ist, wie bei
Ulothrix und Hydrodictyon (und auch bei Spirogyra unter den
Conjugaten) zur Keimung und selbständigen Entwicklung zu
bringen.
Was die Planogameten veranlasst, mit einander zu copu-
liren und zu verschmelzen, das wissen wir nicht; welchen Vor-
theil diese Paarung für die Entwicklung der Pflanzen mit sich
bringt, das werden wir später untersuchen. Wir gehen jetzt
zunächst von der Erscheinung selbst aus, welche also darin
besteht, dass sich zwei gleichartige Zellen, jede mit einem
Kern, so vereinigen, dass eine neue Zelle wieder mit einem
Kern entsteht. Aus den Befruchtungsverhältnissen der Pflanzen
und auch der Thiere können wir schliessen, dass die Kernver-
schmelzung der wichtigste Vorgang bei der Paarung ist, und
aus diesem Umstande wiederum verstehen wir, wie aus den
gleichen Planogameten die verschiedenen Gameten entstanden
sind. Von dem Protoplasma, welches bei den sich paarenden
Planogameten verschmilzt, können wir annehmen, dass es mehr
die Rolle eines Nahrungsstoffes spielt. Es ist darum nicht von
Bedeutung, ob an die beiden Kerne gleiche Mengen von Proto-
plasma gebunden sind, oder ob das Protoplasma mehr zu dem
einen Kerne gehört, jedenfalls aber ist es vortheilhaft, dass die
keimfähige Zelle gleich mit einer grösseren Menge von Proto-
plasma ausgestattet ist. Es erscheint nun als eine zweckmässige
Einrichtung die Theilung der Arbeit in der Weise, dass dem
einen Kerne die Hauptmenge des ernährenden Plasmas beige-
geben wird, dem anderen die Aufgabe zufällt, jene Zelle aufzu-
suchen, und dass dieser zur Erhöhung der Beweglichkeit möglichst
vom Plasma entlastet wird: wir nennen die kleine bewegliche
Zelle die männliche und die grössere die weibliche. Wie
sich ein solcher Unterschied aus der Gleichheit der sich paarenden
Schwärmer entwickelt und wie er immer grösser wird, können
wir bei den grünen und braunen Algen sehr schön verfolgen.
u 176 ut
Wenn die sich paarenden Schwärmsporen, die Planoga-
meten, einander gleich sind, haben sie meistens eine sehr ge-
ringe absolute Grösse, bei Chaetopeltis minor z. B. fand ich
Fig. 27. 4A Chaetopeltis minor,
zwei Planogameten. BD Aphanochaete
repens: a Spermatozoid, 5b Schwärm-
spore, e weiblicher Planogamet. C
Coleochaete pulvinata: a Spermatozoid,
b Schwärmspore, e Oogonium mit Ei
und geöffnetem Hals. Bnach Huber,
C nach Pringsheim.
Alle Figuren bei gleicher
Vergrösserung.
sie 8—Io u lang. Bei einer
mit dieser Alge nahe ver-
wandten, bei Aphanochaete re-
eine
kleinere Schwärmzelle mit einer
pens!) copulirt immer
grösseren: die erstere ist noch
nicht Io u lang und ca. 4 u
dick, die letztere ist kugelig
und hat einen Durchmesser von
18—20 u. Die erstere entsteht
einzeln oder zu zweien in
einer Zelle, die kleiner als
die vegetativen Zellen ist, die
entsteht einzeln in
die beträchtlich
grösser als die vegetativen
Zellen ist. In Beziehung auf
das letztere Verhältniss finden
wir ganz Aehnliches beiden For-
letztere
einer Zelle,
men der folgenden Stufen, bei
welchen ein im Oogonium ver-
bleibendes Ei, das der grossen Schwärmzelle von Aphanochaete
entspricht, von einer kleinen männlichen Schwärmzelle aufge-
sucht und befruchtet wird. Das Ei hat eben seine Beweglich-
keit ganz eingebüsst und desshalb muss der andere, männliche
Gamet bis in das Oogonium eindringen, wie es der Fall ist
bei Oedogonium, Coleochaete u. a. (Fig. 27).
I) Dieses interessante, bei den Confervoideen vereinzelt dastehende
Verhältniss ist von Huber entdeckt worden.
nique de France, Paris 1894.)
(Bulletin de la Societe bota-
Auch unter den Siphoneen haben wir solche verschiedene
Stufen in der Ausbildung der Sexualität: bei Acetabularia copu-
liren zwei gleichartige kleine Planogameten, bei Bryopsis ist
der eine etwa doppelt so gross wie der andere, bei Vaucheria
schliesslich wird ein grosses Ei im Oogonium von einer winzig
kleinen Schwärmzelle befruchtet. Es kommt auch vor, dass
zahlreiche Eier im Oogonium gebildet werden, wie bei Sphaero-
plea,; allein die Zahl der männlichen Schwärmzellen, die in
einem Antheridium entstehen, ist noch viel grösser und die
letzteren sind. so schmal, dass sie durch die engen Oeffnungen
der Membran in den Antheridien und Oogonien heraus- und
bereinschlüpfen können, während die Eier kugelig und etwa
doppelt so dick, wie die Spermatozoidien lang, sind.
Neben der sexuellen Reproduction kommt nun häufig
noch eine asexuelle durch Schwärmsporen vor!). Wenn die
erstere in einer Copulation gleicher Gameten besteht, so
sind diese kleiner als die Schwärmsporen, z. B. bei den Hy-
drodictyeen, einigen Ulvaceen, Ulotrichaceen und
Chaetophoraceen; ausserdem haben die Schwärmsporen
bisweilen 4 Cilien, während die Gameten nur zwei besitzen, so
dass die sich paarenden Gameten gewissermaassen die Hälften
einer Schwärmspore darstellen, die sich bei der Copulation
wieder vereinigen. Wenn sich aber männliche und weibliche
Gameten deutlich unterscheiden lassen, dann stehen die
Schwärmsporen in ihrer Grösse meistens in der Mitte zwischen
ihnen, wie es Aphanochaete zeigt, welche also dreierlei vier-
cilige Schwärmzellen besitzt: die kleinsten sind die männlichen
Gameten, die mittleren die Schwärmsporen, die grössten die
ı) Man vergleiche hierzu die Arbeit von Strasburger, Schwärm-
sporen, Gameten, pflanzliche Spermatözoiden und das Wesen der Befruchtung.
(Histologische Beiträge, Heft IV, 2. Theil, Jena 1892.) Man vergleiche ferner
die Untersuchungen von Klebs (l. c.) über den Einfluss, den äussere Ver-
hältnisse darauf ausüben, ob die eine oder die andere Vermehrungsweise
eintritt:
Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. I2
— 735 —
weiblichen Gameten. Auch die Arten, welche ruhende Eier
bilden, wie Oedogonium und Coleochaete, haben Schwärmsporen,
welche etwas kleiner als die Eier, aber grösser als die Sper-
matozoidien sind (Fig. 27). Warum die männlichen Gameten
kleiner, die weiblichen aber grösser werden, wurde oben er-
Jäutert. Freilich ist dabei nur auf die äusserlichen Verhältnisse,
nicht auf das Verhalten der Kernsubstanz Rücksicht genommen
und es liegen noch keine Beobachtungen vor, ob vielleicht eine
Reduction der Chromosomen bei den Gameten gegenüber den
Schwärmsporen stattfindet. Jedenfalls aber können wir aus dem
bis jetzt Bekannten schon erklären, warum die kleinen männ-
lichen Gameten nicht im Stande sind, sich selbständig weiter
zu entwickeln: enthalten sie doch neben dem Kern nur sehr
wenig Plasma, ja, wenn wir gleich auf die höher stehenden
Pflanzen einen Blick werfen, bei den Characeen z. B. so
wenig, dass es nur schwer nachzuweisen ist und einige Forscher
behaupten konnten, dass hier die Spermatozoidien nur aus
Kernsubstanz beständen. Die Eier dagegen sind viel eher im
Stande, sich ohne Befruchtung zu entwickeln, weil ihnen eine
genügende Menge von Plasma mitgegeben ist, und so ist denn
die Parthenogenese eine nicht selten zu beobachtende Er-
scheinung bei den Algen (Sphaeroplea, Oedogonium, Cylindro-
capsa).
Interessante Uebergänge von der Schwärmsporenpaarung
zur Eibefruchtung können wir nun auch bei den braunen Algen
beobachten. Der weitaus grösste Theil der hierher gehörenden
Formen pflanzt sich, wie die schon erwähnten Laminaria-
ceen, durch ungeschlechtliche Schwärmsporen fort. Nur. bei
einigen wenigen, wie Ectocarpus siliculosus und Scytosiphon
lomentarius ist es nachgewiesen, dass eine Copulation der
Schwärmzellen stattfindet. Diese Schwärmzellen sehen Anfangs
ganz gleich aus, aber schon vor der Copulation tritt eine Ver-
schiedenheit auf, indem sich die eine, die somit als weibliche
zu bezeichnen ist, festsetzt und die andere, die männliche, jene
aufsucht, sich ihr anlegt und schliesslich mit ihr verschmilzt.
Sind hier die Planogameten nur in ihrem Verhalten, nicht aber
in der Gestalt und Grösse verschieden, so finden wir auf der
nächsten Stufe die Copulation eines kleinen männlichen mit
einem grossen weiblichen Planogameten. Auf dieser Stufe
stehen die Cutleriaceen, bei welchen ausserdem noch un-
geschlechtliche Schwärmer gebildet werden; eine partheno-
genetische Entwicklung der unbefruchtet bleibenden Eier kommt
bei ihnen auch vor. Auf der dritten und höchsten Stufe stehen
die Fucaceen, deren weibliche Gameten als Schwärmzellen
ohne Cilien aufgefasst werden müssen. Denn nur so lässt es
sich verstehen, dass die grossen kugeligen Eier vor der Be-
fruchtung ausgestossen werden, während ihre Grösse uns den
Mangel der Cilien erklärt, die nicht im Stande wären, das
Fig. 28. A Zwei Planogameten von Eetocarpus silieulosus. B Zanar-
dinia collarıs: a Spermatozoid, 5 Ei (oder Schwärmspore), e Copulation von
a und b. CO Fucus serratus: a Spermatozoid, 5b Ei. Alle Figuren bei
gleicher Vergrösserung.
12%
— 1 —
schwere Ei zu bewegen. Die männlichen Gameten sind sehr
kleine zweicilige Schwärmzellen und der Unterschied zwischen
der Grösse der männlichen und weiblichen Gameten ist bei
den Fucaceen am bedeutendsten (Fig. 28). Was die absoluten
Maasse betrifft, so sind bei Ecfocarpus siliculosus die Plano-
gameten ca. 6 u lang!), bei Zanardinia collaris, einer Cut-
leriacee, sind die Spermatozoidien 2—3 u lang, die Eier II—I4 u
lang und die Schwärmsporen sind hier von derselben Grösse
und Gestalt wie die Eier. Bei Fucus serratus sind die
Spermatozoidien ca. 5 u lang, die Eier aber S0—I00 u dick, so
dass sie die ersteren um das 30000- bis 60000fache an Masse
übertreffen ?). Die weiblichen Gameten nehmen also von der
ersten zur dritten Stufe um das 13—ı7fache an Grösse zu,
während die männlichen Gameten in der zweiten Stufe am
kleinsten, in der dritten Stufe auch noch etwas kleiner als die
Planogameten der ersten Stufe sind. Bei den Fucaceen
existiren keine Schwärmsporen, die wir zur Vergleichung heran-
ziehen könnten; vielleicht sind die sog. Fasergrübchen der
Fucaceen die Rudimente von Conceptakeln mit ungeschlecht-
lichen Sporen.
Bei den grünen Algen haben wir gesehen, dass die grossen
Eier gewöhnlich einzeln im Oogonium, die kleinen Spermato-
zoidien aber zu mehreren im Antheridium gebildet werden.
Bei den braunen Algen tritt dies noch mehr hervor: bei Zanar-
dinia z. B. entsteht aus jeder Zelle des wenigzelligen Oogoni-
ums ein Ei, aus jeder Zelle des vielzelligen Antheridiums aber
entstehen 8 Antherozoidien. Bei den Fucaceen entstehen die
Antherozoidien in grosser Anzahl in dem sackförmigen ein-
fächerigen Antheridium, die Eier aber entstehen zu I—8 in
einem Oogonium. Sehr interessant ist es nun, dass im Oogo-
ı) Berechnet nach der Abbildung von Thuret in Ann. scienc. nat.
3ot. III. Ser, T. XIV, Tab. 24.
2) Nach Thuret et Bornet, Etudes phycologiques, p. 29.
— 180
nium anfangs immer 8 Kerne vorhanden sind!). Von diesen
werden bei Fucus alle zu Eiern, bei Ascophyllum wandern 4
nach der Peripherie und werden zu Eiern, 4 gehen nach der
Mitte und bleiben unentwickelt zurück, bei Pelvetia werden 6,
bei Himanthallia 7 Kerne ausgeschieden, da dort nur 2 Eier,
hier nur ein Ei gebildet wird (Fig. 29). Es wird durch diese
Fig. 29. 4 Oogo- REN
nium von Ascophyllum
nodosum im Querschnitt:
3 Eier und 3 ausge-
stossene Kerne in der
Mitte sichtbar. B Oogo-
nium von Pelvetia im
Längsschnitt mit 2 Eiern,
von den ausgestossenen
Kernen sind 2 sichtbar.
C Oogonium von Himanthallia mit ı Ei und 4 (sichtbaren) ausgestossenen
Kernen. (Nach Oltmanns.)
N 7 HM N
HAN HN N
N MN
HR
z
Vergleichung ganz deutlich, dass bei Himanthallia die 7 Kerne,
welche, jeder mit einer geringen Plasmamasse umgeben, neben
dem einen grossen Ei vorhanden sind, als reducirte Eier auf-
gefasst werden müssen. Sie erinnern uns aber auch an die
sog. Richtungskörperchen bei den thierischen Eiern und sie
sind denselben offenbar homolog und analog. Denn wenn auch
die letzteren erst nachträglich abgeschieden werden, nachdem
das Ei schon gebildet ist, so sind sie doch nichts anderes als
reducirte Eier oder vielmehr Eier, die in der ersten Entwicklung
stehen geblieben sind. Fasst man sie in dieser Weise auf, so
erklärt es sich, warum sie nicht immer in einer solchen Anzahl
gebildet werden, welche den Anforderungen einer Hypothese
entsprechen würde, nach der die Richtungskörperchen die Aus-
scheidung des männlichen Elementes aus den Anfangs neutralen
I) F. Oltmanns, Beiträge zur Kenntniss der Fucaceen. (Biblio-
theca botanica, Heft 14, 1889.)
— I2 —
Eiern u. dergl. bedeuten sollen. Wenn wir nämlich von einer
solchen Anschauung ausgehen, nach der es sich bei der Bildung
der Richtungskörperchen um die nothwendige Ausscheidung
gewisser Elemente aus dem Ei und ihre Beziehung zu dem
Eintreten der Befruchtung handelte, so müssten ganz gewiss
auch bei den Pflanzen homologe Vorgänge auftreten, da die
Befruchtungsverhältnisse bei Pflanzen und Thieren sonst ganz
gleichartig sind. Allein nirgends, soviel man auch danach ge-
sucht hat, sind wirkliche Richtungskörperchen bei pflanzlichen
Eiern gefunden worden, und alles, was man in solcher Weise
zu deuten gesucht hat, ist in Wirklichkeit ganz anders zu er-
klären, während uns andererseits die Fucaceen durch die
geschilderten Vorgänge bei der Eientwicklung zu der richtigen
Auffassung führen. Warum nun bei einigen Fucaceen nicht
alle durch die vorhandenen Kerne angedeuteten Eier zur Ent-
wicklung gelangen, dass lässt sich nicht weiter erklären, als dass
wir sagen, dass das eine oder die zwei oder vier Eier so gross
werden, dass sie alles vorhandene Protoplasma aufbrauchen.
Wir finden etwas Aehnliches bei der Entstehung mancher Sporen,
z. B. in den Makrosporangien von Salvinia, in denen 8 Sporen-
tetraden angelegt werden, aber nur eine Spore zur Entwicklung
kommt und diese dann das ganze Makrosporangium ausfüllt ');
bei der Ausbildung des Eies dagegen ist so etwas für andere
Pflanzengruppen nicht bekannt.
Bei allen braunen Algen oder Phaeophyceen zeigt sich
deutlich, dass die Befruchtung auf Planogametencopulation
zurückzuführen ist, denn auch bei den Tilopterideen und
Dictyoteen, bei denen die Fortpflanzungsverhältnisse noch
nicht genau genug bekannt sind, wird aus den als Oogonien
ı) Nach Heinricher (Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. Wien
1882, Bd. LXXXV, I. Abth., p. 494.) Ich hatte diese Arbeit in meiner ersten
Veröffentlichung (1895) leider übersehen und angegeben, dass im Makro-
sporangium von Salvinia 4 X. 16 Sporen angelegt worden,
a: 183 ze
gedeuteten Organen das vermuthliche Ei vor der Befruchtung
als eine nackte Zelle ausgestossen, die aber keine Cilien besitzt.
Sie ist auch hier vielmals grösser als die als männliche Gameten
zu deutenden Zellen, welche bei den Tilopterideen noch
mit Cilien versehen sind, bei den Dictyoteen aber der Cilien
entbehren. Diese letztere Erscheinung sowie das Fehlen der
Cilien bei den asexuellen Sporen der beiden genannten Fa-
milien !) ist wohl als eine Anpassung an die Lebensweise zu
erklären, indem bei ihnen das bewegte Wasser des Meeres, in
dem sie leben, den Pflanzen erlaubt, sich die Cilienbildung zu
ersparen. Auch die Florideen haben sozusagen von dieser
Erlaubniss Gebrauch gemacht und erzeugen niemals Schwärm-
zellen mit Cilien: die Bewegung des Wassers sorgt schon
dafür, dass die Sporen verbreitet werden und dass die Sper-
matien zu den Trichogynen, den weiblichen Empfängniss-
organen, gelangen ?). Warum die unter gleichen oder ähnlichen
Verhältnissen lebenden Phaeozoosporeen und Fucaceen die
Cilien beibehalten haben, das entzieht sich vorläufig unserer
Erklärung in biologischer Hinsicht, wir können nur auf die
phylogenetischen Beziehungen hinweisen, welche offenbar engere
sind zwischen den Schwärmsporen bildenden Chlorophyceen
und den Phaeophyceen als zwischen ersteren und den
Florideen. Auf die oft sehr complicirten Verhältnisse der
Entstehung der Sporenfrüchte nach der Befruchtung bei den
Florideen braucht hier nicht eingegangen zu werden; es sei
nur daran erinnert, dass die weibliche Zelle nach ihrer Ver-
I) Nur bei Haplospora Vidovichii hat Kuckuck Zoosporen gefunden,
die etwas anders gebaut sind als die meisten Schwärmzellen der Phaeo-
phyceen und zu 24-36 in einem einfächerigen Sporangium gebildet
werden. (Pringsheim’s Jahrbücher, Bd. XXVIII, p. 290—322); er erhebt
desswegen diese Alge zur Vertreterin einer neuen Gattung, Heterospora.
2) Die wenigen Florideen des Süsswassers leben bekanntlich nur in
rasch fliessenden Gewässern, während bei den im ruhigen Süsswasser lebenden
grünen Algen die nackten Vermehrungszellen immer mit Cilien versehen sind.
— I4 —
einigung mit der männlichen nicht direct zum Keime wird,
sondern „nun ein selbständiges neues Wachsthum beginnt, das
im einfachsten Falle zur Herstellung eines kleinen Zweig-
büschels hinführt; an diesem neuen Sprossungssysteme, dem
Gonimoblasten, bilden dann die Faden-Endzellen, öfters auch
noch die oberen Faden-Gliederzellen, die Sporen, Carposporen,
aus, zumeist so, dass sie ihren „Zellinhalt“ zu einer anfangs
nackten, früher oder später umwandeten Carpospore umge-
stalten!)“. Es scheint mir, dass, entgegen der Ansicht von
Schmitz, diese Entwicklungsweise doch aus den einfacheren
Fortpflanzungsverhältnissen der Bangiaceen abgeleitet werden
kann. Bei einigen Formen dieser Familie wird noch der ge-
sammte Zellleib der Zygote, dem Verschmelzungsproduct aus
Spermatium und Ei, direct zur Spore, die, unter Zurück-
lassung der alten Zellhaut, als nackte Zelle heraustritt; bei
anderen aber „behält diese Zygote zunächst die alte Zellhaut der
weiblichen Zelle noch bei, fächert sich ein oder mehrere Male
und dann wandern aus
den Theilzellen derselben
die Protoplasten als nackte
R
Sporen nach aussen her-
vor?)“. Kann nun hier
nicht leicht ein Ueber-
gang gedacht werden in
der Art, dass sich die
Fig. 30. A Erythrotrichia obseura (Ban- durch Fächerung ent-
giacee). Stück eines Fadens mit Procarpien stehenden Theilzellen erst
und ansitzenden Spermatien (s).. (Nach " e
Berthold.) B, C Lejolisia mediterranea Zu Fäden entwickeln,
(Floridee). B jüngeres Procarp, Creifesim deren Endzellen zu den
Zustand der Befruchtung durch das Sper-
matium (s). £ Trichogyne. (Nach Thuret.)
—— RE
FERN RT
S \
N N
— - N Ne
\
j
AI
Sporen werden? (Fig. 30.)
Die Entstehung und Ge-
I) Schmitz, Kleinere Beiträge zur Kenntniss der Florideen, Il.
Nuova Notarisia 1893. Ser. IV, p. Iou. Iı. Hier hebt Verf. die Unterschiede
zwischen Bangiaceen und Florideen hervor.
D)ALEC,
zen, 185 gr
stalt der Spermatien ist, wie auch Schmitz zugibt, bei
den Bangiaceen und Florideen sehr ähnlich, die Einschrän-
kung ihres Entstehungsortes auf die Endglieder von Zellreihen
oder auf oberflächlich gelegene Zellen ist das Wesentlichste,
was in dieser Beziehung die Florideen von den Bangiaceen
unterscheidet. Wir können hinzufügen, dass von den Tetraden
der ungeschlechtlichen Sporen von Porphyra zu den Tetra-
sporen der Florideen auch nur ein Schritt führt: das Ausbleiben
der Trennungswände zwischen den vier Sporenzellen der ersteren.
Da nun aber die Bangiaceen sich unzweifelhaft an gewisse
Chlorophyceen anschliessen — Schmitz stellt sie in der Nähe
der Ulvaceen —, also wie deren oogame Formen sich von denen
ableiten lassen, bei denen die Befruchtung in der Paarung der
Schwärmsporen besteht, so können wir,
wenn wir die Florideen von den Bangia-
ceen ableiten, mit dem Zugeständniss,
dass wir die Zwischenformen uns nur
vorstellen können, aber nicht kennen,
den Ursprung der Befruchtung und
Keimbildung bei den Florideen auch in
der Paarung der Schwärmsporen sehen.
Was nun die übrigen Klassen des
Pflanzenreiches betrifft, so haben wir
von den Moosen an aufwärts einen
regelmässigen Generationswechsel, also
en!
auch eine sexuelle Fortpflanzung. Bei
den Moosen und Farnen erinnert das £
Fig. 31. Befruchtungs-
Antherozoid, welches eine kleine, mit
Cilien versehene und wesentlich aus dem
Zellkern bestehende freibewegliche Zelle
ist, noch an die Planogameten der Algen;
immer eine un-
das Ei dagegen ist
bewegliche, nackte, kugelige Zelle, die
reifes Archegonium von
Marchantia (Lebermoos):
im Grunde des Arche-
goniums liegt das Ei,
unten an der Oeffnung
des Halses tritt ein An-
therozoid ein. (Nach
Strasburger.)
— 186 —
in dem Archegonium liegen bleibt und hier das Antherozoid
erwartet (Fig. 31).
Bei den Phanerogamen sind Schwärmzellen über-
haupt nicht mehr vorhanden und die Vereinigung der männ-
lichen und weiblichen Elemente erfolgt auf eine Weise, die
mehr an die oben erwähnten Verhältnisse bei den Conjugaten
erinnert, freilich ohne zu diesen in näherer Beziehung zu stehen.
Es ist erst ziemlich spät gelungen, nachzuweisen, dass auch hier
die Befruchtung auf der wirklichen Verschmelzung geformter
plasmatischer Bestandtheile beruht. Das Eindringen des An-
therozoids in das Archegonium bei Moosen und Farnen hatte
man schon vorher beobachtet und man -konnte somit auch
für die höheren Kryptogamen eine Gametencopulation als sicher
annehmen. Es gab also eine Zeit, in der man sagen konnte,
dass eigentlich die Kryptogamen die Pflanzen seien, die eine
deutliche Befruchtung zeigen, während bei den Phanerogamen
der Befruchtungsvorgang noch verborgen sei. Jetzt ist nun
durch die wichtigen Arbeiten Strasburger’s, Guignard’s
u. a. nachgewiesen, dass auch bei den Phanerogamen im Be-
fruchtungsact zwei Zellen mit einander verschmelzen, die als
kleiner männlicher und grosser weiblicher Gamet unterschieden
sind. Da sich nun die Geschlechtsorgane der Phanerogamen
als ganz homolog denjenigen der höheren Gefässkryptogamen
gezeigt haben (wesswegen wir eben auch bei ersteren von einem
Generationswechsel sprechen können) und da wir die Befruch-
tung bei den Gefässkryptogamen ohne Schwierigkeiten von
derjenigen bei den Algen ableiten können, so geht auch der
Befruchtungsact der Phanerogamen in letzter Instanz auf die
Planogametencopulation zurück: die Planogameten sind hier in
das Ei und den generativen Kern des Pollenschlauches umge-
wandelt.
Der weibliche Gamet hat überall dieselbe Gestalt von
der Stufe an, wo er die Cilien verloren hat: das Ei ist überall
ui 187 ge
eine nackte Zelle von annähernd kugeliger Form, die Unter-
schiede bestehen besonders in der Grösse und in dem Auftreten
der im Protoplasma eingebetteten Körper, wie Chromatophoren,
Oeltropfen u. dergl. Die von den männlichen Gameten ge-
forderte Beweglichkeit hat dagegen eine verhältnissmässig
grosse Mannichfaltigkeit in ihrer Gestalt hervorgerufen, wovon
die in Fig. 32 dargestellten Beispiele Zeugniss ablegen.
Ausserdem unterscheiden sich die männlichen Gameten durch
die Grösse, die Cilien, den Besitz von Chromatophoren u. dergl.
Fig. 32. Spermatozoidien und Spermatien, alle bei gleicher Vergrösserung,
so dass ein Millimeter einem Mikron entspricht. (Nach verschiedenen
Autoren.) I Volvo aureus, 2 Aphanochaete repens, 3 Coleochaete pulvinata,
4 Oylindrocapsa involuta, 5 Sphaeroplea \annulina, 6 Oedogonium Boscii
7 Vaucheria synandra, 8 Chara fragilis, 9 Zanardinia eollaris, 10 Fueus
serratus, 11 Dietyota dichotoma, 12 Batrachospermum moniliforme, 13 Griffithsia
setacea, 14 Corallina virgata, 15 Monoblepharis sphaerica, 16 Pellia calycina,
17 Marchantia polymorpha, 18 Polytrichum commune, 19 Aspidium Filix mas.,
20 Osmunda Claytoniana, 21 Equisetum Telmateja, 22 Lycopodium phlegmaria,
23 Selaginella euspidata, 24 Isoetes Malinerviana, 25 Marsilia vestita.
— I —
Die morphologischen Verhältnisse der Fortpflanzung sind
also für die Pflanzen heutzutage ziemlich verständlich und wir
haben versucht, im Vorstehenden einen Ueberblick über die-
selben zu geben. Wenn man sich aber früher begnügte, das
Zusammenkommen zweier Zellen bei der Befruchtung nachzu-
weisen, so gebt man jetzt auch darauf aus, das Verhalten der
einzelnen Bestandtheile dieser Zellen bei der Befruchtung zu
untersuchen. Aus allen zur Zeit vorliegenden Untersuchungen
zieht nun schon Strasburger (1892 1. c.) den Schluss, „dass
an dem Befruchtungsvorgang bei den’ Pflanzen drei Bestand-
theile des Protoplasmas betheiligt sind: der Zellkern, die Cen-
trosphären und das Kinoplasma“'!). Am deutlichsten sieht
man dies bei der Befruchtung der Phanerogamen, welche durch
die untenstehende Abbildung, eine Wiedergabe einiger Figuren
aus Guignard’s Arbeit ?), erläutert werden soll: sehr gut
sieht man besonders auch, dass die 2 Paare von Centrosomen
sich zu zwei Centrosomen vereinigen, während die Kerne selbst
noch getrennt sind, die dann bei ihrer Vereinigung sogleich
eine Theilungsfigur bilden. Wir sind noch nicht so weit, bei
den übrigen Pflanzen das Verhalten der einzelnen Theile der
Gameten bei der Copulation so genau zu kennen; man ist zu-
nächst noch bemüht, wenigstens die Kernverschmelzung nach-
zuweisen und inwieweit dies gelungen ist, soll in kurzer Zu-
sammenfassung gezeigt werden. Wir wollen aber dabei be-
rücksichtigen, dass bei der Befruchtung nicht überhaupt eine
Kernverschmelzung eintritt, sondern dass der eine Kern des
männlichen Gameten zu dem Kerne des Eies gelangen und
ı) Auf die von Strasburger aufgestellte Unterscheidung von Kino-
plasma und Trophoplasma bin ich hier nicht eingegangen und spreche dess-
halb nur von Plasma oder Protoplasma.
2) Ann. d. scienc. nat. Bot., Ser. VII, T. VII, Tab. 15 u. 16. Ob sich
die Centrosomen wirklich und überall so verhalten, erscheint nach neueren
Untersuchungen fraglich; doch habe ich dies hier noch so dargestellt, wie
es die Figuren Guignard’s zeigen.
Fig. 33. Befruchtung von Lilium Martagon.
A Der Pollenschlauch erreicht das Ei: ns generativer Kern mit 2 Centro-
somen, no Eikern mit 2 Centrosomen, s Synergide. Bu. € Das befruchtete Ei
mit den beiden Synergiden s, p in B der Pollenschlauch; die Kerne no und
ns liegen neben einander, in C sind aus den 4 Centrosomen 2 geworden, ent-
sprechend den Zahlen &,, 3, 3» .. D Das Ei, in dem die beiden Kerne zu
einer karyokinetischen Figur mit 24 Chromosomen verschmolzen sind. (Nach
Guignard.)
dass dieser auch nur mit diesem einen Kern verschmelzen
muss: was das zu bedeuten hat, wird sich bei der Betrachtung
der einzelnen Fälle besser verstehen lassen als in der allge-
meinen Fassung. Am einfachsten liegen in dieser Beziehung
die Verhältnisse bei den Angiospermen, bei denen nur
ein Pollenschlauch in eine Samenknospe hineinwächst. Letztere
enthält nur ein empfängnissfähiges Ei, der Pollenschlauch ent-
hält zwar zwei generative Kerne, welche aber nicht gleich-
zeitig zu dem Ei kommen, da sie hinter einander liegen: der
vordere verschmilzt dann mit dem Eikern, der zweite kann
auch sogar bis in das Ei hinein gelangen, wird dann aber in
demselben, ohne eintretende Kernverschmelzung (nach Guig-
nard) aufgelöst. Bei den Coniferen enthält die Samen-
knospe mehrere Archegonien und somit auch mehrere Eier.
Wenn die Archegonien ganz dicht bei einander liegen, wie bei
Juniperus, so werden alle nur durch einen Pollenschlauch be-
fruchtet, dessen generativer Kern sich aber so oft theilt, wie
es nöthig ist, damit jedes Ei von einem männlichen Gameten
befruchtet werden kann. Bei anderen, wie bei der Tanne,
liegen die Archegonien nicht so dicht beisammen und hier
werden sie von ebenso vielen Pollenschläuchen, deren jeder
einen generativen Kern enthält, aufgesucht, als Archegonien
vorhanden sind. Damit ist nun freilich nicht gesagt, dass
jedes Ei, resp. jede Samenknospe befruchtet werden muss:
im Gegentheil bleibt es oder sie natürlich oft genug unbe-
fruchtet und dann tritt in den meisten Fällen keine Weiterent-
wicklung des Eies ein; eine wirkliche Parthenogenese ist bei
den Phanerogamen noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen.
Bei den Kryptogamen ist, wenn die Eier nicht ganz
unbefruchtet bleiben und wenn überhaupt die Verhältnisse
dafür günstig sind, dass die männlichen Gameten zu den weib-
lichen kommen können, eher die Gefahr vorhanden, dass mehr
als ein männlicher Gamet in das Ei eindringe. So bei den
Farnen und Moosen, bei denen wohl immer gleich mehrere
Spermatozoidien in den Hals des Archegoniums eindringen:
sobald aber das erste mit dem Ei verschmolzen ist, umgibt
sich dieses sofort mit einer Membran und ist für die folgenden
Spermatozoidien, die sich in dem engen Halskanal einzeln
hinter einander bewegen, nicht mehr zu sprechen. Diese Aus-
scheidung einer Membran um die vor der Befruchtung nackte
Oosphäre ist ein ganz allgemeiner Vorgang und damit werden
auch bei den Algen die weiteren Spermatozoiden abgehalten,
wenn sie hinter einander in das Oogonium eindringen. Nicht
so ist es bei den grossen kugeligen Eiern von Fucus, die von
zahlreichen Spermatozoiden umschwärmt werden: ein beson-
derer Empfängnissfleck scheint nicht vorhanden zu sein und
man sieht nicht ein, warum nicht mehrere Spermatozoidien
gleichzeitig in das Ei eindringen können. Es ist dies ja auch
möglich, aber es wird dann doch eines zuerst den Kern er-
reichen und seinen Kern mit ihm verschmelzen, während die
anderen, die gleichzeitig eingedrungen sind, sich vermuthlich
im Eiplasma auflösen wie der zweite generative Kern im Ei
der Angiospermen. Nach dem Eindringen des Spermatozoids
und der Verschmelzung der beiden Kerne, was bei Fucus vesi-
culosus schon 1886 von Behrens beobachtet worden ist !),
umgibt sich das Ei auch sogleich mit einer Haut. Bei den-
jenigen weiblichen Gameten, die noch die Gestalt der Schwärm-
spore bewahrt haben, erfolgt eine Copulation mit dem männ-
lichen Gameten in
der Regel nur, wenn
sich beide mit ihren
cilientragenden
Spitzen berühren.
Hier ergeben dann
schon die Grössen- 4
verhältnisse, dass nur Fig. 34. Oedogonium Boseii. A Junges Oogo-
einmännlicherGamet Nium, welches sich öffnen will; vor der Mündung
2 ER h ein Spermatozoid. B Oogonium mit befruchtetem
sich mit einem weib- Ei, das die beiden Kerne enthält und sich mit
lichen vereinigen einer Membran umgeben hat. (C, D, E oberer
Theil des befruchteten Eies, in dem der Kern des
Spermatozoids mit dem Eikern verschmilzt. (Nach
der Verschmelzung Klebahn.)
wird, wie auch bei
der Schwärmsporen
dieselbe fast immer paarweise erfolgt. Allerdings kommt es
auch vor, dass mehr als zwei Schwärmsporen mit einander
kopuliren, nämlich drei oder vier bei Acetabularia. |
Dass eine wirkliche Verschmelzung der Kerne bei der Be-
fruchtung eintritt, ist erst für wenige Algen nachgewiesen :
ı) Berichte der deutschen botan. Gesellschaft, Bd. IV, p. 92.
zunächst für den schon erwähnten Pucus vesiculosus, dann für
Oedogonium Boscii!) (Fig. 34) und zuletzt für Vaucheria*?). Bei
Vaucheria ist die Sache insofern besonders interessant, als wir
es hier mit einer Siphonee zu thun haben, also einer Alge,
in deren schlauchförmigem, ungegliedertem Thallus zahlreiche
Zellkerne gleichförmig durch das ganze Plasma vertheilt sind.
Das junge Oogonium wird Anfangs auch von einem Plasma mit
zahlreichen Zellkernen erfüllt, aber bei der Reifung wandern
alle diese Kerne wieder aus bis auf einen, der dann den Kern
des Eies bildet (Fig. 35). Die winzig kleinen Spermatozoidien
Fig. 35. Vaucheria. A, B, C junge Oogonien im Längsschnitt: A ’mit
vielen Kernen, B die Kerne wandern wieder aus bis auf einen, C im Oogo.
nium nur noch ein Kern, der Eikern. a—d Die aufeinander folgenden Sta-
dien der Verschmelzung der Kerne von Ei und Spermatozoid. (Nach Olt-
manns.) /
bekommen gleich bei ihrer Entstehung nur einen Kern mit.
Als bemerkenswerthe Entdeckung ist noch hervorzuheben, dass
auch bei den Florideen die Kernverschmelzung bei der
Vereinigung des Inhalts des Spermatiums mit dem der Carpo-
sphäre für eine Art, Nemalion multifidum, nachgewiesen ist ?),
ı) H. Klebahn, Studien über Zygoten, II. (Pringsheim’s Jahr-
bücher, Bd. XXV, p. 235, 1892.)
2) F. Oltmanns, Ueber die Entwicklung der Sexualorgane bei Vau-
cheria. (Flora 1895, p. 388.)
3) N. Wille, Ueber die Befruchtung bei Nemalion multifidum. (Be-
richte der deutschen bot. Gesellschaft, 1894, Bd. XII, p. 57.)
eine um so interessantere Entdeckung, als man bisher noch nicht
die Wanderung des Inhaltes des Spermatiums durch die Tri-
chogyne hindurch nach der Carposphäre hatte verfolgen
können. Ist die Kernverschmelzung hier erfolgt, so wird die
verengte Stelle, welche die Carposphäre mit dem unteren
Theile der Trichogyne verbindet, durch eine Zellwandver-
dickung geschlossen und so ist die Car-
posphäre gegen das Eindringen anderer
männlicher Gameten auch hier geschützt
(Fig. 36). Schliesslich sei auf das hin-
gewiesen, was oben über die eigenthüm-
lichen Verhältnisse der oft erst nach-
träglich eintretenden Kernverschmelzung
bei den Conjugaten gesagt wurde,
was aber gleich an jener Stelle zu er-
wähnen zweckmässiger schien. Es kann
hier noch hinzugefügt werden, dass bei
den Conjugaten dadurch, dass zwei ab-
{ R Fig. 36. Nemalion
geschlossene Zellen mit einander copu- multifichum A Befruch-
liren, dafür gesorgt ist, dass auch immer tetes Procarp: sp Sper-
matium, ? Trichogyne,
n.s. Kern des Sperma-
freilich findet man zuweilen drei Zellen tiums, n.o. Eikern. B
mit einander in Copulation, indem Ein folgendes Stadium,
in dem in der Carposphäre
n.o. und n.s. verschmelzen.
Zellen ihre Copulationsfortsätze auf eine (Nach Wille.)
nur 2 Kerne mit einander verschmelzen,
z. B. bei Spirogyra oder Zygnema zwei
andere hintreiben, die zwei Fortsätze
bildet: ob dann auch eine Zygote gebildet werden kann, weiss
ich nicht.
Die Erscheinungen der Kernverschmelzung sind, soweit
genauere Angaben darüber vorliegen, einfach. Bei Oedogonium
und Vaucheria, bei denen das Product der Befruchtung eine
ruhende Zygote ist, schwellen die Kerne des männlichen und
weiblichen Gameten bei ihrer Annäherung etwas an, sie legen
Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. 13
sich aneinander, die Kernmembranen werden aufgelöst und die
Kerne verschmelzen zu einem, der sich jetzt wieder etwas con-
trahirt und bald auch wieder einen Nucleolus zeigt; Centro-
somen hat man dabei nicht nachweisen können. - Bei den
Phanerogamen (Lilium) lässt sich ebenfalls die Anschwel-
lung vom Ei- und Pollenschlauchkern beobachten, da aber das be-
fruchtete Ei nicht in einen Ruhezustand übergeht, so sind die fol-
genden Vorgänge etwas anders. Zwischen den Kernen nämlich,
die dicht aneinander liegen, lässt sich bis zuletzt noch eine
trennende Membran beobachten; nur die zwei Paare von Centro-
somen, deren je eines vom männlichen und weiblichen Gameten
stammt, sind zu zwei Centrosomen verschmolzen, die sich
gegenüber liegen auf zwei verschiedenen Seiten des Kernpaares
und zwar enthält jedes dieser neuen Centrosomen eines vom
männlichen und eines vom weiblichen Gameten. Dann tritt
sogleich eine einheitliche Kerntheilungsfigur auf mit 24 Chro-
mosomen, die sich in 48 spalten, unter gleichzeitiger Theilung
der zwei Centrosomen in vier (Fig. 33) }).
Die Zahl der Chromosomen bei der Karyokinese scheint
bei der Befruchtung eine gewisse Rolle zu spielen, wenigstens
was die Angiospermen betrifft. Bei den Zell- und Kern-
theilungen, welche zur Bildung der Samenknospe und des
Embryosacks führen, ist z. B. bei Lilium und Fritillaria die
Zahl der Chromosomen in der Regel 24, in den weiteren Thei-
lungen, welche zur Bildung des Eies und seiner Synergiden
führen, ist ihre Zahl hier 12. Ebenso wird die Zahl der Chromo-
somen von 24 auf 12 herabgesetzt, wenn in den Antheren die
Theilung der Pollenmutterzellen beginnt: in den weiteren
Theilungen bleiben es immer ı2 Chromosomen. Aber die
erste Theilung des Eies zeigt wieder, wie schon erwähnt, 24
Chromosomen. Ueber diese als Reduction der Chromosomen
ı) Dass die Sache mit den Centrosomen etwas zweifelhaft geworden
ist, wurde in der Anmerkung 2 auf p. 188 angedeutet.
bekannte Erscheinung kann ich mich kurz fassen, da sie von
Strasburger zum Gegenstande einer ausführlichen Abhand-
lung!) gemacht worden ist und da ihr von Strasburger
dieselbe Bedeutung zugeschrieben wird, welche mir auch
schon, ehe ich jene Abhandlung kannte, als die wahrschein-
lichste erschienen ist. Nach dieser Auffassung ist die Re-
duction der Chromosomen eigentlich nicht auf einen physio-
Jogischen, sondern einen phylogenetischen Grund zurückzu-
führen, nämlich darauf, dass bei den, einen regelmässigen Gene-
rationswechsel besitzenden Pflanzen die Kerne der ungeschlecht-
lichen Generation eine doppelt so grosse Anzahl von Chromo-
somen bei der Karyokinese zeigen, als die der geschlechtlichen
Generation. Die letztere beginnt nun bei den Phanerogamen
eigentlich mit den Theilungen innerhalb des Embryosackes
und innerhalb des Pollenkornes und -schlauches, während mit
der Theilung des Eies wieder die ungeschlechtliche Generation
anfängt. Embryosack und Pollenkorn sind als Sporen anzu-
sehen; dass schon bei der Theilung ihrer Mutterzellen ?) die
Reduction der Chromosomen eintritt, scheint gegen die Rich-
tigkeit der gegebenen Erklärung zu sprechen, allein wenn wir
die Gefässkryptogamen und Moose betrachten, so finden wir
auch da schon von der Theilung der Sporenmutterzellen an
die Reduction der Chromosomen. Andererseits liefern aber
diese Pflanzen den Beweis für die Richtigkeit unserer Fr-
klärung, indem aus den bisher vorliegenden, von Strasburger
mitgetheilten Beobachtungen hervorgeht, dass die Kerne der
geschlechtlichen Generation (Moospflanze und Prothallium) bei
der Karyokinese halb so viel Chromosomen bilden als die
- Kerne der ungeschlechtlichen Generation (Mooskapsel und
Farnpflanze). Zur Erklärung der anologen Verhältnisse bei
I) Biologisches Centralblatt, Bd. XIV, p. 817.
2) Bei einigen Angiospermen entsteht nämlich der Embryosack aus
einer besonderen Embryosackmutterzelle durch deren Theilungen.
13,
—e: 196 re
den Thieren nimmt Strasburger auch einen, allerdings sehr
reducirten Generationswechsel bei ihnen an.
Eine physiologische Bedeutung der Reduction der Chro-
mosomen scheint mir für unsere bis jetzt erlangte Kenntniss
dieser Verhältnisse nur unter der Annahme zu finden zu sein,
dass die Chromosomen ihre Selbständigkeit auch im ruhenden
Kerne bewahren, trotzdem sie hier äusserlich verloren geht.
Auch Strasburger sieht sich zu dieser Annahme genöthisgt,
obgleich einige Erscheinungen in der Entwicklung der pflanz-
lichen Generationsorgane dagegen sprechen. So theilt sich,
wie Guignard angibt, von den beiden aus der ersten Kern-
theilung im Embryosack entstehenden, also ganz gleich-
werthigen Kernen der eine unter Bildung von I2 Chromo-
somen, wie sein Mutterkern, der andere unter Bildung von
mehr als 12, sogar bisweilen 24 Chromosomen, wie die vorletzte
Kerngeneration. Dagegen erhalten ganz deutlich ihre Selb-
ständigkeit die Chromosomen in den Kernen des männlichen
und weiblichen Gameten der Angiospermen, denn es treten
nach dem Verschwinden der die Kerne trennenden Membran
sogleich 2 X I2 Chromosomen auf ohne vorhergehende Ver-
"schmelzung der Kerne zu einem. Noch deutlicher wird die
Selbständigkeit der Chromosomen bei der Entwicklung des
thierischen Eies und bei seiner Befruchtung bewahrt. Darauf
beruht nun auch die Erklärung, welche Weismann für die
Vorgänge der Verdoppelung und der Reduction der Chromo-
somen oder, wie er sie nennt, Idanten aufstellt. Es scheint
mir, dass sich seine Auffassung der Richtungskörperchen, deren
Bedeutung nach ihm in der Reduction der Idanten des Eies
liegt, mit unserer oben ausgesprochenen Meinung vertragen
kann, nach welcher die Richtungskörperchen nur unentwickelte
Eier sind, was ja auch von manchen Zoologen angenommen
wird.
Es ist hier nicht am Platze, sich länger auf diesem so
vielfach discutirten Gebiete aufzuhalten, es soll in dieser Be-
ziehung nur noch auf einen Punkt hingewiesen werden. Nach
Weismann nämlich kommt es nur darauf an, dass das Ei
eine gewisse Menge derjenigen Substanz enthält, die als Träger
der Vererbung fungirt und in diesem Sinne können wir ihm
sehr wohl beistimmen, entgegen jener sonderbaren Auffassung,
nach welcher bei der Reduction der Chromosomen gewisse
männliche Elemente hinausgeschafft würden, damit das Ei
„rein weiblich“ sei. Sonderbar erscheint mir diese Meinung
desshalb, weil sie annimmt, dass die Unterscheidung des männ-
lichen und weiblichen Geschlechtes etwas ursprünglich Vor-
handenes sei!). Wir haben aber gezeigt, dass sich eine
Unterscheidung von Geschlechtern, weil vortheilhaft, allmählich
herausgebildet hat, dass es aber eigentlich nur darauf ankommt,
zwei vorher getrennte Zellen oder Kerne. zu vereinigen.
Das befruchtungsreife Ei ist einfach eine Zelle, welcher die
Eigenschaften des einen Individuums anhaften, wie das Sperma-
tozoid eine andere Zelle ist, welcher die Eigenschaften des
anderen Individuums anhaften.
Die vererbbaren Eigenschaften denkt sich Weismann
speciell an die Chromosomen gebunden, eben weil man aus
der Reduction der Chromosomen und den karyokinetischen
Vorgängen sieht, dass bei der Vereinigung der beiden Kerne
im Befruchtungsact eine möglichst gleichartige Mischung aus
den beiden Eltern erzielt wird. Wäre das Protoplasma der
Träger der vererbbaren Eigenschaften, so müsste bei jeder-
sexuellen Fortpflanzung, die durch Eibefruchtung erfolgt, der
mütterliche Einfluss der vorwiegende sein. Dass der männ-
I) So sagt auch Hanstein (Parthenogenese der Caelobogyne ilieifolia
p- 48): „Es muss die Veranlassung fallen, die Sexualität... als geheimniss-
volles Naturgesetz anzusehen und in der Befruchtung die Wiedervereinigung
gewisser unbekannter, aus einander getretener männlicher und weiblicher
Triebkräfte zu erblicken.“ Vergl. auch l. c. p. 51.
en 198 au
liche Gamet überhaupt mit Protoplasma versehen ist, erklärt
sich daraus, dass ein Kern für sich allein offenbar nicht im
Stande ist, zu existiren. Es kämen dann aber noch die Cen-
trosomen in Frage, die ja auch bei den männlichen und weib-
lichen Gameten gleich gross sind und wahrscheinlich überall
vorhanden und nur wegen der Schwierigkeit, sie sichtbar zu
machen, nicht überall nachgewiesen sind. Es dürfte wohl am
besten sein, Kern und Centrosomen als ein gemeinsames Ganze
anzusehen und uns nicht jede einzelne Eigenschaft, die von
den Organismen vererbt wird, an ein bestimmtes Theilchen
der Kern- oder Zellsubstanz überhaupt gebunden zu denken.
So können wir auch ein besonderes Keimplasma und besondere
Bahnen für dasselbe im Weismann'schen Sinne nicht aner-
kennen !). Ueberhaupt wird schwerlich je ein Botaniker sich
zu dieser Anschauung bewegen lassen, da er ja sieht, dass,
z. B. bei einem Lebermoos, fast jede Zelle der Pflanze im
Stande ist, die ganze Pflanze zu reproduciren. Sagt man aber,
dass bei dieser Pflanze das Keimplasma auf alle Zellen ver-
theilt ist, so würde dies nur ein anderer Ausdruck für die zu
beobachtende Erscheinung sein, ohne dass wir damit eine
genauere Kenntniss der Sache erworben hätten. Doch wir
würden uns mit solchen Erörterungen zu weit von unserem
Wege entfernen und wollen uns deshalb daran erinnern, dass
wir zunächst die morphologische Seite der geschlechtlichen
Fortpflanzung, dann, wenn man so sagen darf, ihre anatomisch-
physiologische betrachtet haben, dass uns jetzt also noch ihre
biologische Bedeutung zu erörtern bleibt ?).
1) Die Continuität des Keimplasmas im Sinne Sachs’ ist freilich etwas
anderes, es ist eine Thatsache, eine Erscheinung in der Entwicklung der
Pflanzen, welche in das rechte Licht gesetzt zu haben, ein grosses Verdienst
unseres genialen Physiologen ist.
2) Es ist auch der Versuch gemacht worden, die Entstehung der ge-
schlechtlichen Fortpflanzung mit Hülfe der Selectionstheorie zu erklären:
Da die Beobachtung des Copulations- und Befruchtungs-
vorganges auf die Vereinigung gleichartiger Schwärmsporen
als Ausgangspunct aller weiteren Erscheinungen führt, so ent-
steht zunächst die Frage, was die Schwärmsporen veranlasst
habe, mit einander zu copuliren? Man könnte annehmen, wie
schon oben angedeutet, bei der Entstehung derselben sei die
Theilung so weit gegangen, dass die entstehenden Schwärm-
sporen zu klein geworden seien, um sich selbständig weiter
zu entwickeln und dass erst aus zweien wieder eine Zelle ent-
standen sei, welche diese Fähigkeit besitzt. Viel wäre damit
natürlich nicht gewonnen, denn es bleibt nicht nur unerklärt,
was nun die getrennten Producte wieder zusammenführt, sondern
es wird auch nur als Grund der Erscheinung ein Vorgang an-
gegeben, für den wir gar keinen Grund. wissen. Auch haben
wir oben gesehen, dass in manchen Fällen solche Gameten
ohne Copulation keimen können. Von dieser Seite her werden
wir also die Sache nicht erklären können, wir werden uns
darauf beschränken müssen, die biologische Bedeutung der
Erscheinung zu verstehen. Die Frage nach der Bedeutung der
Sexualität ist ja schon wiederholt discutirt worden; auch ist
schon mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Noth-
wendigkeit der Sexualität zur Erhaltung der Art keineswegs
von vornherein klar ist: im Gegentheil sehen wir, dass viele
Arten sich sehr gut und dabei unverändert erhalten, ohne je
sich sexuell zu vermehren, sei es, dass sie überhaupt keine
Geschlechtsorgane besitzen wie die grosse Menge der Asco-
und Basidiomyceten, sei es, dass sie solche besitzen, diese
aber functionslos sind, und dass sie sich nur durch Propagation
vermehren und erhalten.
Es ist nun früher die Ansicht vertheidigt worden, dass es
Dr. W. Breitenbach, Die Entstehung der geschlechtlichen Fortpflanzung,
eine phylogenetische Studie (Kosmos, 1880, Bd. VIII, p. 248). Was hat man
nicht alles schon mit der Selectionstheorie erklären gewollt!
m AQORL —
bei der geschlechtlichen Fortpflanzung nicht nur auf das Be-
stehen der Art, auf das Verhüten ihres Aussterbens, sondern
auf die Erhaltung der specifischen Eigenschaften, auf das Ver-
hüten von Ausartung abgesehen sei, d. h. dass dieses Ziel
durch die Fortpflanzung auf geschlechtlichem Wege besser er-
reicht werde als auf ungeschlechtlichem. Grisebach') und
die anderen Anhänger einer solchen Ansicht gehen von der
Annahme aus, dass individuelle Abänderungen, die durch Ver-
änderung der äusseren Lebensbedingungen entstanden sind, bei
der ungeschlechtlichen Fortpflanzung erhalten werden und dass
sich unter solchen Verhältnissen die einheitliche Species in
eine Menge einzelner Varietäten auflösen würde, wie es in
einigen Fällen bei Culturpflanzen unter der Hand des Menschen
geschehen ist.
„Dieser Folgerung“, sagt Askenasy?), „entsprechen die
Thatsachen keineswegs. Im Allgemeinen führt eine lebhafte
ungeschlechtliche Vermehrung weder bei wildwachsenden noch
bei cultivirten Pflanzen nothwendiger Weise zu einer grossen
Mannichfaltigkeit der Formen. Wohl aber muss zugegeben
werden, dass eine reichliche ungeschlechtliche Vermehrung die
Fixirung von Abänderungen, die auf irgend eine Art entstanden
sind, sehr erleichtert. So befördert dieselbe bei sehr variabeln
wildwachsenden Pflanzen die Zersplitterung der Formen und
gestattet der künstlichen Auswahl, mit Leichtigkeit zahlreiche
Abänderungen verschiedener Culturpflanzen festzuhalten. Man
verfährt überhaupt inconsequent, wenn man die Gleichförmig-
keit einer Art auf Rechnung der Kreuzung setzt, denn man
weiss sehr wohl, dass viele Eigenschaften schon an und für
sich constant sind, dass Veränderungen derselben bei indivi-
duellen Variationen gar nicht vorkommen.“ Der citirte Autor
I) Göttinger Nachrichten, 1878, No. 9.
2) Beiträge zur Kritik der Darwin’schen Lehre. Leipzig 1872,
P- 54-55-
ROTE —
fährt nun fort: „Die grosse Bedeutung der Kreuzung liegt
meiner Ansicht nach darin, dass sie alle vereinzelten seltenen
Variationen, die sonst zur Bildung constanter Formen führen
könnten, absorbirt, indem sie deren Nachkommen wiederholt
mit Individuen paart, die von dem ursprünglichen Typus nicht
abgewichen sind.“ Wie leicht ersichtlich, wird bei der sexu-
ellen Verbindung von zwei Individuen derselben Art die Ver-
einigung der Gameten in der Weise wirken, dass die Eigen-
schaften des einen Gameten nicht allein zur Geltung kommen
könne, sondern durch die des anderen modificirt werden: es
werden also die erhaltenen Mittelwerthe sich vıel weniger leicht
vom Typus der Art entfernen, als wenn die Eigenschaften nur
von einer Seite aus vererbt werden. Das ist also die Anschau-
ung, nach welcher die Kreuzung und sexuelle Reproduction zur
Erhaltung der specifischen Eigenthümlichkeiten dient. Es ist
- nun merkwürdig, zu sehen, wie die anderen Autoren durch die
geschlechtliche Fortpflanzung gerade das herbeigeführt wissen
wollen, was nach den ersteren durch sie verhindert werden
soll, nämlich die Erzeugung neuer Varietäten, die dann zu
neuen Species werden können.
In diesem Sinne fasst Kerner!) die Sache auf und spricht
sich dahin aus, dass Fortpflanzung, Vermehrung und Ver-
breitung der Pflanzen auch durch „Ableger“ (d. i. Organe der
ungeschlechtlichen Reproduction und Propagation) erfolgen
können, dass sich aber die Befruchtung nur begreifen lässt,
wenn man sie als ein Mittel zur Entstehung neuer Arten auf-
fasst. Nach ihm ist, speciell für die Blüthenpflanzen, das Ziel
aller jener Einrichtungen, welche zur Befruchtung führen sollen,
„dass im Beginne des Blühens eine zweiartige Kreuzung
und erst dann, wenn diese nicht zu Stande kommt, einartige
Kreuzung, Geitonogamie, Autogamie und Kleistogamie statt-
ı) Pflanzenleben, Bd. I, p. 581.
=. 202 7R——
finden“. Die Hauptsache wäre also, dass durch die Sexualität
eine Vermischung zweier Arten und dadurch die Entstehung
neuer Arten ermöglicht würde; das erstere ist selbstverständlich
nur auf diesem Wege möglich, für das letztere aber kann es
nicht bewiesen werden. Doch muss man zugeben, dass die
Sexualität in dieser Hinsicht eine grosse Bedeutung besitzt und
ich glaube auch, dass man viel eher durch sprungweise, durch
die Kreuzung hervorgerufene Veränderungen als durch all-
mähliche, auf Anpassung beruhende Veränderungen die Ent-
stehung neuer Arten erklären kann. Es ist aber möglich, dass
— um ‚mich eines kurzen Ausdruckes zu bedienen — die
Grisebach’sche Auffassung neben der Kerner’schen be-
stehen bleibt, denn bei ersterer handelt es sich um die sexuelle
Vereinigung von Individuen innerhalb einer Art, bei der
letzteren um die Kreuzung verschiedener Arten. Wenn die
sexuelle Fortpflanzung nur die Erhaltung der Art sichern sollte,
so würde dafür gesorgt sein, dass eine zweiartige Kreuzung über-
haupt nicht stattfinden könnte oder erfolglos wäre; allein die
Kreuzungnahe verwandter Arten ist wohl viel häufiger erfolgreich
und liefert vielmehr fruchtbare Bastarte, als viele Naturforscher
anzunehmen geneigt sind. Wäre aber die wahre Absicht der
sexuellen Fortpflanzung die Vermischung der Arten, so würde
nicht die Vereinigung von Individuen derselben Art die Regel
sein, wie sie es doch wohl ist. Darum ist anzunehmen, dass
dem Fortbestehen der organischen Welt sowohl aus der ein-
artigen wie aus der zweiartigen Kreuzung ein Vortheil erwächst.
Nur ist nicht einzusehen, dass zur Erhaltung des Arttypus
und zur Entstehung neuer Arten die sexuelle Fortpflanzung
geradezu nothwendig ist. Denn auch ohne dieselbe könnten
doch constante Arten existiren und neue aus denselben hervor-
gehen, wofür die höheren Pilze und die Flechten den Beweis
liefern. Obgleich bei denselben niemals eine Vermischung
zweier Individuen zur Erzeugung der Keime eintreten kann,
verhalten sie sich doch in ihrer Gruppirung zu Arten, Varie-
täten u. s. w. nicht anders als andere Pflanzen und entstehen
hier gerade so gut neue Arten, als wie es für diese anderen
angenommen wird.
Doch ist zu wiederholen, was in allen solchen Fällen zu
sagen ist: nämlich wenn wir an einem Organismus eine für den-
selben offenbar nützliche Einrichtung bemerken, so ist deren
Nutzen nicht desswegen zu bestreiten, weil ein anderer ähn-
licher Organismus ohne jenen auskommt. So können wir nicht
leugnen, dass Dornen und Stacheln den Pflanzen als Schutz
gegen die Angriffe der Thiere nützlich sind, wenn auch andere
Pflanzen ohne dieses Schutzmittel den Angriffen der Thiere
nicht erliegen. Ebenso verhält es sich mit der sexuellen Fort-
pflanzung: sie ist ein Vortheil, keine Nothwendigkeit, und um
so grösser ist dieser Vortheil, als derselbe nach zwei Seiten
hin gerichtet ist: durch die einartige Kreuzung wird der Typus
der Art leichter erhalten, als bei rein ungeschlechtlicher Ver-
mehrung, durch die zweiartige Kreuzung wird die Bildung neuer
Arten zwar nicht erst ermöglicht, aber doch durch Einführung
dieses neuen Hülfsmittels erleichtert, „die geschlechtliche Fort-
pflanzung ist daher eine sehr viel mächtiger sprudelnde Quelle
der Variabilität und hat mit der allmählich höheren Entwick-
lung der Arten die ungeschlechtliche in den Hintergrund ge-
drängt und auf engere Kreise beschränkt“ !).
Der Autor, dessen Worte eben citirt wurden, hat aber in
erster Linie einen Vortheil der Sexualität darin erblickt, „dass
durch die Vereinigung zweier Zellen eine grössere Kraftsumme
zur Verfügung stehe“. Die Bedeutung dieses Ausspruches ist
mir nicht ganz klar, denn wenn es nur auf die Vereinigung
von zwei Zellen ankäme, so wäre es doch viel einfacher, wenn
zwei neben einander liegende Zellen desselben Organismus
verschmelzen würden und bedürfte es nicht der compli-
nerketehs,1..c p: 25.
cirten Einrichtungen, zwei Zellen aus verschiedenen Organismen .
zusammenzuführen. Hieran schliesst sich noch eine andere
Betrachtung zur Beseitigung einer einseitigen Auffassung der
Rolle, die der männliche Gamet bei der Befruchtung spielt, als
ob er nämlich nur dazu diente, das Ei zur Weiterentwicklung
anzuregen. In den meisten Fällen kann das Ei sich nicht ohne
Befruchtung entwickeln, aber man darf nicht glauben, dass es
an und für sich unfähig wäre, sich zu entwickeln und erst eines
besonderen Stoffes oder Reizes bedürfe: sehen wir doch aus
einzelligen ungeschlechtlichen Sporen und vielen Eiern partheno-
genetisch sich fortpflanzender Organismen, besonders bei
Thieren, neue Organismen, die aus zahllosen Zellen bestehen,
hervorgehen: Die Unfähigkeit des Eies, sich zu entwickeln, ist
nur eine Anpassung an die durch die Sexualität gebotenen
Vortheile, wie sie eben dargelegt worden sind. Wäre dies
nicht der Fall, so würde eben das Ei nach seiner Entstehung
gleich anfangen sich zu theilen und könnte dann nicht mehr
mit dem männlichen Gameten verschmelzen: eine Befruchtung
würde nur bei dem glücklichen Umstande eintreten, wenn sofort
nach der Bildung des Eies auch eine Spermazelle hinzukommt,
denn es ist nicht zu erwarten, dass das Ei nur gerade so lange
ruhe, als die Möglichkeit dauert, dass noch eine Spermazelle zu
ihm gelange, dann aber erst sich weiterentwickele mit oder ohne
Befruchtung. Wir müssen annehmen, dass die Vortheile, die
die sexuelle Fortpflanzung mit sich bringt, so gross sind, dass
sie den Untergang zahlloser unbefruchteter Eier aufwiegen, und
wir müssen in dem,männlichen Gameten nicht den Erreger zur
Entwicklung der Eizelle, sondern den Träger der Eigenschaften
des männlichen Organismus sehen, die mit den in der Eizelle
liegenden Eigenschaften des weiblichen Organismus vereinigt
werden sollen.
Neben den Vortheilen, auf welche nach obiger Auseinander-
setzung die sexuelle Fortpflanzung gerichtet ist, kann nun noch
ein dritter angeführt werden, der mir bis jetzt nicht in ent-
sprechender Weise Beachtung gefunden zu haben scheint. Die
Sexualität kann nämlich auch ein Mittel zur Ausbildung höher
stehender, d. h. complicirter gebauter Formen werden, In
dieser Hinsicht kommt es in Betracht, dass nicht bloss zwei
Individuen ihre Gameten zur Vereinigung bringen, sondern
dass die beiden Gameten oder auch Individuen als männlich
und weiblich unterschieden sind. In solcher Weise wirkt die
geschlechtliche Fortpflanzung besonders bei den Blüthen-
pflanzen und wir brauchen, um dies zu erkennen, nur die
verschiedenartigen Einrichtungen für die Bestäubung und die
mannichfaltigen, oft wundervollen Gestalten der Blüthen und
Constructionen der Bestäubungsapparate mit ihrer Anpassung
an die Insecten zu betrachten. Viel mehr aber als bei den
Pflanzen ist im Thierreich die Sexualität in der Hand der Natur
ein Mittel zur Vervollkommnung oder besser gesagt zur Aus-
bildung complicirter gebauter Formen geworden. Hier handelt
es sich nicht nur um die Mittel zur Vereinigung der verschieden
gebauten Geschlechter, sondern auch um die Auswahl der
Individuen und was dabei die geschlechtliche Zuchtwahl ge-
wirkt hat, das führt Darwin in meisterhafter Weise in seinem
bekannten Werke aus. Aber auch hier dürfen wir nicht zu
weit gehen und nicht glauben, dass erst durch die geschlecht-
liche Fortpflanzung eine Entwicklung zu höheren Formen statt-
fände. Im Allgemeinen zwar geht mit der Vermehrung der
Bedürfnisse, welche ja durch die Sexualität gegeben wird, eine
Vervollkommnung der Einrichtungen, hier also der Organi-
sation, Hand in Hand. Aber gerade das Pflanzenreich liefert
uns einige gute Beispiele davon, wie sich eine hochentwickelte
Organisation bei ungeschlechtlicher Fortpflanzung finden kann.
Die Laminariaceen, wie schon oben erwähnt, welche sich
nur durch asexuelle Schwärmsporen fortpflanzen, stehen im Bau
ihres Thallus auf derselben hohen Stufe im Reiche der Algen
— 2060 —
wie die Fucaceen, bei denen eine Befruchtung zwischen sehr
verschieden gebauten Gameten stattfindet. Bei den Moosen fin-
den wir den complicirtesten Bau in der Mooskapsel, dem Organ,
welches zur ungeschlechtlichen Vermehrung dient, und analog
ist bei den Farnpflanzen die ungeschlechtliche Generation
diejenige, welche Stamm, Blätter und Wurzeln bildet, während
die geschlechtliche Generation als ein unscheinbarer kleiner
Thallus auftritt!). Also nur unter gewissen Umständen wirkt
die Sexualität in der Weise, wie ich sie in dritter Linie als
einen Vortheil, der daraus für die Entwicklung der Organismen-
welt entsteht, anführte. Esist aber nun zu bedenken, dass im
Pflanzenreich die Sexualität gar nicht die hervorragende Rolle
spielt, welche ihr im Thier- und Menschenreich zukommt. Für
diese Betrachtungsweise habe ich am Schlusse der Einleitung
einige Andeutungen gemacht.
ı) Hiergegen nun wieder könnte Jemand einwenden, dass es sich bei
den Moosen und Farnen um einen Generationswechsel handelt, der ja nach
demselben Principe auch bei den Phanerogamen vorhanden ist. Die Sache
liegt aber insofern anders, als bei letzteren die ungeschlechtliche Generation
so zu sagen in den Dienst der geschlechtlichen gestellt ist, was sich darin
zeigt, dass die ungeschlechtliche Generation die Aufgabe übernommen hat,
für das Zusammenbringen der Gameten, die Bestäubung, welche der eigent-
lichen Befruchtung, vorangeht, zu sorgen; bei den Kryptogamen ist dies (mit
Ausnahme von Azolla) nicht der Fall:
Verzeichniss
der im Texte vorkommenden Pflanzen-
Abies canadensis 120.
— pectinata 88. 89.
Abutilon 105.
Acetabularia 177. 191.
Acorus Calamus 29. 137.
Adenostylis Cacaliae 108.
Aesculus hippocastanum
120, 121.
— rubicunda 121.
Agave americana 82.
— vivipara 126.
Ahorn 120.
Ailanthus glandulosa 89.
Algen 7. 9. Io. Iı. 14.
27. 145. 16I—170. 178.
190.
Alisma Plantago 130.
Alnus glutinosa 89.
Alo& 82.
Amorphophallus 12.
Anabaena 169.
Anchusa 94.
Andropogon Ischaemum
327:
— Schoenanthus 70.
Anemone 94.
— nemorosa 73. 74-
— silvestris 121.
Aneura multifida 10.
— spec. II*.
Angiospermen 165. 166.
168. 189. 194— 196.
Apfel 61—68. 149.
* bedeutet Abbildung.
Aphanochaete
170% DITEHIST
Araceen 147.
Araliacee 123.
Arundo phragmites 30.
Asclepias curassavica IO5.
Ascomyceten 44. 164. 165.
199.
Ascophyllum 181.
— nodosum I81*.
Askenasy 99. IO5s Anm.
200.
Aspidium Filix mas 187”.
Avena sativa 129.
Azalea dahurica I00 Anm.
Azolla 166. 206 Anm.
repens
Babinet 109.
Bambus 90.
ı Bambusa arundinacea 87.
Bambuseen S6. 87.
Banane 33. 34. 39. 83.
150. 151.
Bangiaceen 184. 185.
Barbula fragilis 32.
— papillosa 31.
de Bary 0. 71. 73.
Basidiomyceten 164. 199.
Batate 37. 38*. 155.
Bates 95. 96. Io5.
Batrachium 114.
Batrachospermum moni-
liforme 187*.
und Autor-Namen.
Bauhin, J. 62.
Behrens.-]- 19r.
Benecke, F. 68 Anm.
70. 84. 86. 153.
Berkeleyseo:
Beta vulgaris 75.
Betula alba 88. 89.
Binns 34.
Binz 61 Anm.
' Birke 88. 89.
Birne 61-68. IIO Anm.
177.
Blankenhorn zı.
| Bocksbart 73.
Bolle 39. 64. 65.
Bombaceen 133.
Bornet I8o Anm.
Borrago officinalis
128.
Borzi 169.
Bouche& 39. 64.
Boulger I1o.
Brassica 99.
Brefeld 164.
Breitenbach IggAnm.
Bromeliaceen 147.
Broussonetia papyrifera
49.
Bryophyten 161.
Bryopsis 177.
Bryum concinnatum 31.
— Reyeri 31.
Buche 75. 89. 120.
127
Bütschli 170.
Bujsman' 119.
Bulbochaete 9. 167.
— pygmaea 9*.
Burgerstein IQ Anm
Buxbaumia aphylla 13.
Cacao 150.
Cacteen II3. 123.
Caelebogyne 8.
Callitriche 130.
Calmus 29.
Camelina sativa 75.
Campylopus fragilis 32.
Canada-Pappel 46.
Capsella 73.
Cardamine uliginosa 140.
Carex rigida 137.
Carludovica 147.
Carpinus betulus 88.
“ Caspary 140.
Castanea vesca 89.
Caulerpa 32. 145. 146.
Cedrela sinensis IIQ.
Centaurea Cyanus Io6.
Cerealien 108. 109.
Cereus 123.
Chaetopeltis minor 176*.
Chaetophoraceen I77.
Characeen 178.
Chara crinita 142.
— fragilis 187*.
Chlamydomonas 173.
— Braunii 173*.
Chlorophyceen 167. 169.
183.
Chusquea 87.
Cirsium 142.
— affıne 142.
— purpureum 142.
Clos 29.
Closterium 171*.
Clusius 29 Anm.
Cochlearia armoracia 140.
Codiaceen 146.
Codium 146.
208
Coenogonium 7 Anm.
Coleochaete II. 176. 178.
— pulvinata 176*. 187*.
— scutata II*.
Colin 108.
Colocasia antiquorum 36. |
377 LISIES.
Conjugaten II. 169— 173.
186. 193.
Coniferen 23. 189.
Convallaria III.
Convolvulus Batatas 37.
38*, 155.
Corallina virgata 187*.
Corydalis 94.
Corylus Avellana 88.
Corypha 5.
— Gebanga 4*.
Cosmarium I7I.
Crocus 99. III.
— sativus Io6. 107.
Croucher 64.
Cruciferen 81.
Cucurbita 99. 100.
— Pepo 98.
Cutleriaceen 179. 180.
Cyanophyceen 15. 169.
170.
Cycas 143.
Cylindrocapsa 178.
— involuta 187*.
Cymodocea antarctica
114. IIS.
Cystopus 73.
DaelvanKoeth 22.
Dahlia variabilis 156.
Daphne 94.
Darwin 28. 29. 37. 49
Anm. 118. 126 Anm.
136. 137. 140. 152 Anm.
155. 157.
Dasycladaceen 167.
Deeaisne's1. 35.
Decandolle, A. 33.
37. 39. 55.08. 08% 11
—, C. 103.
Dentaria bulbifera 138*.
Deschampsia alpina 29.
Desmidiaceen 171. 172.
Dianthus 141.
Diatomeen I4. 169—I7I.
Dicranodontium _arista-
tum 3I.
Dictyota dichotoma 187*.
Dictyoteen 182. 183.
Didymosphaeria populina
44.
Digitalis grandiflora 128.
Dinoflagellaten 169.
'Dioscorea Batatas 35. 56.
— sativa 36*.
'Dochnahl 65.
' Dorema Ammoniacum 82.
Dothiora sphaeroides 44.
Downing 63.
\ Dracaena Draco 90.
Drachenbaum 90.
Echium vulgare 109.
Ectocarpus siliculosus
174. 178. IYOE@ EC
Edelkastanie 89.
Edwards 108.
Eggers 30. Anm.
Eibe 88.
Eiche 89. 90. 166.
Elatine Alsınastrum 130.
144.
Elodea canadensis 31. 32.
114. II5. 142. 143.
Engler 107 Anm.
Epilobium angustifolium
94. j
Epithemia 170. 171 Anm.
EquisetumTelmateja 187”.
Dattelpalme 35. 143. 149.
152.
David a1.
Erdbeere 15. 16*. 17. 105.
Eriodendron anfractuo-
sum 133.
Erle 89.
Ernst 124. 133.
Erythrotrichia obscura
184*.
Esche 125.
Euchlaena mexicana 107.
Euphorbia Cyparissias 73.
Fagus silvatica 89. 120.
Farne 12. 13. 96. 145. 147.
160. 166. 185. 190. 206.
Deerhrer 122.183,
Feigenbaum 37—39 143.
153%
Ferula Narthex 119.
Festuca 28.
— Fuegiana 29.
— ovina 29.
Feuerlilie 138.
Fichte 88. 89.
Ficus 93.
— Carica 37.
Flagellaten 168.
Flechten 6. 32. 202.
Florideen 167. 169. 183.
184. 185. 192.
Focke At. 42. 46. 47.
Fortune 37.
Fourcroya gigantea 148*.
149.
— Selloa 148*.
Frank 35Anm. 41 Anm.
44- 45 Anm. 59. 66 Anm.
79. 75-
Fraxinus excelsior 125.
— Ormus 119.
Fritillaria 194.
Frömbling 87.
Fucaceen 166. 179. 180
182. 183. 206.
Fucus 181. Igo.
— serratus 179*, 180 187*.
— vesiculosus IgI. 192.
Gärtner, C. FF. 141. 156.
Gagea bohemica 139.
‚Heinricher ı82.
— en
209
Gain 129.
Galanthus nivalis 99*.
Gartenkresse 98.
Gefässkryptogamen 165.
166. 195.
Georgine 40.
Geranien 40.
Getreide 48. 71. 80. 92.
150.
Geum 141.
Goebel ıo.
Goethe, R. 32. 54 Anm.
Götterbaum 8g.
Goldregen 1.
Gräser 28. 80. 81. 83. 137.
Gramineen 87.
Griffithsia setacea 187*.
Grimmia torquata 31.
Grisebach, 116. 200.
Guignard 186. 188. 189. |
196.
Gurke 72.
Gymnospermen 168.
Haberlandt ı$.
Hackel 29. 85. 87. 107
Anm.
Halimeda 146.
Hansen 35 Anm. 132
Anm.
Hanstein 8. 197 Anm.
HaplosporaVidovichii 183
Anm.
Harper 164 Anm.
Hasel 88. 110.
Liee@ ke Tist.
Hefe 14.
Hegler 170.
Helianthus tuberosus 107.
156,
Hemileia vastatrix 71.
Heptapleuron umbraculi-
ferum 125.
Heterospora 183 Anm.
Möbius, Fortpflanzung der Gewächse.,
Hildebrand, F. 93
Anm. 104 Anm. ııı.
Anm. 115 Anm.
Himanthallia 181*.
Hippuris vulgaris 130,
Hochstetter 96 Anm.
Hogg 44.
Huber 176 Anm., °
Hühnerdarm 6. 73. 81.
Humboldt ıos. 108.
IIO.
Hyacinthe 40. 99. 111.
Hydrodictyeen 177.
Hydrodictyum 175.
Hypericum calycinum
737:
Jacob, G. 105 Anm.
106. IIO Anm. 116. 120.
Jäger 23.
Iberis amara 98.
Jessen 24 Anm. 36. 40.
57—59. 62. 63. 72.
Impatiens parviflora 97.
Iris 99.
Isnardia palustris 130. 144.
Isoötes Malinerviana
187*.
Juncus 130.
— supinus 144.
Juniperus 89. 143. 190.
Jussiaea grandiflora 137.
Kalm ııS.
Kaffeebaum 71. 124. 150.
Kapuzinerkresse 103.
ı Kartoffel 35. 36. 37. 47.
55 1. 73. 158./860:
Kerner2$8Anm.31 Anm.
82 Anm. 93. 107 Anm.
114. 132 Anm. 137. 139.
140. 142. 20I.
Kiefer 88. 89.
Klappertopf 73.
Klatschrose 73.
14
Klebahn 170 Anm. 171. |
172 Anm. 192 Anm.
Klebs 160 Anm. 168
Anm. 174. 177 Anm. 203
Anm.
Knight 62. 63. 64. 65.
Koch, K. 46.
Koelreuter IQl.
Koelreuteria paniculata
119.
Kohl 109.
Krause, A. 83.
Krüger 70. |
Kuckuck 183 Anm. |
Kümmel 109.
Kryptogamen 162.
"190. 206 Anm.
186.
Lärche 88.
Laminariaceen
178. 205.
Laryx europaea 88.
Laubmoose 31. 144.
Lauterborn 170 Anm.
Lavatera 141.
Lebermoose 32. 144. 198.
Lein 98.
Lejolisia
184*.
Leguminosen I50.
Lemna I14.
Lemnaceen IO7. II4. 137. |
Leucodon sciuroides 32.
137.
Lilium 194.
— bulbiferum 138*. 139
— croceum 138.
— Martagon 189*.
— tigrinum 138.
Lindau 6.
Lindley 64. 653.
Linne& 122. 123.
Litorella lacustris 130.
Linum 141.
Livingstone 41.
37.366.
mediterranea
| Mesocarpus 17I.
210
Lobelia 141.
Musa 83. 105. 150. ISI.
— Erinus 103. — Ensete 83.
Ludwig 29 Anm. — Fehi 150.
Lunularia vulgaris 32. 142. | — Sapientium 33. 151.
143.
| Lupinus albus 129.
Lychnis 141.
Lycium 141.
Lycopodium Phlegmaria
187*.
Lyngbya 15.
Lysimachia nummularia
29.
Magnus 120.
ıMalva vulgaris 97. IOI.
, Maranta arundinacea 153.
ı Marchantia 13. 143.
\— polymorpha 13*. 185*.
187*.
Marri 54.
Marsilea quadrifolia 144.
— vestita 187.
Medicago sativa 129.
ı Mehlthau 50. 52. 54. 7I.
—, falscher 32.
| Melone 72.
Mercurialis 143.
.
Metzger 39.
Mimulus Tilingi 97*.
IOI.
MölleryAr7;
Monoblepharis 163.
|— sphaerica 163*. 187*.
.| Monotropa 94.
van Mons ®.
Moose 12. 13. 31. 137. 144. |
145. 160. 165. 166. 185.
190. 195. 206.
Morchel 12.
ı Mougeotia Uleana 172*.
Müller,F. 87 Anm. 105.
109.
Müller-Thurgau 54.
— Troglodytarum 33*.
150.
Mutterkorn 48.
Nardosmia fragrans 107.
Nelke 40.
Nels 51.
Nemalion multifidum 192.
98.
193*.
Nietner 50.
Nobbe 49 Anm.
Nördlinger 88 120
Anm. 123. 125 Anm.
Nymphaeaceen I14.
Oberlin 53.
Obstbäume 47. 61—68.
1IO. IIS. 122. 20S 226
154.
Oedogoniaceen 167.
ı Oedogonium 167. 176. 178.
193.
"— Boscii 187*. I9I*. 192.
Oelbaum 38. ı1IOo. 152.
153.
Oidium Tuckeri 50. 5I.
|, "322994
Olea europaea 38.
| Olive 39. 153.
‚Oltmanns ı81ı Anm.
| 192 Anm.
'Oncidium Lemonianum
30*. 147.
| Orange 154.
ı Orchideen 4. 30. 89 Anm.
| 147. 166.
Osmunda
187*.
' Otthia populina 44.
'Overdieck 63. 121.
Claytoniana
Palme 5. 166.
Palmellaceen 14.
Pandorina 174.
Panicum miliaceum 75.
Papaver 90.
— Rhoeas 73.
Pappel 143.
—, italienische 18. 24.
Payen 72.
Pelargonium zonale 128.
129.
Pellia calycina 187*.
Pelvetia 181".
Pentstemon 147:
Penzi-g 39.
Peperomia- 147.
Peronospora densa 74.
— macrocarpa 73-
— papaveris 74.
— viticola 53. 60.
Peronosporeen 163.
Petersen ISI.
Petersilie 109.
Petunia 100.
Pfeilwurz 155.
Phaeophyceen 169. 182.
183.
Phaeozoosporeen 183.
Phalaris canariensis 127.
Phanerogamen 162. 163.
165. 186. I9O. 194. 206
Anm.
Phaseolus vulgaris 98.
Phoenix dactylifera 34*.
35-
Phycomyceten 163. 164.
Phytophthora infestans
60.
— omnivora 75.
Picea vulgaris 88. 89. 120.
Pilobolus 5.
Pilularia globulifera 144.
Eilze2.6. 7. 10. 12. 27.
38. 44. 45. 46. 47. 51.
E22 058..59: 60. 72. 73-
ae: 06, 132. 160.
162. 163. 164. 165. 202.
2II
Pinus montana 88.
— silvestris 88. 89.
Pirola 94.
Plectonema Wollei 14*.
Plinius 50.
Poa 28.
— alpina 29.
— bulbosa 28.
— stricta 28.
Pöppig 96.
Polygonum
108.
— fagopyrum I29.
— viviparum IO8. 137.
Polytrichum commune
187*.
Populus alba 46.
— canadensis 46.
— canescens 46.
— nigra 40.41 Anm. 46.
— pyramidalis 40.
— tremula 41. 89.
Porphyra 185.
Potamogeton 130.
Primel 94.
Primula Clusiana 132.
— minima 132.
Pringsheim 174.
Prunus insititia 65.
Pteridophyten 161.
Pterostyrax hispida 119.
{ Pyramidenpappel 24. 40.
41°—47.
Pythium
75-
amphibium
de Baryanum
Quecke 73.
Ouercus pedunculata 89.
90.
Raleigh 55.
Ranunculus 114.
— Ficaria 29. 137. 138*.
— lanuginosus 121.
Rebe 49. 71. IO5. 154.
Rhinanthus 74.
Rhus Cotinus 119.
Ricinus 88. 103.
Riesenfichte, califor-
nische 6.
Rivularia 15.
— bullata 14*.
Rose 40. I23.. 140. 149.
Rosskastanie I.
Rostrup 44. 45.
Rothe, Tyge 43. 47-
Royle 126 Anm.
Rubus Idaeus 83.
— odoratus 83.
Rübe 109.
Rise IT 10.
Runkelrübe 72.
Saccharum 85.
— officinarum 68. 69* ff.
S5*,
Sac rs. 204 20.> 08...00:
TOO. 103. LI IISH167:
168. 198 Anm.
Sageret Ti
Sagittaria sagittifolia 130.
v.Salisch 45 Anm.
Salix babylonica 46.
Salvinia 161. 162. 182.
Sandelbaum 125.
Santalum album 123.
Saprolegnia monilifera
164.
Saprolegnieen 163.
SChAcht 90. zERFRTAg
Anm. 150. 153.155 Anm.
Schenck 130. I44.
Schilfrohr 30.
Schimper 146. 147.
Schleiden 24. 56.
Schmitz 184. IS5.
Schopenhauer 20.22
Anm. 109g Anm.
Schröter, C.'87:
Schwarzpappel 40 Anm.
43. 46. -
Se. ott,].- 125
Scorodosma foetidum 82.
Scrophulariaceen 81.
14*
Scytosiphon lomentarius
178.
Seemann 35 Anm.
Selaginella 161.
— cuspidata 187*.
Sellerie 109.
de Seynes Io.
Silberpappel 46.
Sinapis nigra 75.
Siphoneen 14. 167. 177.
192.
Sirogonium 173.
Sommergetreide 80. 81.
Sophora japonica 119.
Sorauer..o5,i.48., 113.
123 Anm. 124 Anm. 125.
Sorbus domestica IIg.
Sparganium simplex 130.
144.
Speechley 65.
Spergula arvensis 75.
Sphaeroplea 177. 178.
— annulina 187*.
Sphaerotheca Castagnei
144 Anm.
Spirogyra 9*. 15. 17. 171.
175. 193.
Stellaria bulbosa 139.
— media 5. 73. 81.
Stieleiche 89.
Strasburger 177
Anm. 186. 188. 195. 196.
Stratiotes aloides 142. 143.
Syringa I. III.
Tanne 88. 89. 190.
Taro 36.
Taxus 143.
— baccata 88. 89.
212
Tetraphis 13.
— pellucida 13*.
von Thuemen 45. 48.
50. 53. 68. 75.
Thuer 63 Anm.
Thuret 180 Anm.
Tillandsia usneoides 146.
147.
Timmia norvegica 32.
Tilopterideen 182. 183.
Tradescantia virginica
128. 129.
Tragopogon 73.
Trauerweide 46. 47.
Trifolium repens 75.
Triticum repens 73.
Tropaeolum 99.
— majus 103.
Tucker 50.
Tulpe 40. 99. 111.
Ulme 125.
Ulmus campestris 125.
Ulothrix 15. 17. 175.
— nitens 14*.
— zonata 174.
Ulotrichaceen 177.
Ulvaceen 177. 185.
| Umbelliferen 81. 82.
| Unger 57.
ı Uromyces Primulae 132.
Utricularieen 147.
Vaucheria 167. 177. 192*.
193.
— synandra 187*.
ı Veilchen 105.
ı Verbascum 142.
ı Vergissmeinnicht 105.
ı Vicia Faba 98.
Vinca minor 29.
|
Voechting 97. 101.
Volvox aureus 187*.
Vonhausen 45 Anm.
-Vuillemin 44. 45.
Vuyck 114 Anm.
Waldanemone 73.
Waldmeister 73. 74.
Wallace 96.
Wallnüsse 110.
Warming 116.
Weiden 46. 143.
Weidenröschen 94.
Weinstock 47. 49 ft.
W eismann 196. 197. 198.
Weissbuche 88.
‚| Weizen 72. 108.
Wendt 123.
ıWiegmann 14l.
Wiesner 8I Anm. 8
Anm. 95.
Wille 32. 192 Anm.
Willkomm 40 Anm.
Wintergetreide 81. gl.
Wissenbach 122 Anm.
Wistaria chinensis 121.
Wolftia arrhiza 107.
Wolfsmilch 73.
Wollny 117. 118.
Yamswurzel 35. 36. 37.
Zanardinia collaris 179*.
180. 187*.
| Zea Mais 75. 129.
Zitterpappel 46. 89.
Zorn 62. 65 Anm.
Zuckerrohr 26. 68 ff. 69*.
84. 85". 86. 121. 124. I53-
Zygnema 171. 193.
Zygomyceten 164. 165.
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ae. ee Tafeln. 1896. Preis:
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Verlag von &ustiav Fischer in Jena.
tn Dr. Eduard, o. ö, Professor der Botanik der Universität Bonn.
Strasburger, Histolozische Beiträge. an der Universi onn
Heft 1: Ueber Kern- und Zelltheilung im Pflanzenreiche nebst einem Anhang
über Befruchtung. Mıt 3 Jithographischen Tafeln. 1888. Preis: 7 Mark.
Heft 2: Ueber das Wachsthum vegetabilischer Zellhäute. Mit 4 lithographischen.
Tafeln. 1889. Preis: 7 Mark.
Heft 3: Ueber den Bau und die Verrichtungen der Leitungsbahnen in den
Pflanzen. Mit 5 lithographischen Tateln uud 17 Abbildungen im Text. 1891.
Preis: 24 Mark.
Heft 4: Das Verhalten des Pollens und die en den
Gymnospermen, Schwärmsporen, Gamelen, pflanzliche Spermato iden und
das Wesen der Befruchtung. 1892. Mit 3 lithogr. Tafeln. Pseis: 7 Mark.
Heft 5: Ueber das Saftsteigen. — Ueber die Wirkungssphäre der Kerne
und die Zellgrösse. 1893. Preis: 2 Mark 50 Pt.
Wirkung des Lichtes und der Wärme auf Schwärmsporen.
1878. Vıeis: 1 Mark 60 Pt,
Die Angiospermen und die @ymnospermen. Mit 22 Tafeln. 1879.
Preis: 25 Mark.
Das kleine botanische Praetieum für Anfänger. Anleitung
zum »elbststudium der mikroskopischen Botamık und Einlünung ın die mukroskopische
Technik. Zweite umgearbeitete Auflage. Mit 110 Holzschnitten. 1893. Preis: 5 Mark,
geb. 6 Mark.
Das Protoplasma und die Reizbarkeit. Rede zum Antritt des
Rektorates der Kheın. kriedr.-Wilhb, Universität am 18. Uktober 1891. Preis; 1 Mark.
Soeben erschien:
Das botanische Praetieum. Anleitung zum Selbststudium der mikro-
skopischen Botanik für Antäuger und Geübtere. Zugleich ein Handbuch der mikro-
skopischen Technik, Mit 221 Holzschnitten. Dritte gänzlich umgearbeitete Auflage.
1897. Preis: brosch. 20 Mark, geb. 22 Mark 50 Pt.
Neue Untersuchungen über den Befruchtungsvorgang bei
den Phanerogamen als Grundlage für eine Theorie der Zeugung. Mit 2 litho-
graphischen Tafeln. 1884. Preis: 5 Mark.
Ueber den Bau und das Wachsthum der Zellhäute. - Mit
8 Tateln. 1882. Preis: 1U Mark,
Zellbildung und Zelltheilung. Dritte völlig umgearbeitete Auflage.
Mit ı4 Tafeln und 1 Holzschnitt. 1880. Preis 15 Mark.
Dr. Fritz, Privatdocent Dr. Heinrich, Privatdocent
’ Nol 9 a. d. Universität Bonn, Schenck, a. d. Universität Bonn.
2 Dr. A F. W., a. o. Professor p
Schimper, an der Universität Bonn, Lehrbuch der Botanik für
Hoehsehulen. Zweite umgearbeitete Auflage. Mit 594 zum Teil farbigen Ab-
bildungen. 1895. Preis: brosen. 7 Mark 50 Pt., eleg. geb. 8 Mark 50 Pf.
Dr. F.. Docent der Botanik am Eidgen. Polytechnikum in Zürich,
von Tavel, Vergleichende Morphologie der Pilze. Mit 90 Holz-
schnitten. 1892. Preis: 6 Mark.
Max, Dr. med. et phil,, Privatdocent der Physiologie an der medici-
Verworn, "> eg
nischen Fakultät der Universität Jena, Allgemeine Physiologie.
-— in.
Ein Grundriss der Lehre vom Leben. Mit 270 Abbilduugeu. 1845. Preis; brusch.
15 Mark, in halbfranz geb. 16 Mark 50 Pf,
de Vries Hugo, ord. Prof. der Botanik a. d, Universität Amsterdam, Intracellulare
’ Pangenesis. 1889. Preis: 4 Mark,
— — Die Pflanzen und Thiere in den dunklen Räumen der
Botterdamer Wasserleitung. Bericht über die biologischen Untersuchungen
der Crevothrix-Gumuwission zu Kotterdam vom Jahre 1887. 1890. Preis: 1,80 Mark
Zimmermann, Dr. A., Professor an der Universität Berlin, Morphologie
und Physiologie des pflanzlichen Zellkerns.
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Eine kritische Literatursiudie. Mır 84 Abbilduugen ım Text. 1896. Preis: 5 Mark»
Frommaunsche buchdruckercı (Hermann Pohle) in Jena, — 1596 Ü
New York Botanical Garden Library
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Mobius, Martin A
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